Aber die dramatische Ironie, die darin liegt, dass wir wissen, dass „House of the Dragon“ von Punkt A zu seinem unvermeidlichen Punkt B gelangen muss – einem Bürgerkrieg der Targaryens, der als „Tanz der Drachen“ bekannt ist – ist eine der größten Stärken der Serie. Die Serie fliegt durch die Zeit, springt hier ein paar Monate, dort ein oder zwei Jahre vorwärts und lässt die uninteressanten Teile weitgehend (wenn auch nicht vollständig) weg, um eine Reihe von ineinandergreifenden Geschichten zu liefern. Wenn die Serie von Rhaenyras Jugend zu ihrem Erwachsenenalter übergeht (und Emma D‘Arcy die Rolle übernimmt), lässt sie mehrere Jahre aus, in denen wenig Bemerkenswertes passiert zu sein scheint.
Das ist ein erfrischend effizienter Ansatz. „House of the Dragon“ will zu den guten Teilen kommen und dort bleiben. Es gibt Momente, in denen die Serie an Spannung zu verlieren scheint, nur um dann weiterzuspringen und eine veränderte politische Landschaft, wachsende Familien und neue Fehden einzuführen. In all dem regiert Viserys und King‘s Landing bleibt schockierend stabil. „House of the Dragon“ ist das Ende der Geschichte von Westeros: Jede:r geht einfach davon aus, dass die Dinge so weitergehen, wie sie sind, für immer, mit denselben Häusern und eine:m Targaryen auf dem Thron.
Es gibt zwar ein paar unbeholfene Versuche, explizit auf die Ereignisse von „Game of Thrones“ Bezug zu nehmen, aber im Großen und Ganzen ist „House of the Dragon“ mehr an seinen Charakteren als Charakteren interessiert, als daran, was sie mit einer Fernsehserie zu tun haben, die wir vor zehn Jahren gesehen haben. Die Art und Weise, wie die Akteur:innen auf den Status quo reagieren, und die Pläne, mit denen sie versuchen, ihn zu unterwandern, sagen interessante und fesselnde Dinge über sie aus. Sie sind keine Teile eines Puzzles, das am Ende zusammenpassen muss, um zu zeigen, wie Arya den Nachtkönig ersticht.
Die Darbietungen und Charaktere sind die Highlights, aber es gibt noch viele andere Gründe, sich „House of the Dragon“ anzusehen. Sapochnik und die anderen Regisseur:innen der Serie, Greg Yaitanes und Clare Kilner, nutzen die Tatsache, dass sie größtenteils auf King‘s Landing beschränkt sind, sehr gut aus, um dem Geschehen Glanz und Stil zu verleihen.
Nach Berichten von Variety, ist das Budget der Serie zwar nur etwas höher als das der letzten Staffel von „Game of Thrones“, aber das Produktionsteam hat mehr als genug Erfahrung in der Gestaltung von Westeros, um das erneut zu meistern. Einige Schauplätze wurden neu gestaltet (darunter die berüchtigte Drachengrube, die zur Zeit von „Game of Thrones“ in Trümmern liegt). Außerdem schaffen es die Designer:innen der Serie, Erinnerungen an die Originalserie wachzurufen und gleichzeitig einen Hauch von Abgestumpftheit heraufzubeschwören, da das Targaryen-Reich seine Blütezeit hinter sich hat. Es gibt sogar ein paar richtige Schlachten, die von der Belagerung von Höhlen über die Erstürmung von Stränden bis hin zu Drachenangriffen im Vorbeiflug reichen. Oh ja – es gibt eine Menge Drachen, die dank CGI beeindruckend echt aussehen.
Dieses ganze Spektakel macht zwar Spaß, ist aber weit weniger interessant als das, was „Thrones“ die ganze Zeit über auszeichnete: Unbedeutende, mächtige Leute, die sich gegenseitig anschnauzen. Und „House of the Dragon“ beherrscht diese Szenen so gut, dass ich ihm ein großes Kompliment machen möchte: Man kann dieses Prequel wahrscheinlich auch genießen, ohne die Originalserie gesehen zu haben.
Möglicherweise wird es im Laufe von „House of the Dragon“ immer mehr Anspielungen auf „Game of Thrones“ geben. Aber im Moment hat die Serie mehr Schlagkraft, mehr Tiefe und mehr Selbstbewusstsein, als man es von einer Serie erwarten würde, die aus dem Erfolg von „Thrones“ Kapital schlagen will. Und sie verdient es, ihre Skeptiker:innen zu überzeugen. Ich bin immer noch misstrauisch, wenn es darum geht, den Erfolg für immer mehr Inhalte zu nutzen. Aber seltsamerweise beweist „House of the Dragon“, dass große TV-Franchises sich nicht in etwas Größeres einfügen müssen. Sie können einfach nur gute Geschichten sein.
Autor ist Eric Thurm. Dieser Artikel erschien am 19. August 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.