Influencer:innen haben Angst, dass sie weniger Werbe-Deals bekommen

Influencer:innen setzen die aktuellen Krisen ganz schön zu: „Man hat das Gefühl, dass man hinterher fällt, wenn man dieses oder jenes nicht tut.“
Dies ist ein Auszug aus „Please Like Me“, dem Newsletter von BuzzFeed News US, in dem es darum geht, wie Influencer:innen um deine Aufmerksamkeit buhlen.
Seit Monaten haben die Sorgen über eine mögliche Rezession, die auch Scholz ansprach, Gespräche über die Wirtschaft in den sozialen Medien angeheizt. Es wird darüber geredet, welche Veränderungen, die die Menschen in ihrem Alltag erleben und darüber, welche weiteren Auswirkungen noch kommen könnten. Während Unternehmen ihre Ausgabenstrategien überdenken, ist die Influencer:innen-Wirtschaft einer der vielen Bereiche, die davon betroffen sind. Kleine und mittelständische Content-Creators berichten BuzzFeed News US, dass sie in diesem Jahr weniger Sponsoring-Angebote und weniger bezahlten Deals mit Marken erhalten haben.
Influencer:innen gehen Sponsoren durch die Lappen
Karla Alverio, 27, ist eine vegane Mikro-Influencerin aus Puerto Rico mit mehr als 12.000 Follower:innen auf Instagram. Sie erzählte BuzzFeed News US, dass sie in diesem Jahr mehrere Gelegenheiten hatte, die ihr dann durch die Lappen gingen. Beispielsweise erzählte sie von einem kurzfristigen zweimonatigen bezahlten Sponsoring, von dem sie dachte, dass es sich zu etwas Größerem ausweiten würde.
„Ich wurde zu einer sehr exklusiven Veranstaltung mit acht anderen Content-Creators eingeladen“, sagte sie. „Bei dieser Veranstaltung wurde uns sogar eine langfristige Partnerschaft angeboten. Ich habe sie immer noch nicht bekommen.“ Ähnlich erging es ihr Anfang des Jahres mit einem anderen Unternehmen. „Wir haben Gespräche geführt, alle Prozesse durchlaufen und dann war plötzlich Schluss“, sagte sie. Klingt nach Ghosting im Job, das eigentlich oft von Bewerber:innen ausgeht.
Auch die Deutsche Maya Leinenbach ist vegane Food-Influencerin – sie hat mit uns über das Thema Kulturelle Aneignung beim Essen gesprochen.
Angst vor Rezession lässt Unternehmen vorsichtiger handeln
Peter Lee, 22, ist Food-TikToker mit über 438.000 Follower:innen. Er sagte, dass er seit Anfang des Jahres weniger Anfragen erhält. „Ich denke, dass einige Content-Creatos Manager:innen und Agent:innen haben, die sich an Unternehmen wenden und all diese Dinge für sie erledigen“, sagte Lee. „Ich habe nicht den Luxus, mir eine Manager:in oder Agent:in leisten zu können, also liegt es an mir, Markendeals zu bekommen.“
Tobias Buxhoidt ist CEO und Gründer von parcelLab, einer Datensoftware, die mit Einzelhandelsmarken zusammenarbeitet, um die Verkaufszahlen im Blick zu behalten. Er sagte zu dieser Thematik, dass die zunehmende Besorgnis der Unternehmen über eine Rezession zu geringeren Marketingbudgets geführt habe, was wiederum weniger Geld für Influencer:innen bedeute.
„Marken sind es gewohnt, viel Geld und Mühe aufzuwenden, um Kunden zu finden und zum Kauf zu bewegen. Infolgedessen ist Influencer:innen-Marketing ist ein heißes Thema“, sagte er. „Wir sehen einen Trend, der zeigt, dass es immer schwieriger wird, Kunden zu finden und für sich zu gewinnen. Es wird also immer teurer. Wir sehen auch, dass die Marken vorsichtiger werden, was die Zukunft angeht. Einige bereiten sich bereits darauf vor, dass die Rezession auf breiterer Basis eintreten wird.“
Vollzeit-Content-Creator zu sein ist nicht einfach
Tess Chung, 37, eine Make-up-Influencerin mit mehr als 30.000 Follower:innen auf Instagram, sagte, sie fühle sich ähnlich. „Ich denke, was so beängstigt, ist die Tatsache, dass ich finanziell nicht stabil bin“, sagte sie. Chung sagte, sie verwende derzeit ihre Ersparnisse, um sich auf ihren Kanal zu konzentrieren, nachdem sie jahrelang als Visagistin in Taiwan und China gearbeitet hatte.
Auch wenn sich der Großteil ihrer beruflichen Energie auf Instagram konzentriert, sind ihr mangelndes Einkommen sowie finanzieller Rückhalt einige der Gründe, warum sie sich noch nicht als Vollzeit-Content-Creator bezeichnen möchte. So wie diese Influencer:innen, die die Tech-Branche inszenieren. „Viele Leute, die ich für Vollzeit-Content-Creators halte, posten dreimal am Tag auf Tiktok oder [Instagram] Reels ca. zweimal am Tag“, sagte sie. „Und natürlich sind es die Sponsorengelder und andere Dinge, die das Ganze überhaupt möglich machen.“
Es ist schwer, sich selbst als Vollzeit-Content-Creator zu bezeichnen, ohne die Gewissheit zu haben, dass man damit seine Rechnungen bezahlen kann, sagte auch Alverio.
Aber gleichzeitig sind auch alle Influencer:innen der Meinung, dass das Geld nicht ihre größte Sorge sei. Die Erstellung von Inhalten nehme einfach viel Zeit in Anspruch. Lee sagte, dass er für das Filmen einiger Tiktoks bis zu drei Stunden brauche. Alverio sagte, sie verbringe etwa sechs Stunden mit der Entwicklung von Rezepten. Außerdem bestehe der Druck, in der sich ständig verändernden Social-Media-Landschaft auf dem Laufenden zu bleiben.
„Jeden Tag gibt es etwas Neues, etwas anderes zu tun“, sagte Alverio. „Es fühlt sich definitiv so an, als würde man zurückfallen, wenn man dieses oder jenes nicht tut.“ Also beispielsweise auf einen neuen Trend aufzuspringen, was bei TikTok der #DayInMyLife Tiktok-Trend oder der Barbiecore Tiktok-Trend sein kann.

