Richter aus Texas geht gerichtlich gegen Joe Bidens Erlass von Studienschulden vor
Präsident Biden versprach während seiner Wahlkampagne, Studienkredite zu erlassen. Ein von Trump ernannter Richter erklärte seine Pläne als verfassungswidrig.
Auch in Deutschland haben es Studierende nicht einfach. Immer höhere Mieten zwingen Student:innen sogar in Turnhallen. In den USA sind es vor allem die Kosten für ein Studium, die Studierenden finanziell das Genick brechen. An öffentlichen Hochschulen liegen die Kosten zwischen 8000 und 18.000 US-Dollar. Präsident Joe Biden startete deswegen ein Programm, dass Studienkredite erlassen soll.
Doch nun, am späten Donnerstagabend, dem 10. November, ordnete ein Bundesrichter in Texas an, dass Präsident Joe Bidens Programm zum Erlass von Studienkrediten gestoppt werden soll – es sei verfassungswidrig. Die Regierung hatte seit Oktober 2022 Anträge von einigen der mehr als 40 Millionen berechtigten Kreditnehmer:innen angenommen. Mehr als 26 Millionen Menschen hatten sich bereits angemeldet und über 16 Millionen Anträge wurden genehmigt.
Die Entscheidung des US-Bezirksrichters Mark Pittman im nördlichen Bezirk von Texas bedeutet jedoch, dass das Programm vorerst gestoppt wird. Hier erfährst du, was wir über den aktuellen Stand der Dinge wissen und was in Zukunft passieren könnte.

Wer ist der Richter?
Mark Pittman wurde 2019 vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump, der sich 2024 erneut zur Wahl aufstellen lassen will, zum Bundesrichter ernannt. Zuvor war er Richter am texanischen Staatsgerichtshof.
Obwohl er noch nicht lange als Bundesrichter tätig ist, hat er in konservativen Kreisen bereits einen guten Ruf. Im August hob er laut CNN ein texanisches Gesetz auf, das Personen zwischen 18 und 20 Jahren das Tragen von Handfeuerwaffen in der Öffentlichkeit verbot. Im März entschied er, dass Bidens Regierung unbegleitete Flüchtlingskinder während der Pandemie nicht von der sofortigen Abschiebung ausnehmen kann. Auch Deutschland schob vor kurzem sieben Geflüchtete nach Aserbaidschan ab – dort wurden sie verhaftet.
Wie begründet Mark Pittmann seine Entscheidung?
Im Grunde genommen ging es darum, dass Biden dieses Programm durch eine sogenannte Executive Order und nicht durch ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz in Kraft gesetzt hat. Laut Pittman verstoße dies gegen die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung.
„In diesem Land werden wir nicht von einer allmächtigen Exekutive mit einem Stift und einem Telefon regiert. Stattdessen werden wir von einer Verfassung regiert, die drei verschiedene und unabhängige Zweige der Regierung vorsieht“, schrieb Pittman in seiner 26-seitigen Urteilsbegründung.

