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Kaum noch Zeit für Familie und Freunde: Tagebuch einer Mutter, die dem NFT-Hype erlegen ist

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Links: Eine Grafik auf der steht „crypto diaries“. Rechts: Eine Frau sitzt auf einem Sofa an ihrem Handy und Laptop.
Die Crypto-Diaries – dieses mal mit Sarah Monson. © Lila Lee für BuzzFeed News US

Die Mutter Sarah Monson verbringt viel Zeit mit Krypto und NFTs. So viel, dass ihr soziales Leben darunter leidet. Hier siehst du, wie ein typischer Tag bei ihr aussieht.

Willkommen zu den Crypto Diaries, einer neuen Serie von BuzzFeed News US, die uns hilft zu verstehen, wie die Zukunft von „Web 3.0“, also ein Internet mit Blockchains, AI, zielgerichteter Werbung und so weiter, aussehen könnte. Wir zeigen dir, was die Leute, die bereits dort leben, den ganzen Tag so tun. (Eine davon ist sicher auch Anna Sorokin, die ein NFT-Kunstwerk in Form einer Kreditkarte herausgebracht hat.)

Wir haben Krypto-Evangelist:innen, NFT-Sammler:innen, Metaverse-Kenner:innen und Anhänger:innen der Dezentralisierung gebeten, ein paar Tage lang ein Tagebuch über alles zu führen, was sie im „Web 3.0“ tun. Vom Handel über Discord-Server bis hin zu den neuesten Trends werden unsere Krypto-Enthusiast:innen jeden einzelnen ihrer Schritte erklären, um Licht in das Dunkle einer Welt zu bringen, die für Außenstehende oft verwirrend ist.

Wenn du noch gar nicht weißt, was ein NFT eigentlich ist, ist hier eine Erklärung für dich.

Krypto kann auch zu weit gehen – so wie bei Sarah Monson

Name: Sarah Monson
Alter: Mitte 40
Wohnort: Hawaii
Job: Autorin, NFT Creator, Crypto Investorin, KEIN TECH PRO
Anzahl NFTs: 45
Anzahl NFT Sammlungen: 1
Erste gekaufte Crypto-Währung: Bitcoin, Ethereum und ein paar Altcoin im November 2018
Anzahl der Discord-Server, auf denen ich bin: 106
Anzahl der Discord-Server/Facebook-Gruppen bei denen ich Admin war/bin: 6
Erstes gekauftes NFT: Matrix NFT bei Niftys im November 2021
Anteil Gesamtvermögen in Krypto und NTFs: 27 Prozent

Sarah Monson posiert auf ihrer Veranda in Hawaii.
Sarah Monson, Gründerin von Gen-X NFTs in ihrem Zuhause in Oahu, Hawaii, am 17. Juni 2022. © Lila Lee für BuzzFeed News US

Donnerstagnachts: „Als meine Tochter kuscheln will, schaue ich noch einmal auf mein Handy“

5:30 Uhr: Meine Blase drückt. Das weckt mich auf. Ahh, ich werde alt. Gehe auf die Toilette und checke Twitter. Weil ich in Hawaii lebe, bin ich jeden Tag zu spät zur NFT-Party – die Zeitverschiebung ist schrecklich. In New York City ist es bereits 11:30 Uhr. Twitter ist voll mit Spaces (Kryptoinfluencer:innen) und ich habe sofort das Gefühl, dass ich etwas verpasse – aber ich bin alt und sehr müde, also muss ich mit dem anhaltenden Gefühl, etwas zu verpassen, leben, und zurück ins Bett gehen.

6:30 Uhr: Ein Knie in den Bauch, als meine Tochter ins Bett springt, um zu kuscheln. Ich schaue noch einmal hinter ihrem Rücken auf mein Handy, damit sie mich nicht anschreit, weil ich nicht richtig kuscheln kann. Diesmal sind es meine verschiedenen E-Mail-Konten, TikTok, Twitter, Instagram, Facebook. Ich habe Discord nicht auf meinem Handy, um mich vor mir selbst zu schützen.

