10 Krisen, die wir 2022 fatalerweise ignoriert haben
Ukraine-Krieg, Pandemie und Wirtschaftskrise ließen uns vergessen, dass es weltweit noch viel mehr Krisen gibt. Hier zehn, über die 2022 zu wenig berichtet wurde.
Das Jahr 2022 fühlte sich für viele nicht wirklich nach Regenbögen und Gummibärchen an. Der Ukraine-Krieg, Inflation und die immer noch andauernde Gesundheits-Krise stellen vor allem junge Menschen auf die Probe – Gen Z ist nach zwei Jahren Pandemie immer noch unglücklich.
Doch neben all diesen sehr präsenten Krisenschauplätzen gibt es auch unzählige humanitäre Krisen, von denen man 2022 viel zu wenig las. Über keine humanitäre Krise wurde 2022 mit mehr als zwei Millionen Online-Artikeln mehr berichtet als über den Ukraine-Krieg, schreibt die Hilfsorganisation Care in ihrer aktuellen Medienanalyse zur Krisenberichterstattung 2022. Die Medienanalyse stützt sich auf Online-Artikel auf Arabisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch.
10 Krisen, die neben dem Ukraine-Krieg 2022 untergingen
Krisen in afrikanischen Ländern wie Angola, Sambia oder Niger gerieten 2022 eher in Vergessenheit, zeigt die Medienanalyse von Care, die sich die Zahl der Online-Artikel zu den Krisen genauer ansah. Dabei sind es diese Länder und vor allem die Frauen im globalen Süden, die unter der Klimakrise am meisten leiden.
„Wir nennen unseren Bericht „Breaking the Silence“, denn es ist an der Zeit, dass über die gelisteten Krisen gesprochen wird“, schreibt Care über seinen Bericht. Er soll vor allem eines: Zeigen, dass die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, der Wirtschaftskrise und natürlich des Klimawandels Menschen auf der ganzen Welt betreffen. Hier sind zehn Länder, über deren Krisen 2022 eindeutig zu wenig berichtet wurde.
1. Schlimmste Dürre seit 40 Jahren in Angola

Angola trifft die Klimakrise mit voller Härte, schreibt Care. Im Süden des Landes herrsche die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Durch die globale Erderwärmung, die eigentlich unter 1,5 Grad bleiben müsste, werden solche Trockenperioden in Zukunft noch häufiger werden – dabei leiden die Menschen in Angola schon jetzt unter den Folgen. Im Land gibt es laut Bericht von Care etwa 16.000 intern Vertriebene und fast 60.000 Geflüchtete aus Nachbarländern wie der Demokratischen Republik Kongo.
2. Wirbelstürme und Cholera in Malawi

Anfang 2022 fegte Wirbelsturm Ana über Malawi und sorgte dafür, dass viele Bewohner ihr Zuhause verloren und in Camps leben mussten. Erst 2019 hatte das Land ein Sturm heimgesucht. Diese Extremwetterereignisse führen laut Care dazu, dass die Nahrung knapp ist. Rund 5,4 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. Außerdem verzeichnete Malawi bis November 2022 8.627 Fälle von Cholera. Die Sterblichkeitsrate ist mit drei Prozent hoch und liegt weit über dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Schwellenwert von einem Prozent, schreibt Care.
3. Klimakrise vernichtet Ernten in Zentralafrikanischer Republik (ZAR)

Die Zentralafrikanischen Republik (ZAR) ist eigentlich ein fruchtbares Land, schreibt Care. Dennoch müssen die Menschen in der ZAR hungern. Jeder zweite Mensch dort hat nicht genug zu essen, weil die Klimakrise seit Jahren alles vernichtet, was auf ergiebigen Böden gut gedeiht.
Im Juni 2022 zerstörten riesige Überschwemmungen mehr als 2.600 Häuser und 18.500 Hektar Anbaufläche. Etwa 85.300 Menschen verloren laut Care ihr Zuhause. Umso absurder, dass Klima-Aktivisten als Klimaterroristen bezeichnet werden, finden Menschen auf Twitter und loben das Unwort des Jahres.
4. Zehn Prozent der Bevölkerung in Sambia haben HIV