Auf welche Gesetze hatte sich Joe Biden mit seinem Programm für den Schuldenerlass gestützt?
Biden hatte sein Programm für Studierende mit der Begründung entwickelt, dass er dank eines 2003 vom Kongress verabschiedeten Gesetzes namens „Higher Education Relief Opportunities for Students Act“ (HEROES Act) dazu befugt sei. Dieses Gesetz ermächtigte Bildungsminister:innen, „im Falle eines Krieges, einer anderen Militäroperation oder eines nationalen Notstands“ staatliche Programme für Studienkredite aufzuheben oder zu ändern. Der ehemalige Präsident Donald Trump hatte die Corona-Pandemie im März 2020 offiziell zum nationalen Notstand erklärt.
Pittman entschied jedoch, dass der Fall die „Major Questions Doctrine“ aus einem Fall des Obersten Gerichtshofs im Juni zwischen West Virginia und der US-Umweltschutzbehörde widerspiegele: Das Gericht legte damals fest, dass eine Bundesbehörde in der Lage sein muss, auf eine „klare Ermächtigung durch den Kongress“ zu verweisen, wenn sie ein Thema von großer politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung regulieren will. Deshalb sei der HEROES Act nicht ausreichend.
Er wies darauf hin, dass in dem Gesetz aus dem Jahr 2003 nichts über den Erlass von Krediten steht. Außerdem habe die Regierung keinen Zusammenhang zwischen dem Programm und dem Pandemie-Notstand nachgewiesen (der, wie Biden gegenüber 60 Minutes sagte, „vorbei“ ist, merkte der Richter an). Die Tatsache, dass das Bildungsministerium den HEROES Act bis jetzt noch nicht als Grundlage zum Erlass von Studienkrediten verwendet habe, zeige, dass dieses Gesetz ihnen nicht das Recht dazu gebe.
Nach dieser Entscheidung ordnete Pittman an, dass das gesamte Programm gestrichen und nicht nur auf Eis gelegt wird. „Erstens ist es eine Aneignung der Macht des Kongresses, die die von der Verfassung geforderte Gewaltenteilung beeinträchtigt“, so Pittman. „Zweitens kann das Programm sofort beendet werden, da die Erlassung der Kredite noch nicht begonnen hat.“
Was unterscheidet diese Klage von anderen?
Bidens Programm war bereits im Oktober 2022 aufgrund einer einstweiligen Verfügung des 8. US-Berufungsgerichts, das eine Berufung einer Gruppe republikanischer Staaten prüft, vorübergehend ausgesetzt worden, berichtete Forbes. Das Berufungsgericht hatte das Programm jedoch nicht gänzlich gestoppt und die Regierung nahm in der Zwischenzeit weiterhin Anträge von Kreditnehmer:innen an.
Der Unterschied zu dieser Entscheidung besteht darin, dass Pittman feststellte, dass die Kläger rechtlich befugt waren, das Programm überhaupt anzufechten. Andere, die versucht haben, das Gesetz vor Gericht anzufechten, sind bereits an der ersten Hürde gescheitert, nachdem Richter entschieden hatten, dass sie nicht beweisen konnten, durch das Gesetz geschädigt worden zu sein.
Myra Brown und Alexander Taylor fochten das Gesetz an, zwei Personen mit Studienkrediten, deren Klage von einer konservativen Interessengruppe unterstützt wurde. Brown war nicht damit einverstanden, dass ihr die Kredite nicht erlassen wurden, weil sie diese von privaten Darlehensgebern und nicht von der Regierung bekommen hatte, während Taylor nicht damit zufrieden war, dass er nur 10.000 Dollar (9.726 Euro) und nicht 20.000 Dollar (19.452 Euro) an Entlastung erhalten konnte, weil er keinen sogenannten Pell Grant (Teil eines Ausbildungsförderungsprogramms der US-Regierung) erhalten hatte. Der Richter entschied, dass in beiden Fällen eine Schädigung vorlag – „ein konkretes Interesse an einem größeren Schuldenerlass“ – weshalb sie klagen konnten.
Bidens Schuldenerlass bei Studierenden: Was passiert jetzt?
Das Urteil bedeutet, dass das Programm, zumindest vorerst, nicht fortgesetzt werden kann. Bereits am Freitagmorgen, dem 11. November, meldete die Website, auf der man sich für die Ermäßigung registrieren konnte, dass der Plan blockiert worden war.
Die Regierung unter Biden hat jedoch bereits Berufung gegen die Entscheidung beim 5. Bundesberufungsgericht eingelegt, das in Texas ansässig ist und den Ruf hat, das konservativste Gericht des Landes zu sein.
Was auch immer dort entschieden wird, es ist wahrscheinlich, dass sich als Nächstes das Oberste Gericht damit befassen wird. Die Richterin Amy Coney Barrett hat bereits zwei frühere Klagen abgelehnt, die von unteren Gerichten zurückgewiesen worden waren, aber die Richter:innen müssen das Programm noch umfassend prüfen.

Was passiert mit den bisherigen Anträgenzum Erlass von Studienkrediten?
Die kurze Antwort lautet: nichts. Selbst wenn der Antrag bewilligt wurde, werden Studienkredite vorerst nicht erlassen, da die Entscheidung noch vor Gericht verhandelt wird. Auf der Website heißt es, dass die Anträge bis zur endgültigen Entscheidung aufbewahrt werden.
„Für die 26 Millionen Menschen, die dem Bildungsministerium bereits die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt haben, um für einen Schuldenerlass infrage zu kommen, (16 Millionen Anträge wurden bereits genehmigt) wird das Ministerium ihre Informationen aufbewahren, damit es die Anträge schnell bearbeiten kann, sobald wir uns vor Gericht durchgesetzt haben“, sagte Karine Jean-Pierre, Pressesprecherin des Weißen Hauses, in einem Statement.
Haben Leute noch eine Chance auf Erlassung, wenn sie noch keinen Antrag gestellt haben?
Ja, denn das hängt davon ab, was letztendlich mit dem Programm geschieht. Falls es wieder aufgenommen wird oder falls das Berufungsgericht die Anträge einfach weiterlaufen lässt, während es über das Programm nachdenkt, ist es wahrscheinlich, dass weitere Anträge eingereicht werden können.
Die Regierung hatte eine Frist bis zum 31. Dezember 2023 für Anträge gesetzt, aber es ist noch unklar, wie sich die rechtlichen Entwicklungen auf diesen Zeitplan auswirken könnten.
Wird die Rückzahlungspause für Studienschulden verlängert?
Biden hatte zuvor erklärt, dass die Rückzahlungspause, die während der Pandemie siebenmal verlängert wurde, Ende dieses Jahres auslaufen würde. Der laufende Rechtsstreit könnte bedeuten, dass einige Leute mit Studienschulden wieder Geld zurückzahlen müssen, während sie auf ein endgültiges Gerichtsurteil warten.
BuzzFeed News US hat beim Weißen Haus nachgefragt, ob Biden plant, den Zahlungsstopp noch einmal zu verlängern, doch bis jetzt noch keine Antwort erhalten.
Mehr aus den USA? Dort waren gerade Midterms (Zwischenwahlen). Viele junge Leute nutzten die diesjährigen Midterms, um die demokratische Regierungspartei zu unterstützen.
Autor ist David Mack. Der Artikel erschien am 11. November 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Friederike Hilz.