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Retuschierte Bilder und Spots kennzeichnen? Experte glaubt nicht, dass Werbung so realistischer wird

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Von: Jana Stäbener

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Influencerin zeigt Produkte für Social Media. Gleichstellungsminister:innen forderten, das Influencer:innen retuschierte Fotos und Videos in Zukunft kennzeichnen müssen.
Sollten Influencer:innen retuschierte Videos und Fotos in Zukunft kennzeichnen? Ein Experte findet: Ja, aber ob das so viel bringt, ist fraglich. © Cavan Images/IMAGO/Collage

Werbeexperte hält die Kennzeichnungspflicht bei retuschierten Bildern und Spots für „medienpädagogisch sinnvoll“, bezweifelt aber, dass Werbung realistischer wird.

Dass man auf Social Media nicht immer die Wahrheit sieht, ist vermutlich klar. Deswegen entwickeln sich auch einige Gegenbewegungen wie der TikTok-Sound „The Internet isn‘t real life“, bei dem TikToker die Wahrheit hinter der Scheinwelt zeigen. Sie filmen unaufgeräumte Zimmer, wie sie einfach nur traurig dasitzen oder präsentieren auch mal eine Nahaufnahme ihres ungeschminkten Gesichts, bei der eben nicht jede Pore um die Wette strahlt. Denn das ist bei diesen Apps das Problem: Instagram und Snapchat zerstören nicht nur unsere Erinnerungen, sie zeichnen auch oft ein unrealistisches Bild der Welt, das zu unerreichbaren Schönheitsidealen führt.

Aus diesem Grund wollen die Gleichstellungsminister:innen der Bundesländer eine Kennzeichnungspflicht für geschönte Bilder auf Instagram und Co., wie sie bei einer Konferenz in Hamburg am 1. Juli 2022 entschieden. Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die bei Social Media und in der Werbung eingesetzten Beauty-Filter prägen nachweislich ein unrealistisches Schönheitsideal bei Mädchen und Frauen, weil einfach nicht mehr erkennbar ist, welche Fotos sind bearbeitet und welche sind es nicht.“

Deswegen sollen Influencer:innen ab 10.000 Follower:innen in Zukunft kennzeichnen, wenn sie Beauty-Filter verwenden oder ihre Bilder in anderer Weise retuschieren. „Wir sollten uns nicht von digitalen Tools vorschreiben lassen, was als schön zu gelten hat und was nicht“, so Fegebank. Aber was bedeutet diese Regelung für die Werbung der Zukunft? Wird die etwa realistischer, fragen wir von BuzzFeed News Deutschland den Werbeexperten Klaus Böhm von Deloitte. Er ist sich da nicht so sicher.

Kennzeichnungspflicht retuschierter Bilder und Werbung ist „medienpädagogisch sinnvoll“

Klaus Böhm leitet den Bereich Media & Entertainment bei der Unternehmensberatung Deloitte und beschäftigt sich damit, wie die Werbebranche sich verändert. Er war lange in Medienunternehmen tätig und wirft immer mal wieder einen Blick in die Zukunft, so auch in der Studie „Die Zukunft der Werbung – Vier Zukunftsszenarien für die Werbebranche“. Böhm glaubt schon, dass eine Kennzeichnungspflicht besonders bei werblichen Inhalten aus Konsumentenschutz-Überlegungen gut sei. „Bei den neuen Technologien auf dem Werbemarkt, die so immersiv und überzeugend sind, kann es durchaus sinnvoll sein, retuschierte Werbung zu kennzeichnen“, sagt er gegenüber BuzzFeed News Deutschland.

Er geht davon aus, dass diese Entscheidung in unserer europäischen, westlichen Welt mehrheitskonform sein dürfte. Seine Begründung: „Werbung nimmt einen immer breiteren Raum ein. Gleichzeitig verschwimmen die Grenzen zwischen Unterhaltung und Werbung immer mehr, weshalb ein medienpädagogischer Ansatz durchaus Sinn ergibt.“ Gerade Influencer:innen würden mit ihrem Auftritt stark emotionalisieren. „Sie bedienen das Zukunftsszenario ‚The creative you‘, bei dem eine starke Verbindung zwischen Marke und Verbraucher im Vordergrund steht“, erklärt Böhm.

Dies sei problematisch, denn der oder die Verbraucherin könne dann weniger gut abschätzen, was real sei und was nicht. „Früher im Fernsehen war es leichter, zwischen einem Werbeblock und beispielsweise einer Nachrichtensendung zu unterscheiden. Im Digitalen ist dieser Unterschied oft nicht mehr sichtbar. Hier müssen wir den medienpädagogischen Anspruch haben, neue Instrumente zu finden, die diesen Unterschied wieder verdeutlichen.“

Wird Werbung auch ohne Kennzeichnungspflicht immer „echter“?

Ob er das Gefühl habe, dass Werbung auch ohne eine solche Kennzeichnungspflicht immer „echter“ werde? Auch im Netz ist „Echtheit“ ja im Trend, so wie bei dieser Frau, die auf Social Media „gestellt vs. ungestellt“-Bilder postet. Der Medienexperte verneint. „Werbung, die realistische Körper zeigt, ist meiner Meinung eher ein Zeichen für die Diversität in unserer Gesellschaft. Das merken wir auch am Werbemarkt – ein großes Zukunftsszenario sind hier die „fragmented masses“, also die Nischen-Zielgruppen, die ganz individuell abgeholt werden müssen“, erklärt er.

Tiefschneidende Veränderungen für die Werbewirkung, sieht der Director für Media & Entertainment mit der Kennzeichnungspflicht jedoch nicht vorher. „Ich glaube nicht, dass Werbung dadurch realistischer wird“, sagt Böhm BuzzFeed News Deutschland. Die Kreativität der Werbetreibenden werde ja nicht beschränkt, sondern nur transparent gemacht. Außerdem könne es auch gut sein, dass sich irgendwann ein Gewöhnungseffekt bemerkbar mache. Das eingeblendete Symbol zeige zwar immer noch, was real sei und was nicht – „die Wirkung der Werbung wird das aber nicht abschwächen“.

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