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Zu viel Druck: Immer mehr junge Ärztinnen und Ärzte verlieren die Lust am Job

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Von: Felicitas Breschendorf

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Junge Ärztin, die sich über ein Kind beugt.
Junge Ärztinnen und Ärzte sind oftmals frustriert von einer Menge Überstunden. © Alexander Heinl/ dpa

Studie: Ein Drittel aller jungen Ärzt:innen will ihren Job hinwerfen. Viele Überstunden und unnötige Bürokratie machen den Beruf bei ihnen offenbar unbeliebt.

Schon zu Beginn ihrer Laufbahn haben ein Drittel aller Mediziner:innen offenbar keine Lust mehr auf ihren Job. Das hat eine aktuelle Studie des Ärzteverbands Hartmannbund herausgefunden, die BuzzFeed News Deutschland vorliegt. Im vergangenen Jahr wurden dafür bundesweit rund 1.260 Assistenzärzt:innen befragt, also angehende Ärzt:innen, die für ihre vollständige Ausbildung nach dem Medizinstudium im Krankenhaus arbeiten.

Assistenzärzt:innen seien insbesondere durch viele Überstunden, ökonomischen Druck und unnötige Bürokratie belastet. Gerade einmal acht Prozent seien mit den Arbeitsbedingungen im Krankenhaus sehr zufrieden. Mehr als die Hälfte, also 66 Prozent, schätzen ihre berufliche Situation zwischen gut und befriedigend ein.

Junge Ärzt:innen machen massenhaft Überstunden

Ärzt:innen arbeiten oft deutlich mehr als 40 Stunden die Woche. Rund 40 Prozent der in der Studie des Hartmannbunds befragten Assistenzärzt:innen sind zwischen 45 und 55 Stunden beschäftigt. Ein Drittel verbringt sogar 65 Stunden wöchentlich im Krankenhaus. Zur regulären Arbeitszeit kommen Wochenendschichten auf Station oder einer Rettungsstelle. Für manche junge Menschen sei das ein Grund, aus dem Arztberuf auszusteigen.

Aber warum betrifft der Wunsch nur junge Ärzt:innen? Es sei nicht so, dass diese weniger belastbar seien als noch vorherige Generationen, betont Ina Reiber gegenüber BuzzFeed News. Die Referatsleiterin beim Ärzteverband Hartmannbund erklärt, dass man sich heutzutage nicht mehr zwischen Karriere und Familie entscheiden wolle. „Mütter möchten nicht nur gute Mütter, sondern auch gute Ärztinnen sein und Väter möchten nicht nur gut Ärzte, sondern auch engagierte Väter sein.“

„Patientinnen und Patienten kommen aus Sicht der jungen Ärztinnen und Ärzte oft zu kurz“

Ökonomischer Druck und zu viel Bürokratie im Klinikalltag führten ebenfalls dazu, dass junge Ärzt:innen sich gegen ihren Job entscheiden. Doppeldokumentationen am Arbeitsplatz seien beispielsweise mit unnötigem Zeitaufwand verbunden. „Patientinnen und Patienten kommen aus Sicht der jungen Ärztinnen und Ärzte oft zu kurz“, berichtete uns Ina Reiber. Vor allem Schwarze Patient:innen erleben in der Medizin häufig Rassismus – auch sie fühlen sich nicht ausreichend gut betreut.

Mangelnde digitale Ausstattung sei ebenfalls ein Problem. Dabei sind zum einen zu wenig Laptops, PCs und Co. gemeint, aber auch Programme zur Organisation von Patient:innen. Der Hartmannbund fordert, dass sich Ärzt:innen wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren können. Zur Umsetzung sei die Bereitstellungen finanzieller Ressourcen notwendig. Wichtig sei aber auch, „dass die Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte von den Verantwortlichen auch gehört [werden] und der Dialog gesucht wird“.

Die Forderungen des Hartmannbunds – Verband der Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V.:

Junge Ärzt:innen, die ihren Job tatsächlich kündigen, entscheiden sich laut Hartmannbund oft für einen Wechsel vom stationären in den ambulanten Bereich – oder einen Fachrichtungswechsel. Das kann zum Beispiel von der Unfallmedizin in die Gastroenterologie sein – aus diesem Bereich berichtet ein Arzt zu Nahrungsergänzungsmitteln auf TikTok. Einige Ärzt:innen wählten aber auch eine Laufbahn außerhalb einer ärztlichen Tätigkeit.

„Wegducken hilft nicht“: Es gibt zu wenige Medizinstudent:innen

Während junge Ärzt:innen aufhören wollen, herrscht in deutschen Krankenhäusern ohnehin schon Nachwuchsmangel. Der Ärzteverband Marburger Bund warnt laut Spiegel, dass im kommenden Jahr rund 90. 000 Ärzt:innen in Rente gehen werden. Nach Angaben der Bundesärztekammer, schreibt er, seien rund 54.000 berufstätige Ärztinnen und Ärzte zwischen 60 und 65, weitere 35.500 sogar über 65 Jahre alt.

Gleichzeitig kommen nicht genug junge Ärzt:innen nach, wie der Hartmannbund herausgefunden hat. Zwar sei die Zahl der Medizinstudienplätze an deutschen Universitäten von 9.000 auf 11.600 gestiegen, das sei aber zu wenig. Im Verhältnis zum Personalmangel an Kliniken müsse die Zahl erheblich mehr wachsen. Susanne Johna, Chefin des Marburger Bunds fordert deshalb zehn Prozent mehr Medizinstudent:innen, wie der Spiegel berichtet. „Wegducken hilft nicht“, sagt sie. „Wir brauchen mehr ärztlichen Nachwuchs.“

Der Personalmangel an Kliniken, der auch zu erhöhten Arbeitszeiten der Ärzt:innen führt, wird nicht nur aufgrund der geringen Zahl an Bewerber:innen ausgelöst. Wie rbb berichtete, werden neue Ärzt:innen teilweise auch nicht eingestellt, um Klinikbetriebe profitabler zu machen. Profit in der Medizin ist ein schwieriges Thema und führt oft zu Interessenkonflikten. Zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie: Nur jeder fünfte Arzt legt Zahlungen von Pharmafirmen offen.

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