6:45 Uhr: Beim Kaffee lese ich die neuesten Nachrichten des Kryptomarktes, der heute früh einem Blutbad gleicht. Alles geht den Berg runter. Ich flippe ein bisschen aus, aber ich weiß, dass das alles eine langfristige Sache ist. Es ist Zeit, den Dip zum Dollar-Cost-Average zu kaufen. Ich setze auf Bitcoin, ETH und Avalanche. Ich mache mir eine mentale Notiz, mehr ETH in meinen Metalmask-Geldbeutel für einen kommenden NFT-Vorverkauf, bei dem ich auf der Liste stehe, zu packen.

Donnerstagmorgens: „Als ich das erste Mal von NFTs hörte, war ich total dagegen“

8:00 Uhr: Nachdem ich meine Tochter zur Schule gebracht habe, gehe ich auf dem Heimweg in einen Twitter-Space. Dieser Space wird von einer Frau geleitet, MommaBearG75 (siehe unten). Sie leistet echt gute Arbeit, die „bro-gap“ zu überbrücken und bringt Frauen in das „Bulls and Apes“ NFT-Projekt. Ich schätze das wirklich sehr, denn oft sind Frauen bei NFTs nicht wirklich willkommen. Ihr Space ist wie eine Umarmung für mich. Das vermisse ich!

In meinem „Web 2.0“-Leben (Anmerkung: Unter Web2 versteht man soziale Medien, Apps und weltweiten Internetzugang) bin ich auf Facebook eng mit anderen Müttern befreundet, wir haben eine eigene Gruppe. Aber seit ich mit NFTs angefangen habe, sind viele von ihnen schlichtweg ablehnend. Die meisten von ihnen denken, dass NFTs ein Betrug sind (sie sind genauso wenig ein Betrug wie Aktien) oder schlecht für die Umwelt (das ändert sich mit der fortschreitenden Entwicklung der Technologie) oder einfach nur dumm. Früher dachte ich das auch. Als ich das erste Mal von NFTs hörte, war ich total dagegen.

Ich dachte, die Kunst wäre schlecht und nur Idioten würden so etwas kaufen. Aber anstatt weiter unwissend zu bleiben, beschloss ich, mich weiterzubilden. Es war eine totale Überraschung, so eine tolle Web3 Community in einem von Frauen geführten Space zu finden. Das ist eine Seite von NFTs und Krypto von denen die meisten Leute, glaube ich, nichts wissen. Meine „Web 2.0“-Freundinnen denken, dass NFTs nur JPGs sind, die Tech-Bros wie Aktien verkaufen. Das stimmt NICHT. In dem von Frauen geführten NFT-Sammelraum unterstützen sich alle liebevoll.

Donnerstagvormittags: Sarah zeigt, wie wichtig Nutzwert und Nostalgie bei NFTs sind

8:30 Uhr: Ich beantworte E-Mails und gehe dann auf OpenSea und stelle fest, dass ich Angebote für ein paar meiner NFTs habe, obwohl ich sie nicht zum Verkauf angeboten hatte. Das NFT, für das ich die meisten Angebote bekomme, mehr als ein ETH (Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Artikels lag der Wert bei etwa 2880€, derzeit liegt er bei ungefähr 1.009€), ist das myBFF-Armband, das ich GRATIS bekam! Ich habe auch Angebote für meinen spaceHUG und meinen VeeFriends2-Elch. Was für eine verrückte Welt, in der ich lebe.

9:00 Uhr: Ich veranstalte meinen wöchentlichen Twitter-Space, das „ABC der NFTs“. Ich möchte eine Enzyklopädie für die Generation X sein (oder jeden anderen, der von NFTs verwirrt ist), also versuche ich mich jede Woche auf ein anderes Thema konzentrieren und hoffe, alles ein bisschen zu entmystifizieren. Das heutige Thema: Nutzwert und wieso Nostalgie einen guten Nutzwert haben kann. Bei NFTs ist der Nutzwert das, was man nach dem Kauf der Kunstwerke bekommt, wodurch man sich noch besser fühlt, weil man sie gekauft hat.