Vor einem Jahr lag Sambia noch auf Platz eins der am wenigsten beachteten Krisen im Care-Bericht, schreibt die Organisation. Die Hälfte der Bevölkerung muss in Sambia mit weniger als 1,90 Euro am Tag auskommen. Über zehn Prozent sind mit HIV infiziert – Frauen deutlich häufiger als Männer. Hier berichten HIV-Infizierte in Deutschland über ihr Leben mit der Krankheit. Im Jahr 2021 starben etwa 19.000 Menschen an Aids, wie Care berichtet.
5. Mütter im Tschad leben gefährlich

Die anhaltenden Unruhen im Tschad und in den Nachbarländern führen zu Vertreibungen innerhalb des Landes und über die Landesgrenzen. Im Tschad leben 575.000 Geflüchtete – ein Rekord in der afrikanischen Sahelzone, wie Care schreibt. Bei der Gleichstellung der Geschlechter liegt das Land auf Platz 165 von 191. Es hat die zweithöchste Müttersterblichkeitsrate der Welt. Auch Frühehen sind dort weit verbreitet. Im Tschad heiraten mehr als zwei Drittel der Mädchen unter 18 Jahren. Mehr als ein Viertel ist bei der Heirat jünger als 15 Jahre.
6. Mehr als 70 Prozent der Menschen in Burundi leben unterhalb der Armutsgrenze

Laut Care ist Burundi eines der ärmsten Länder der Welt. Von den knapp 13 Millionen Einwohnern leben mehr als 70 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. In Burundi arbeiten mehr Frauen als Männer – der Großteil davon in der Landwirtschaft (siehe Bild). Dennoch haben Frauen und junge Mädchen kaum eine Chance, Armut zu überwinden. In Burundi sind die Geburtenraten hoch, es gibt kaum Mittel für Verhütung und Gewalt gegen Frauen sorgt für eine große Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Zu wenig Mitspracherecht haben Frauen gerade auf lokaler Ebene, denn 80 Prozent der Abgeordneten in der Gemeindeverwaltung sind laut Care Männer.
7. Sturzfluten und Dürre in Simbabwe

Hier zeigen sich die Folgen der Klimakrise jedes Jahr deutlicher. Deswegen warnte Dambudzo Mnangagwa, Präsident von Simbabwe, auf der diesjährigen Klimakonferenz COP27 auch so eindrücklich vor einem Weiter-So. Auf lange Phasen der Dürre folgen in Simbabwe oft schwere Regenfälle, die auf staubtrockenen Böden zu weitreichenden Überschwemmungen führen (siehe Bild). Die Menschen in Simbabwe bezeichnen das als „Klimaschocks“. Sie vernichten die Existenzen vieler Landwirte und begünstigen die extreme Armut, in der dort 15,6 Millionen Menschen leben, wie Care schreibt.
8. Kindersterblichkeit in Mali auf Platz acht weltweit

In Mali treffen viele Krisen aufeinander, schreibt Care. Drei Viertel der 21 Millionen Einwohner leben in Armut. Über 7,5 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Der Klimawandel zeige sich in Mali in häufig auftretenden Dürren und Überflutungen, die dazu führen, dass in der Landwirtschaft Ernten ausfallen. Die Folge: Unterernährung und bei rund einem drittel der Kinder unter fünf Jahren Störungen von Wachstum und Entwicklung.
9. Hohes Maß an Unsicherheit in Kamerun

Kamerun wurde laut Care in den vergangenen zehn Jahren immer wieder von humanitären Krisen heimgesucht. Seit 2016 herrscht im Nordwesten und Südwesten des Landes ein hohes Maß an Unsicherheit und bewaffneter Gewalt, das viele Menschen zu Binnenflüchtlingen macht. Elf Prozent der Bevölkerung haben nicht genug zu essen und sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Rund 1,8 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
10. Im Niger sind 50 Prozent der Kinder unterernährt

Im Niger, den Annalena Baerbock 2022 besuchte, sind die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren unterernährt. Rund 4,4 Millionen Menschen sind akut von Ernährungsunsicherheit betroffen. Niger ist laut Care eines der wärmsten Länder, hat die höchste Geburtenrate und das höchste Bevölkerungswachstum weltweit. Im Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen (basierend auf Gesundheit, Wissen und Einkommen) liegt das afrikanische Land dagegen weit hinten.
Wenn dich dieser Artikel über Krisen deprimiert zurücklässt, dann haben wir hier 21 gute Nachrichten, mit denen du 2022 in einem besseren Licht siehst.