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Corona kann ungewöhnliche Psychosen auslösen

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Wie entsteht eine Covid-Psychose? © Olive Burd / BuzzFeed News; Fortnite

Eine Corona-Infektion kann das Gehirn maßgeblich beeinträchtigen. Nun kam es in einigen wenigen Fällen sogar zu einer Psychose. 

Covid-19 wirkt sich bekanntermaßen auf das Gehirn aus und verursacht eine Reihe von Symptomen und Problemen wie Geruchs- und Geschmacksverlust, Kopfschmerzen, Gehirnnebel, Verwirrung und psychische Probleme wie Depressionen, von denen immer mehr jüngere Menschen betroffen sind.

In einigen Fällen kann Covid-19 sogar eine Psychose auslösen, also ein Realitätsverlust, der sich in Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Unruhe, Paranoia und manchmal magischem Denken äußert. Während dies selbst bei Erwachsenen selten ist, wie Studien zeigen, berichteten Forscher:innen im Vereinigten Königreich über einen noch ungewöhnlicheren Fall einer Psychose bei einem ungeimpften 16-jährigen Jungen, der nach Berichten der American Academy of Pedriatics, wegen bedingter Atemnot und Brustschmerzen nach einer Covid-Infektion, ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Etwa eine Woche nach Abklingen seiner Covid-19-Infektion wurde er unruhig und glaubte, besondere Kräfte zu besitzen, darunter die Fähigkeit, Gedanken zu lesen. Er hörte und sah auch Halluzinationen, darunter Fortnite-Figuren, so Dr. Zainab Bashir vom Queen Elizabeth Hospital Birmingham und Kollegen, die den Bericht in der Zeitschrift Pediatrics verfasst haben.

Psychos durch Corona: Nur ein Bruchteil Patient:innen entwickelte diese Komplikation

Psychosen sind zwar ungewöhnlich, aber allgemein nach Virusinfektionen, insbesondere bei Atemwegsinfektionen, nicht unmöglich. Andere hirnbezogene Komplikationen von Covid-19, wie Schlaganfälle, Angstzustände, Schlaflosigkeit und Verwirrung, treten häufiger auf. Auch Long Covid kann nach einer Infektion auftreten und wird leider von vielen Ärzt:innen nicht ernst genommen.

Eine Studie mit mehr als 230.000 Covid-19 Patient:innen, die im Jahr 2020 erkrankten, ergab, dass bei etwa einem von drei Patienten in den sechs Monaten nach der Infektion eine neurologische oder psychiatrische Erkrankung diagnostiziert wurde. Allerdings wurde nur bei etwa 1,4 Prozent eine psychotische Störung diagnostiziert. „Das kommt sehr selten vor. Es handelt sich um einen Bruchteil eines Teils der mit Covid-19 infizierten Patient:innen.

Aber sollte sich jede:r Sorgen machen, nach einer Infektion eine Covid-Psychose zu entwickeln? Nein“, sagt Jonathan Komisar, Internist und Psychiater am Duke University Hospital, der regelmäßig Patient:innen mit Covid-Psychosen und anderen neuropsychiatrischen Symptomen im Zusammenhang mit der Krankheit behandelt. Dennoch: „Es ist sicherlich nicht so selten, dass man nicht offen dafür sein sollte, dass so etwas passiert“, sagte er. Übrigens hat die Pandemie auch Auswirkungen auf unseren Körper, die nichts mit Corona zu tun haben.

Genesungszeit bei Corona-Psychosen kann variieren

Am Auffälligsten am Fall des britischen Teenagers, war den Forscher:innen zufolge, dass es keine Warnsignale für die auftretende Psychose gab. (Ganz zu schweigen davon, dass er keine persönliche oder familiäre Vorgeschichte von psychiatrischen Erkrankungen oder Drogenkonsum hatte). Der Junge wurde zunächst für fünf Tage wegen Covid-19 in das Krankenhaus eingewiesen und dann nach Hause entlassen. Doch drei Tage später holte ihn seine Familie wegen Verhaltensauffälligkeiten wieder zurück.

Der Teenager war ungewöhnlich ängstlich, sprach nicht normal, zog sich bis auf die Unterwäsche aus und beschimpfte seine Eltern. Im Krankenhaus sagte der Junge, er könne an die Decke geschriebene Botschaften sehen, er habe ein Glas in der Tür zerbrochen, um zu fliehen, er habe in die Luft getippt und dabei Kauderwelsch gesprochen. Er sagte, das „Informationssystem in seinem Gehirn sei gelöscht worden“. In der Zwischenzeit weigerte er sich, die Ärzt:innen Tests durchführen zu lassen, aus Angst, dass sie ihn vergiften würden. Auch Suizid-Gedanken äußerte der Junge.