In meiner Sammlung von GenX NFTs sind zum Beispiel Mixtapes, Jahrbücher, von GenX inspirierte Merch-Artikel und reale und Metaverse Events für Eigentümer:innen, einfach tolle Dinge, die einem ein gutes Gefühl geben, ein NFT gekauft zu haben. Ich hoffe, dass ich den Leuten durch Nostalgie zeigen kann, dass es da draußen ein NFT gibt, das ihren Interessen entspricht und Web 3.0 dadurch nicht so abschreckend wirkt.

Kryptofans, für die NFTs nichts sind, versuchen sich auch in sogenannten Move-To-Earn-Apps wie Stepn, deren Geschäftsmodell Experten für „wenig vertrauenserweckend“ halten.

Donnerstagmittags: Krypto-Podcasts sind Sarahs Ding

11:00 Uhr: Ich bin ein bisschen müde (ich bin eigentlich introvertiert und einen Twitter-Space zu managen haut mich ein wenig um), also mache ich ein Nickerchen.

12:00 Uhr: Ich gehe auf Discord, um mich mit den anderen Mods über einen 80er Quizzabend und einen 80er Filmabend zu reden, die wir veranstalten wollen. Wir müssen uns für einen Film entscheiden – mein Favorit ist „Was für ein Genie“.

13:00 Uhr: Ich mache meinen täglichen Spaziergang und höre Krypto-Podcasts an. Jeden Tag kommt mehr und mehr Krypto-Content raus, vor allem von Frauen. Ich höre mir „Community Builders in Web3“ mit Heather Parady an. Früher machte sie einen anderen Podcast namens „NFTs for Newbies“, den ich echt mochte.

Donnerstagnachmittags: „Ich sehe mir Kunstwerke für meine NFT-Sammlung an“

15:00 Uhr: Hab geniest und mir ein bisschen in die Hose gemacht. #MomLife

15:30 Uhr: Ich hole mein Kind von der Schule ab und wir fahren zu einem nahe gelegenen Strandpark. Sie spielt im Wasser und sucht nach Muscheln, während ich auf TikTok rumgammle und versuche, etwas Cleveres zu posten. Mir fällt nichts ein.

17:00 Uhr: Abendessen. Ich mache Bohnen-Burritos, schneide ein paar Paprika und koche Reis. Das Kind entscheidet, dass sie lieber Müsli essen möchte.

20:00 Uhr: Nach dem abendlichen Kampf beim Zähneputzen ist das Kind im Bett. Ich schenke mir ein großes Glas Wein ein und sehe mir Kunstwerke für meine NFT-Sammlung an. Ich liebe die neuen Assets, mit denen wir die Sammlung ergänzen. Am besten gefallen mir die von den 80er-Jahren inspirierten Ziegen.

Freitagmorgens: „NFTs sind mein Leben“

6:30 Uhr: Morgenroutine wie immer. Der Markt ist immer noch chaotisch. Ich kaufe mehr Bitcoin.

8:00 Uhr: Ich hetze von der Schule nach Hause, um bei einem Vorverkauf mitzumachen. Ich stelle fest, dass ich nicht genügend ETH in meinem Geldbeutel habe. Das NFT kostet 0,07 ETH, aber man braucht immer mehr, um die schwankenden Gebühren zu berücksichtigen, die einem für jede Transaktion auf Metamask berechnet werden. Ich mag es nicht, ETH in meinem Geldbeutel zu haben, außer wenn ich NFTs kaufe, denn wenn ich mal gehackt werden würde, würde ich nicht nur meine NFTs, sondern auch mein ganzes Geld verlieren. Je mehr man weiß... Also zahle ich mehr ETH ein und ergattere ein süßes Stück von Pastel Persons, ein von Frauen geführtes, familienfreundliches NFT-Projekt.

