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Menschen müssten für 1,5-Grad-Ziel komplett aufs Auto verzichten, warnt Wetterexperte

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Von: Robert Wagner

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Eine übergroße Zahl haben Mitglieder der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion im März 2022 auf der Marschall-Brücke in Berlin aufgestellt.
Eine übergroße Zahl haben Mitglieder der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion im März 2022 auf der Marschall-Brücke in Berlin aufgestellt. Die Zahl 1,5 steht für das Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. © Paul Zinken/dpa

Ein Wetterexperte zieht eine schonungslose Bilanz der Klimapolitik. Die Menschen hätten immer noch nicht begriffen, worum es eigentlich geht.

„Die Entwicklungen werden uns noch überrollen.“ Das ist die wesentliche Aussage eines Interviews, das der bekannte Wetterexperte der ARD, Sven Plöger, RP Online gegeben hat. Der Meteorologe, der seit 1999 den Zuschauer:innen der ARD das Wetter erklärt, zieht dort eine schonungslose Bilanz über die bisherige Klimapolitik. Die Entscheidungsträger:innen hätten viel zu lange die Augen vor der Realität verschlossen und könnten nun nicht mehr tun, als den Schaden zu begrenzen. Schon jetzt sei das globale Klima im Durchschnitt um 1,2 Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter.

Mit Blick auf das 2015 im Pariser Abkommen vereinbarte 1,5-Grad-Ziel stellt Plöger schonungslos fest: „Dieses Ziel werden wir nicht mehr packen. Punkt.“ Wollten wir eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad noch verhindern, wären Maßnahmen notwendig, die „vermutlich keine Gesellschaft weltweit mitgehen“ würde. Beispielsweise müssten wir „nahezu jeglichen Individualverkehr sofort aufgeben.“ Anders gesagt, alle Menschen weltweit müssten umgehend auf ihr Auto verzichten.

Klimaziel von 1,5 Grad ist laut UN-Wetterorganisation nicht mehr zu schaffen

Da sich solche Maßnahmen unmöglich durchsetzen lassen würden, sei es so gut wie unmöglich, eine Erwärmung des globalen Klimas um 1,5 Grad noch zu verhindern. Plöger zitiert die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), die mit einer Wahrscheinlich von 50 Prozent davon ausgehe, dass diese Schwelle bereits bis 2026 überschritten sein wird. Über diese Prognose der WMO berichtete Anfang Mai auch die tagesschau.

Eine so rasante Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur galt bis vor ein paar Jahren noch als nahezu ausgeschlossen. Die Grenze von 1,5 Grad sei nicht zufällig gewählt worden, so der WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Sie markiere „den Punkt, an dem Klimafolgen zunehmend schädlich für Menschen und für den ganzen Planeten werden“. Es drohten etwa wärmere und saurere Weltmeere, eine Schmelze von Meereis und Gletschern, steigende Meeresspiegel und extremere Wetterlagen.

Mit dem Pariser Abkommen im Dezember 2015 wurden erstmals auf internationaler Ebene verbindliche Klimaziele formuliert. Unter anderem einigte sich die internationale Staatengemeinschaft darauf, den weltweiten Temperaturanstieg auf „deutlich unter 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Darüber hinaus sollen sich die Staaten bemühen, den Temperaturanstieg unter 1,5 Grad zu halten, um die verheerendsten absehbaren Folgen des Klimawandels zu verhindern“, wie das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite zu dem Abkommen schreibt.

Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor der Erderwärmung

Zumindest das 2-Grad-Ziel ist laut Sven Plöger noch zu schaffen. „Den Optimusmus muss man hochhalten. (...) Unter 2 Grad wäre wirklich machbar, wenn wir konsequent handeln.“ Er betont aber, dass es nun um‘s Ganze geht. Auch am Polarkreis seien mittlerweile 34 Grad gemessen worden. Sogar die Eisflächen in der Antarktis drohen erstmals seit Jahrzehnten zu schrumpfen. Die Folgen der Erderwärmung seien den Menschen noch immer nicht wirklich bewusst, sagt der Meteorologe im Interview.

„Ich glaube, dass unsere Gesellschaft noch nicht richtig kapiert hat, wo wir wirklich stehen. Die Entwicklungen werden uns noch überrollen.“ Es helfe nicht, „Realitäten zu ignorieren und sich die Welt schönzureden.“ Zumindest aber die jungen Menschen scheinen sich der Gefahr, die von der Klimakrise ausgeht, bewusst zu sein. Eine Studie hat jüngst ergeben, dass die Gen Z den Klimawandel mehr fürchtet als den Ukraine-Krieg oder die Pandemie.

Plöger weist auch darauf hin, dass die gegenwärtige Entwicklung schon vor einigen Jahrzehnten von der Wissenschaft prognostiziert worden ist. Tatsächlich machen entsprechende alte Fernsehbeiträge aus den 70er und 80er Jahren immer wieder die Runde, wie jüngst ein ZDF-Auftritt von Hoimar von Ditfurth aus dem Jahr 1978. Schon vor 44 Jahren warnten Expert:innen vor einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2050 um 2 bis 3 Grad, „wenn diese Tendenz weitergeht“. Diese Prognosen würden sich nun bewahrheiten, so Plöger.

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