Homofeindlichkeit im deutschen Profi-Fußball: Studie zeigt, Problem ist größer als gedacht

Über 2300 Fußball-Fans beantworteten Fragen zum Thema Homofeindlichkeit. Die Ergebnisse überraschen einen Coach mit Schwerpunkt Diversity-Management nicht.
Homofeindlichkeit im deutschen Profi-Fußball – gibt es das überhaupt noch oder sind wir inzwischen auch bei unseren deutschen Kickern toleranter geworden? In einer neuen, repräsentativen Studie des deutschen Lesben- und Schwulenverbands in Zusammenarbeit mit der Fanplattform FanQ wurden rund 2300 Fußball-Fans befragt in ganz Deutschland zum Thema Homofeindlichkeit und offenbart: Das Problem ist größer als gedacht.
Für eine genaue Betrachtung der Ergebnisse wurden die Befragten in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe sieht sich als Unterstützer:innen der LGBTQIA+-Community, die andere nicht. Das Gefälle könnte kaum größer sein: Während die Fans mit Bezug zur queeren Community mehrheitlich ein Problem im Bereich Homofeindlichkeit sehen und auch schon homofeindliche Vorfälle registriert haben, sind es bei den Nicht-Unterstützer:innen gerade einmal knapp 19 Prozent. Verständlich, dass so auch eine deutliche Mehrheit (67 Prozent) gar keinen Bedarf sieht, überhaupt etwas gegen Homo-Hetze im Profi-Sport zu tun.
Profi-Fußballer fürchten immer noch negative Konsequenzen eines Coming-Outs
Marcus Urban überraschen diese Zahlen nicht – der ehemalige Jugendnationalspieler der DDR war der erste Profi-Fußballer, der sich 2007 als schwul outete. Heute arbeitet er als Coach mit Schwerpunkt Diversity-Management. Gegenüber BuzzFeed News Deutschland sagt er: „Wir sind an einigen Stellen schon sehr weit im Fußball, aber an anderen eben leider noch gar nicht. Solange es nicht in der Gesellschaft eine Normalität und Akzeptanz im Bereich sexuelle und geschlechtliche Identität gibt, wird das Problem auch im Fußball nicht ganz behoben werden können.“
Wie weit die Meinungen zwischen queer-freundlichen und queer-fernen Fans auseinander gehen, zeigt auch die Frage nach dem Coming-Out eines Profis. Für die Unterstützer:innen ist ein solches Outing mit negativen beruflichen und privaten Konsequenzen verbunden. Fans ohne Queer-Bezug dagegen haben durchwegs entweder gar keine Meinung dazu (45 Prozent) oder denken, es gäbe gar keine Probleme (47 Prozent). Urban: „Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass es immer noch Befürchtungen vor einem Coming-Out gibt. Hier werden die Profi-Spieler nach wie vor von ihrem engsten Kreis eher negativ beraten und lehnen ein Outing ab. Das ist absolut unfair, gerade mit Bezug auf die Entwicklung als Mensch. Jeder hat das Recht, frei zu leben. Im Gespräch mit geouteten Profis wie Jake Daniels oder Josh Cavallo erleben wir, wie viel Energie durch das Outing frei wird.“
Auch die Annahme, dass ein Outing negative Folgen auf die berufliche Karriere haben würde, teilt Urban nicht: „Ich gehe fest davon aus, dass der nächste geoutete Profi-Fußballer in Deutschland als Held gefeiert werden wird!“ Für die queer-fernen Fans wäre ein solches Outing kein Grund zum Feiern, beinahe die Hälfte (47 Prozent) möchte keinen homosexuellen Spieler in seinem Lieblings-Club. Die Unterstützer:innen würden dies beinahe alle begrüßen.
DFB und DFL zeigen zu wenig Engagement im Kampf gegen Homofeindlichkeit im Fußball
In zwei Aspekten sind sich die Fans dann doch einig, wenn auch in unterschiedlich starker Ausprägung. Der Deutsche Fußballbund (DFB) sowie die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zeigen viel zu wenig Einsatz gegen Homofeindlichkeit im Fußball – mehrheitlich stimmen dem alle Fans zu, auch Urban bestätigt dies: „Hier gibt es definitiv zu wenig Engagement. Das kann man nicht anders feststellen!“ Trotzdem, so Urban, sei in den letzten Jahren in den Clubs bereits viel passiert, aber: „Im Bereich LGBTQIA+ tut man sich generell etwas schwerer, da ist noch viel Luft nach oben, und es zeigt sich, dass Bagatellisierung und Verdrängung bei vielen Fans noch vorhanden sind.“ Der zweite Punkt, bei dem von Fan-Seite Einigkeit herrscht, ist die Einschätzung, dass homofeindliche Vorfälle vor allem ein Problem im Männerfußball sind (91 Prozent der Unterstützer:innen, 49 Prozent der Nicht-Unterstützer:innen).
Wie kann man nun aber der Homosexuellen-Feindlichkeit im Fußball entgegenwirken? Die queer-fernen Fans haben sich dazu noch gar keine Gedanken gemacht, die Unterstützer:innen benennen konkrete Möglichkeiten wie Diversity Trainings sowie die Verankerung von Diversität in den Vereinssatzungen und fordern Suspendierungen, Sperren und Geldstrafen für Kicker, die homofeindlich auffallen.
Wir brauchen als LGBTQIA+-Community einen langen Atem, die Entwicklungen geschehen leider sehr langsam. Als ich mich 2007 geoutet habe, hatte ich die Hoffnung, dass schnell eine queere Anlaufstelle im Bereich Fußball geschaffen wird – es passierte dann vierzehn Jahre später. Es ist nachvollziehbar, dass queer-ferne Fans erst einmal verunsichert sind. Etwas Neues wird oftmals erst skeptisch aufgenommen. Fußball hat den Menschen immer eine vertraute Zuflucht geboten, daher wünschen sich viele Fans wohl bis heute keine Veränderungen hier. Die Angst kann man Fans aber auch nehmen, sobald queeres Leben im Alltag sichtbarer wird, beispielsweise, wenn der Profi-Fußballer nach dem Spiel seinen Ehemann umarmt. Der Kernpunkt für eine Verbesserung ist Sichtbarkeit!
(Autor: JHM Schmucker)