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Kulturelle Aneignung beim Essen? TikTokerin zeigt mit ihren Rezepten, dass es auch anders geht

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Von: Jana Stäbener

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Maya Leinenbach postet auf TikTok vegane Rezepte aus aller Welt – ohne respektlos zu sein.
Kulturelle Aneignung ist auch bei Rezepten und internationaler Küche ein Thema. Maya Leinenbach zeigt, wie es auch ohne geht. © Maya Leinenbach (Collage)

Kulturelle Aneignung beim Essen – es gibt kaum ein Thema, das im Netz für mehr Wirbel sorgt. Dabei kann es so einfach sein, zeigt eine vegane Foodbloggerin auf TikTok.

Im Mai veröffentlicht die Zeit einen Artikel zum Thema: „Essen und kulturelle Aneignung“. Die Resonanz auf den Text: vorwiegend empört und belustigt. „Ich dachte gerade, ich bin bei ‚Der Postillon‘... Neeee, das ist ernst gemeint...ernsthaft?“, fragt ein:e User:in in den Kommentaren auf der Facebook-Seite des Zeit-Magazins. Ein anderer User schreibt, dass er ja die Verwendung von arabischen Ziffern als kulturelle Aneignung empfinde, man solle doch auf „germanische Runen“ zurückgreifen.

„Es ist eine kulturelle Zumutung, solche pseudo-moralischen Diktate aushalten zu müssen“, kommentiert ein anderer. Dabei diktiert der Journalist der Zeit in seinem Artikel gar keine Meinung oder behauptet per se, es gebe kulturelle Aneignung beim Essen. Er versucht, sich dem Thema durch Interviews mit verschiedenen Köch:innen und Kulturexperten anzunähern und beschreibt in seinem Text den fiktiven Restaurantbesitzer Stefan, der einen Original-Thai-Imbiss aufmacht.

Er könne sich als privilegierter Deutscher gegenüber anderen Köch:innen aus Thailand leichter durchsetzen. Aber „Was soll Stefan machen, wenn er das einsieht – auf Schweinebraten umstellen?“, fragt er Daeng Khamlao, die Besitzerin von „The Panda Noodle“ in Kreuzberg. Sie wirke müde, als sie die Frage hört. Diesen Unterton von Gekränktheit höre sie öfter – als wolle sie etwas verbieten. „Der soll kochen, was er möchte. Es geht mir um die credits. Ich kenne Firmen, die ausländische Communitys unterstützen, wenn sie Rezepte von denen verwenden.“

Kulturelle Aneignung beim Essen: Herkunft ist schwierig einzugrenzen

Im Artikel der Zeit wird deutlich: Kulturelle Aneignung beim Essen ist schwierig zu definieren. Bei anderen Themen ist es leichter. Dreadlock zum Beispiel haben eine klare Herkunft und diese sollte nicht ignoriert werden – vor allem dann, wenn weiße Menschen wie die Sängerin Ronja Maltzahn sich dafür entscheiden, Dreadlocks zu tragen und von Fridays for Future ausgeladen werden. In einem Interview mit Maimouna Jah, einer Expertin für schwarze Beauty wird klar: Es geht bei Dreadlocks und kultureller Aneignung vor allem um den Namen und das Wissen um die Herkunft. Sie findet: Natürlich dürft ihr sie tragen, aber nennt sie bitte nicht so!

Ähnliches könnte auch für internationale Gerichte gelten: Vor allem der Name und die Herkunft müssen richtig beschrieben werden. Doch oft ist die Herkunft bei Rezepten schwierig einzugrenzen. Das sagt dem Zeit-Reporter der Ernährungssoziologe und Sprecher einer Arbeitsgemeinschaft für kulinarische Ethnologie, Daniel Kofahl. „Es ist ärgerlich, wenn deutsche Wichtigtuer sich als Hüter der thailändischen Kochkunst aufspielen“, sagt er der Zeit. Aber die Antwort darauf könne auch nicht sein, dass man seinen Pass schwenke und behaupte, man sei wahre Erfinder:in und auch Besitzer:in eines bestimmten Gerichtes. Er sieht Kultur als einen Austausch, nicht als einen Ausschluss – gerade Kochen und der neugierige Blick in fremde Töpfe sei ein gutes Beispiel hierfür.

So lässt sich kulturelle Aneignung bei Rezepten vermeiden – Mayas Geheimnis

Die Foodbloggerin Maya Leinenbach kann sich dieser Aussage nur anschließen. Auch für sie ist die internationale Küche sehr bereichernd. Auf ihrem TikTok-Kanal @fitgreenmind dreht sich alles um Speisen aus aller Welt – aber in vegan. Die 17-Jährige kocht schon seit sie denken kann und fing 2019 an, auf Instagram Rezepte zu teilen. Im Jahr 2021 erstellte sie dann den TikTok-Kanal, dem mittlerweile fast 860.000 Menschen folgen. Kritik der kulturellen Aneignung bekommt Maya fast nie. Wir von BuzzFeed News Deutschland haben sie nach ihrem Geheimnis gefragt.

Maya Leinenbach, Foodbloggerin auf Tiktok von „fitgreenmind“.
Maya Leinenbach kocht am liebsten internationale Gerichte – aber in vegan. Kulturelle Aneignung wird ihr fast nie vorgeworfen. © Maya Leinenbach

Maya kommt aus dem Saarland und macht nächstes Jahr ihr Abitur. Ihre Augen leuchten richtig, wenn sie von internationaler Küche spricht. „Ich liebe es einfach, Rezepte aus allen möglichen Ländern und Kulturen auszuprobieren“, sagt sie uns. Dadurch, dass ihr auch viele Leute aus allen möglichen Ländern folgen, bekomme sie auch immer wieder Vorschläge für neue Rezepte, die sie veganisieren soll. Ist „vegan sein“ gut oder schlecht? Hier schreiben wir über eine These, die Tierschützer:innen ärgert: Wer Tiere liebt, sollte lieber Fleisch essen.