Der Teenager wurde in eine Jugendpsychiatrie eingewiesen und erhielt niedrig dosierte antipsychotische Medikamente, die ihm allmählich halfen, sich zu bessern und Vertrauen zum Krankenhauspersonal zu gewinnen. Nach drei Monaten konnte er schließlich nach Hause entlassen werden. Sechs Monate später hatte er sich vollständig erholt.

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Psychose durch Corona: Auf diese Warnsignale sollte man achten

„Unabhängig davon, was die Psychose auslöst, können wir zumindest feststellen, dass sie sich mit der Zeit und mit der Standardbehandlung bessert, was meiner Meinung nach wichtig ist“, so Komisar. „In gewisser Weise ist das beruhigend.“ Mujeeb Shad, Professor für Psychiatrie an der School of Medicine der Oregon Health and Science University, veröffentlichte einen Bericht über drei Jugendliche. Darunter einen 17-jährigen Patienten, den er behandelt hatte und der drei Wochen nach dem positiven Test eine Corona-Psychose entwickelt hatte. Ihre Symptome hielten über einen Zeitraum von sechs Tagen bis sechs Monaten an.

„Dieses Virus ist eines der komplexesten Viren, die wir je kennengelernt haben, und niemand kann vorhersagen, welches System es am stärksten angreift. Sei es das [zentrale Nervensystem], die Nieren, die Lunge oder sogar die Haut“, sagte Shad gegenüber BuzzFeed News US. Es ist fast unmöglich zu sagen, ob jemand eine Psychose entwickelt oder wie schwer der Fall sein wird. Shad sagte aber, dass Erwachsene und Menschen mit geschwächtem Immunsystem anfälliger sein könnten.

„Dies kann eine Art selbstlimitierender Prozess sein, der sich über Monate hinziehen kann, aber das passiert nur bei einem kleinen Prozentsatz von einem kleinen Prozentsatz von Menschen“, so Komisar. „Wenn du bemerkst, dass Familienmitglieder oder Kinder sich nicht wie sie selbst verhalten oder Verhaltensweisen an den Tag legen, die für sie untypisch sind, sollte das ein Warnsignal sein und du solltest sie untersuchen lassen.“

Einige mögliche Erklärungen für die Ursache einer Corona-Psychose

Es ist nicht klar, ob das Virus das Gehirn direkt infiziert oder ob es bestimmte Moleküle des Immunsystems angreift, die dann die Gehirnzellen schädigen, so Shad. Es ist bekannt, dass das Coronavirus über ACE2-Rezeptoren in die Zellen eindringt, die normalerweise an ein Enzym binden, das überall im Körper vorkommt, so Shad, was zumindest zum Teil erklärt, warum das Virus fast jede Zelle befallen kann.

Die Beziehung zwischen Covid und Psychose zu verstehen, ist auch deshalb schwierig, weil viele Faktoren zu psychischen Problemen oder neuropsychiatrischen Symptomen im Allgemeinen führen können, so Komisa. Zum Beispiel Stress, der Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten oder Partydrogen, Hirnschäden und natürlich psychotische Störungen oder Stimmungsstörungen selbst. Sogar Pendeln kann negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben.

Es scheint keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad einer Infektion und der Entwicklung oder dem Schweregrad von Psychose-Symptomen zu geben, erklärte Shad. Der 17-Jährige, den er behandelte, litt zum Beispiel nur unter leichten Atembeschwerden, niedrigem Fieber und Müdigkeit.

„Dein Immunsystem wird hochgefahren und beginnt, normale Teile des Gehirns mit einer Infektion zu verwechseln und anzugreifen“

Eine der Theorien zur Erklärung der Covid-Psychose geht von einer Invasion des zentralen Nervensystems aus, wobei das Coronavirus direkte Schäden am Nervengewebe verursacht, die zu psychiatrischen Symptomen führen. Oder, so Komisar, das Virus könnte eine lokale Entzündung im Gehirn auslösen, die zu einer Psychose führt.

Eine weitere Form ist eine übersteigerte Entzündungsreaktion im gesamten Körper. Diese Reaktion pumpt eine übermäßige Menge an Zytokinen – Proteine, die an der Kommunikation zwischen Zellen des Immunsystems beteiligt sind und eine Schlüsselrolle bei Entzündungen spielen – in den Blutkreislauf, wodurch der Blutfluss zum Gehirn verringert oder blockiert wird. (Gemäß dem National Cancer Institute als Zytokinsturm bezeichnet.)