9:00 Uhr: Zeit für die Arbeit. Ich bin freiberufliche Autorin und habe zum Glück sehr flexible Arbeitszeiten, die ich im Moment echt brauche, denn NFTs sind mein Leben.

Sarah Monson sitzt auf der Terrasse ihres Hauses in Hawaii.
Monson zuhause in Oahu, Hawaii am 17. Juni 2022. © Lila Lee für BuzzFeed News US

Freitagnachmittags: Ein anderer Vater in der Nachbarschaft betreibt Krypto-Mining

14:00 Uhr: Für den Moment fertig mit der Arbeit. Nachher bearbeite ich noch ein paar Texte. Ich gebe eine Costco-Bestellung auf.

15:00 Uhr: Ich hole das Kind von der Schule ab, danach mache ich einen Discord-Filmabend mit „TIRED MOMS NFT.“ Sie war meine erste Freundin in der NFT Welt.

16:30 Uhr: Die Costco-Bestellung kommt und das Abendessen ist fertig!

17:00 Uhr: Spontane Verabredung zum Spielen mit den Nachbar:innen, die drei Kinder haben. Ein viertes ist unterwegs – und der Vater macht in der Garage Krypto-Mining!

NFTs, Krypto und Web 3.0 entwickeln sich rasant schnell. Es gibt sogar schon Krypto-Milliardäre, die ihr Geld für den guten Zweck einsetzen.

Freitagabends: „In der Kryptowelt ist es im Moment nicht einfach“

20:00 Uhr: Das Kind ist im Bett, also widme ich mich den Anmerkungen, die ich für mein Manuskript bekomme.

22:00 Uhr: Nach der Bearbeitung meiner Texte, checke ich Twitter, beantworte ein paar Beiträge auf Discord und setze mich dann nach draußen, um die warme Brise zu genießen, während ich durch Tiktok scrolle. In der Kryptowelt ist es im Moment nicht einfach. Ich fühle mich überwältigt und gehe ins Bett.

Weiße T-Shirts mit NFT-Aufdruck
Monsons T-Shirts mit NFT-Aufdruck. © Lila Lee für BuzzFeed News US

Samstagmorgens und mittags: Sarah engagiert sich bei NFT Hawai

8:00 Uhr: Man könnte meinen, NFTs machen mal eine Pause, aber NEIN. Die Twitter-Spaces sind voll. Ich komme dazu und höre zu, während ich Pfannkuchen mache und Kaffee trinke.

10:00 Uhr: Zoom-Call mit dem Team von NFT Hawaii, um herauszufinden, wie ich mithelfen und mich ehrenamtlich engagieren kann. Ich bin echt beeindruckt von dem Event, das sie planen.

12:00 Uhr: Ich schaue zum 15. Mal den neuen „My Little Pony“-Film auf Netflix an. Es freut mich, dass etwas, das ich als Kind so liebte, jetzt auch meine Tochter begeistert. Ich schalte ein wenig ab und denke über NFTs, Krypto und Web 3.0 nach, also ich versuche es zumindest.

Hör zu. Bei NFTs, Kryptowährungen und Web 3.0 geht es um Eigentum. Einfacher gesagt: Was man in diesem Bereich besitzt, gehört einem, und man kann damit machen, was man will (verkaufen, behalten, sein NFT zu einem Influencer machen und mit dem Image Geld verdienen usw.). Das eröffnet vielen Menschen, die bisher nicht die Möglichkeit hatten, Vermögen aufzubauen, eine neue Welt. Ist es riskant? JA. Ist es im Moment total beängstigend? JA. Bin ich zuversichtlich, dass es auf lange Sicht positive Veränderungen für Millionen von Menschen bewirken wird? DEFINITIV JA!

Weltverändernd sind Kryptowährungen auch im Ukraine-Krieg – hier helfen Spenden in Krypto sehr.

Dieses Interview wurde zur besseren Verständlichkeit bearbeitet und gekürzt.

Autorin ist Katie Notopoulus. Der Artikel erschien am 30. Juni 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Friederike Hilz.

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