Von Ma Miang Man, einem asiatischen Nudelgericht bis über indisches Streetfood wie Aloo Tikki Chaat oder italienisches Schokoladeneis ist auf Mayas TikTok-Kanal alles dabei. Aber warum kocht sie am liebsten internationale Gerichte? „Ich finde das einfach total interessant, weil jede Küche ihre eigenen Geschmäcker hat – alles schmeckt immer gut, aber auf so viele verschiedene Arten“, sagt Maya gegenüber BuzzFeed News Deutschland.

Kulturelle Aneignung beim Essen? „Ich lese mich ein, bevor ich Rezepte poste“

Besonders, dass man durch das Essen „so richtig schön in die Kultur eintauchen“ könne, findet sie klasse. „Ich lese mich da auch davor immer ein bisschen ein, bevor ich Rezepte poste: aus welcher Region kommt ein Gericht, wo ist es entstanden und so weiter.“ Das könnte auch der Grund sein, warum ihre Rezept-Videos auf TikTok sogar als Gegenbeispiel für kulturelle Aneignung gehandelt werden. Eine koreanische TikTokerin (@soogia1) postete etwa Mitte Mai ein Video, in dem sie auf Mayas koreanische Pancakes (Hotteok) reagiert.

„Eine weiße Frau postet ein respektvolles Rezeptvideo? Ich verstehe nicht... hat sie es beim richtigen Namen genannt?“, fragt sie ironisch in einem sogenannten „Duett“ zu Mayas Video. „Wartet... jetzt sagt sie bestimmt gleich, dass sie es erfunden hat... oh nein ok, macht sie nicht. Ich glaube, man sieht: Es geht auch respektvoll, wenn man Rezepte anderer Kulturen teilt“, beendet sie ihre Lobeshymne auf die 17-jährige Food-Influencerin.

„Ich war total positiv überrascht, dass @soogia1 mich so gelobt hat. Das hat mich total gefreut!“, erzählt uns Maya, als wir sie auf dieses TikTok ansprechen. Aber warum, glaubt sie, reagieren die Leute so positiv auf ihre Videos? Maya überlegt: „Viele Gerichte haben ja auch nicht nur eine Herkunft. Ich versuche also immer zu erwähnen, dass das Gericht exemplarisch ist – dass es das in anderer Form auch in anderen Ländern gibt. Natürlich sage ich auch nicht, dass es meine eigene Kreation ist, sondern erkläre, wie es entstanden ist. Und wenn ich Inspiration von anderen Bloggern aus dem Land nehme, dann verlinke ich die.“

„Man sollte überlegen, wie man Essen so präsentieren kann, dass man diejenige Kultur respektiert“

Klingt eigentlich gar nicht so kompliziert. „Nein“, sagt auch Maya. Für sie ist kulturelle Aneignung trotzdem nicht etwas, was man belächeln sollte. „Meiner Meinung nach ist das auf jeden Fall was, was es gibt. Oft auch, weil falsche Begriffe verwendet werden. Wenn man ein Gericht aus einem anderen Land kocht, sollte man sich einfach mehr Gedanken im Vorfeld machen. Man sollte überlegen, wie man Essen so kochen und präsentieren kann, dass man diejenige Kultur respektiert.“ Negatives Feedback habe sie fast noch nie bekommen – am ehesten noch bei italienischen Rezepten. Warum das so ist, weiß sie auch nicht. Aber es existiere auch ein Video von ihr, in der zwei italienische Frauen ihr Focaccia loben (siehe unten). „Mein Papa findet das Video super lustig“, erzählt Maya.

Dass sie Rezepte veganisiere, sei anscheinend auch kein großes Problem. Anders als man vermuten würde, liest man den Zeit-Artikel, in dem Daeng Khamlao sich darüber aufregt, dass Menschen aus anderen Ländern sich anmaßen, Originale zu verbessern. Aber das tue sie gar nicht, sagt Maya. Es mache ihr einfach Spaß, ein Original-Rezept so umzuändern, dass es vegan sei, aber trotzdem nicht seinen Charakter verliere. „Es gibt ja auch in anderen Ländern Leute, die vegan essen und nach Alternativen schauen – das ist meine Lieblings-Challenge da zu schauen, wie ich solche Sachen veganisieren kann.“

Vegan wurde Maya 2019 aus einem Tierleid- und Umweltaspekt heraus. Laut einer Studie sollten wir unseren Fleischkonsum auf maximal 400 Gramm pro Woche reduzieren. „Ich dachte: Ich probier es einfach mal aus, und dann war es gar nicht so schwer und ich bin dabei geblieben“, sagt sie. Im Oktober 2021 schrieb sie dann ihr erstes Kochbuch – natürlich auch mit vielen internationalen Rezepten. „So international zu kochen, hat definitiv meinen Kochhorizont erweitert“, sagt Maya BuzzFeed News Deutschland Ihre Erfahrungen würde sie auch gerne an andere weitergeben – am liebsten mit eigenen, veganen Produkte im Supermarkt. Aber das bleibt vorerst ein Traum, lacht die 17-Jährige.

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