„Man kann sich das wie einen Eigenbeschuss vorstellen“, sagte Komisar. „Dein Immunsystem wird hochgefahren und beginnt, normale Teile des Gehirns mit einer Infektion zu verwechseln und anzugreifen.“

Auch der Stress, den eine Covid-Infektion auslöst, kann zu einer Psychose führen

Das Coronavirus selbst kann auch der „Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt“, so Komisar. Das bedeutet, dass die Infektion bei Menschen mit prädisponierenden Risikofaktoren eine psychiatrische Erkrankung auslösen kann. Aufgrund mangelnder Daten wissen Ärzt:innen jedoch nicht genau, was diese Risikofaktoren sind.

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Kortikosteroide, die zur Behandlung einer Reihe von Erkrankungen wie Krebs, chronischen Schmerzen, Lupus, Asthma und dem erwähnten Zytokinsturm eingesetzt werden, sind dafür bekannt, bei manchen Menschen Psychosen und andere Stimmung-verändernde Wirkungen hervorzurufen. Sie können auch die Psychose verschlimmern, wenn sie während einer Episode verabreicht werden. Keiner der Covid-Psychose-Patient:innen, über die in den veröffentlichten Fallberichten berichtet wurde, nahm Steroide ein, bevor die Symptome begannen, aber sowohl Komisar als auch Shad sagten, es sei wichtig, diese Medikamente mit Vorsicht zu verwenden.

Wichtig ist auch der Hinweis, dass Menschen eine Covid-Psychose aufgrund des sozialen und medizinischen Stresses entwickeln können, der mit der Krankheit verbunden ist, und nicht aufgrund der Krankheit selbst. Shad beschreibt in seinem Bericht zwei solcher Fälle von covidbedingter Psychose bei Jugendlichen. „Wir erfahren immer mehr, dass die Schließung von Schulen und die fehlende Möglichkeit, mit Gleichaltrigen zu interagieren, in jüngeren Bevölkerungsgruppen tatsächlich erheblichen Schaden angerichtet hat, was sich in der erhöhten Suizidalität und der gestiegenen Zahl von Suiziden bei jungen Patient:innen widerspiegelt“, sagte er. Viel Stress im Alltag? Meditation bietet so einige gesundheitliche Vorteile und kann sich positiv auf die Psyche auswirken.

Psychosen nach viralen Infektionen sind gut dokumentiert

Psychosen oder andere neurologische Symptome nach einer Virusinfektion sind zwar nicht häufig, kommen aber vor, sagen Expert:innen. Einige der früheren Nachweise gehen auf die Grippepandemie von 1918 zurück, so ein Frontiers in Psychiatry Artikel. Einige Studien zeigen sogar einen Zusammenhang zwischen einer pränatalen Influenza-Exposition und einem höheren Risiko für eine Schizophrenie-Diagnose.

Narkolepsie, Krampfanfälle, Guillain-Barré-Syndrom und Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) wurden auch nach anderen Ausbrüchen und Pandemien gemeldet, darunter die SARS-Epidemie im Jahr 2003, die H1N1-Pandemie im Jahr 2009 und der MERS-Ausbruch im Jahr 2012, so ein Artikel des Brain, Behaviour and Immunity Journal.

Psychose nach Corona-Erkrankung: „Wir sprechen hier von einem sehr geringen Prozentsatz in der Allgemeinbevölkerung“

Eine 2020 in der Zeitschrift Schizophrenia Research veröffentlichte Rezension, die Daten von mehreren Epidemien und Pandemien wie SARS, Ebola, H1N1 und Covid umfasste, ergab, dass bei 0,9 Prozent bis vier Prozent der Infektionen Psychosen auftraten.

„Die Corona-Pandemie wird wirklich wichtige wissenschaftliche Möglichkeiten bieten, um mehr über die Beziehungen zwischen Virusinfektionen und psychischen Störungen im Allgemeinen und Psychosen im Besonderen zu erfahren“, so Sarah Morris, Leiterin des Forschungsprogramms für psychotische Störungen am National Institute of Mental Health Division of Translational Research. „Es ist jedoch wichtig, das Risiko nicht zu hoch anzusetzen. Wir sprechen hier von einem sehr geringen Prozentsatz in der Allgemeinbevölkerung.“

Autorin ist Katie Camero. Dieser Artikel erschien am 12. Juli 2022 zunächst auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.

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