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Situation in den Kinderkliniken wegen Pflegekräftemangel immer noch „katastrophal“

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Von: Robert Wagner

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Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind.
Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind. Kliniken wie diese haben stark mit Personalengpässen zu kämpfen. © Christoph Soeder/dpa

Deutschlands Kinderkliniken sind überlastet. Das liege vor allem an fehlenden Pflegekräften, sagt eine Expertin vom Kinderkrankenpflegeverband.

Kaum ein Thema hat im vergangenen Dezember die mediale Berichterstattung in Deutschland so dominiert wie die dramatischen Zustände in den Kinderkliniken. Eine massive Welle an Atemwegsinfekten, unter anderem das für Kinder besonders gefährliche RS-Virus, hat die Kinderkliniken an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Viele Kliniken wie die Berliner Charité gingen in den Notbetrieb – weil Personal fehlte, wie die Deutsche Welle berichtete.

Diese verheerenden Zustände kamen „mit jahrelanger Ansage“, wie Georg Hülskamp vom Clemenshospital in Münster damals der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte. Übereinstimmend nennen Kritiker:innen den gravierenden Personalmangel unter den Pflegekräften als eines der größten Probleme im gesamten deutschen Klinikwesen. Das geht auch aus dem „Schwarzbuch Krankenhaus“ hervor, das im Sommer 2022 anlässlich eines Streiks an den Uni-Kliniken in NRW veröffentlicht wurde.

Personalmangel ist ein „Grundrauschen“ in Kinderkliniken

Ein ähnliches Fazit zieht auch Birgit Pätzmann-Sietas vom Berufsverband Kinderkrankenpflege. Die gelernte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und studierte Gesundheitsökonomin bezeichnet im Gespräch mit BuzzFeed News Deutschland den Personalmangel als ein schon lange bestehendes „Grundrauschen“ in ihrem Berufsfeld.

Wenn dann noch zusätzlich zu einer immer noch bestehenden Pandemie eine Influenza-Welle über die ohnehin schon dünne Personaldecke rolle und es zeitgleich zu einer Welle an Atemwegsinfekten bei Kindern komme, „dann ist das ein GAU“, so Pätzmann-Sietas. „Und in diesem Winter war es ein Super-GAU.“ Eltern hätten wegen der langen Wartezeiten mit ihren Kindern in der Notaufnahme über viele Stunden regelrecht campieren müssen, berichtet sie.

Wegen der extrem dünnen Personaldecke konnte vielfach die Personaluntergrenze nicht eingehalten werden. In Baden-Württemberg wurde sie zwischenzeitlich sogar ausgesetzt. „Wir als Verband haben dem auch zugestimmt. Wir wollten nicht zulassen, dass die Kinder in ein anderes Krankenhaus verlegt und über weite Strecken transportiert werden, nur um in der nächsten Kinderklinik dieselbe Situation vorzufinden.“

3000 fehlende Pflegekräfte – „Wir gehen von einer deutlichen höheren Zahl aus“

Die als Freiberuflerin tätige Gesundheitsökonomin spricht von mindestens 3000 fehlenden Stellen in der Kinderkrankenpflege. Eine Zahl, die von der Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland stamme. „Wir gehen aber von einer deutlich höheren Zahl aus, weil allein schon in NRW gut 1500 Stellen fehlen, wie im letzten Jahr ermittelt wurde“, ergänzt sie. Dieser schon lange bestehende Personalmangel werde aktuell durch den immer noch hohen Krankenstand verschärft. Zusammen mit in der Bevölkerung grassierenden Infektionen ergebe sich eine „katastrophale Situation.“

Wie sich dieser Mangel an Pflegekräften auswirkt, geht etwa aus einer Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) hervor. 110 Kliniken hätten laut dpa auf die Anfrage der DIVI vom 24. November 2022 geantwortet. Theoretisch hätte es an diesem Tag in Deutschland 607 freie Kinderintensivbetten gegeben. Tatsächlich seien davon aber rund 40 Prozent nicht verfügbar gewesen – wegen fehlender Pflegekräfte.

Krankenhäuser müssen reformiert und der Beruf attraktiver gemacht werden

Pätzmann-Sietas sieht den Staat in der Pflicht, hier Abhilfe zu schaffen. „Bund und Länder müssen dafür sorgen, dass ausreichend neues Personal qualifiziert wird, dass genug Anreize geschaffen werden, um das Personal auch im Beruf zu halten, und dass in den einzelnen Kliniken eine echte Personalentwicklung stattfindet, denn sonst wird man das nicht langfristig sicherstellen können.“ Es müsse sich vor allem das System der Finanzierung der Krankenhäuser ändern und die Kinderkliniken in diesem Zusammenhang separat betrachtet werden. Eine „große Krankenhausreform“ sei überfällig, betont Pätzmann-Sietas.

Nicht zuletzt müssten auch mehr Anreize für junge Menschen geschaffen werden, den Beruf der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu ergreifen. Viele wüssten gar nicht, dass es dieses Berufsbild gibt und dass man sich im Rahmen des Pflegeberufsgesetzes darauf spezialisieren kann. „Das muss im ausreichenden Maße beworben werden und dann denke ich auch, dass sich mehr Leute für diesen Beruf entscheiden werden“, zeigt sich Pätzmann-Sietas zuversichtlich. „Es ist ja schließlich ein interessanter und schöner Beruf.“

Fehlendes Personal und andere strukturelle Probleme beschränken sich nicht auf Kinderkliniken. Diese Notfallsanitäterin erzählt von ihrem Alltag und findet: Das gesamte deutsche Gesundheitssystem ist „total überlastet.“

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