Nischen beeinflussen den Erfolg von Influencer:innen
Da die Influencer:innen-Ökonomie immer mehr zu einem Thema des gesellschaftlichen Diskurses wird, ist es wichtig, darüber nachzudenken, wie dieser Bereich von anderen Kräften, wie etwa den politischen, den wirtschaftlichen und den technologischen beeinflusst wird.
Weil die verschiedenen Einnahmequellen – Geldmittel der Urheber:innen, Werbeeinnahmen, Markenverträge, bezahltes Sponsoring – einen Rückschlag erleiden, wird es wahrscheinlich noch schwieriger, als ein:e finanziell erfolgreiche:r Influencer:in zu gelten. „Der Influencer:innen-Markt wird ebenfalls immer größer“, sagte Buxhoidt. „Es gibt so viele Nischenanbieter:innen. Es ist wirklich schwer zu definieren, wer die richtige Influencer:in für das Ziel [eines Unternehmens] ist.“
Alverio sagte, dass die Größe der Plattform, die spezifische Nische und die geografische Lage ebenfalls Einfluss auf die finanziellen Möglichkeiten haben. Sie sagte BuzzFeed News US gegenüber, dass vegane Marken auf dem Markt seltener sind als allgemeine Lebensmittelmarken. Selbst dann ist jedoch nicht jeder bereit Lebensmittel nach Puerto Rico zu verschicken, da es zu Verzögerungen kommt und man befürchtet, dass sie verderben könnten. „Es ist schwer, Sponsor:innen für meine Nische zu finden“, sagte sie. Außerdem gebe es in Puerto Rico eine Spitzengruppe von Influencer:innen, die in der Regel die meisten Aufträge erhielten, was es für kleinere Influencer:innen schwieriger mache, sich von der Masse abzuheben.

Das ist etwas, worüber Lee sehr viel nachdenkt. Er sagte gegenüber BuzzFeed News US, dass er sich zwar über all die neuen Inhalte freue, dass dies aber auch den Druck erhöhe, sich von der Masse abheben zu müssen. „Mit dieser Flut an Content-Creators bedeutet dies, dass Marken und Sponsoren jetzt mehr denn je einen größeren Pool an geeigneten Personen zur Auswahl haben“, sagte er. „Angesichts der Rezession musste ich die Mühe, die ich in meine Videos steckte, um mich von der Masse abzuheben, deutlich erhöhen.“
Auch Kylie Jenner will auf Social Media gut ankommen und scheint andere TikToker:inen zu kopieren.
Influencer:innen wollen nicht für alle Produkte werben
Die Art und Weise, wie das Publikum mit Influencer:innen interagiert, ändert sich ständig – wir haben schon so viele Memes über Social-Media-Werbung gesehen. Buxhoidt glaubt aber, dass die Zusammenarbeit mit Influencer:innen im Marketing weiterhin wichtig sein wird.
„Ich denke, dass mehr Marken Influencer:innen nutzen werden, um Kunden zu binden“, sagte er. „Das Publikum wird es sich zweimal überlegen, ob es einen Kauf tätigen will. Wenn Influencer:innen die Menschen für eine Marke begeistern und einen wirklich loyalen Kundenstamm aufbauen können, dann ist das für die Marke besser.“
„Ich bin sehr wählerisch bei meinen Markendeals“, sagt Lee. „Ich weiß, dass jemand in der Welt, der mir gerade zuschaut, das Produkt, für das ich werbe, auch benutzen wird. Und wenn ich es selber nicht verwende, möchte ich nicht, dass jemand anderes es verwendet.“
Influencer-Dasein: Mit „eigener Plattform ein Kindheitsziel verwirklicht“
Dennoch betonten die Content-Creators, dass keiner von ihnen dies aus finanziellen Gründen tue und sie nicht die Absicht hätten, ihre Kanäle nur wegen des mangelnden Geldes zu beenden. Lee sagte, dass es für ihn schon immer ein Traum war, Inhalte zu erstellen und dass er sich mit einer eigenen Plattform ein Kindheitsziel verwirklicht habe.
„Ich liebe es, meine Ideen und Inhalte mit der Welt zu teilen“, sagte er. „Ich hoffe, dass ich das eines Tages zu meiner Vollzeitkarriere machen und der Welt meinen Stempel aufdrücken kann. Um das zu erreichen und meine Träume verwirklichen zu können, muss ich die ganze Sache jedoch langsam und Schritt für Schritt angehen.“
Autorin ist Steffi Cao. Der Artikel erschien am 16. September 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Anna Musterfrau.