Anlass für die Pressekonferenz war das einjährige Jubiläum des Protestes der Letzten Generation, die bisher vor allem durch ihren Protest mit Sekundenkleber auf sich aufmerksam machte. Dafür hatten die Aktivist:innen sogar einen Lieblingskleber, den es wegen „fehlender Sicherheitshinweise“ nicht mehr zu kaufen gab. Am 24. Januar 2022, so erzählen die Klima-Schützer:innen, habe ihr Streik begonnen.
Nun liege ein Jahr des Protests in Museen, auf Straßen, am Berliner Flughafen (auf deren Startbahn sich die Letzte Generation festklebte) und bei Konzerten hinter ihnen, sagt Carla Hinrichs. „Aber, anstatt dass uns zugehört wurde, hat die Regierung entschlossen, uns zu kriminalisieren.“ Es habe hunderte Strafverfahren, einige Verhaftungen, Verleumdungen, Hausdurchsuchungen (hier 11 Tweets, die zeigen, wie unnötig die Razzia bei der Letzten Generation war) und den Vorwurf der „kriminellen Vereinigung“ gegeben.
Dass „Klimaterroristen“ zum Unwort des Jahres gekürt worden sei, zeige jetzt, wie sich die Gesellschaft positioniere, findet Hinrichs. „Die Mehrheit will Klimasicherheit“, ergänzt Beyer. „Wir können nicht auf die Regierung warten und wir werden nicht warten“. Deswegen müsse sie jetzt den Platz für die Bürger:innen frei machen.
Aus diesem Grund lege die Letzte Generation ihren Fokus ab sofort auf die Forderung eines Gesellschaftsrates, der der Frage nachgehen müsse, wie man bis 2030 auf null Emissionen kommen könne. „Wir müssen anerkennen, dass unsere demokratischen Verfahren für den Umgang mit der Klimakatastrophe offenbar nicht demokratisch genug sind“, sagt Beyer.
Ein solcher Gesellschaftsrat müsse gut kommuniziert werden, sodass jede Person wisse, sie könne sich daran beteiligen. Außerdem müsste sich die Regierung öffentlich dazu verpflichten, die Maßnahmen des Rates umzusetzen. „Das Problem des Bürgerrats Klima war ja, dass er eher ein Aushängeschild der Bürgerbeteiligung war und die Ergebnisse dann aber wieder in der Schublade verschwunden sind.“
Die Letzte Generation werde den Widerstand nicht stoppen. „Er wird 2023 größer als je zuvor“, verkündet Sprecherin Aimée van Baalen. Ab dem 6. Februar werde man den friedlichen Protest auf die „gesamte Bundesrepublik ausweiten“. Man sei zuversichtlich, dass sich immer mehr Menschen der Bewegung anschließen werden, und die Bundesregierung der Forderung nach einem Gesellschaftsrat irgendwann nachgeben müsse.
Aber wie kann solch ein Gesellschaftsrat überhaupt gewünschte Ergebnisse bringen, wenn laut einer NDR-Umfrage mehr als 50 Prozent der Bevölkerung die Aktionen der Klima-Aktivist:innen nicht als angemessen empfinden, fragt BuzzFeed News DE die Letzte Generation. „Wir haben keine garantierte Aussicht auf Erfolg“, antwortet Beyer. Aber man könne in die Geschichte schauen und sehen, dass die größten gesellschaftlichen Errungenschaften oft mit zivilem Widerstand einhergingen.
Seine Kollegin Van Baalen ergänzt: „Vielen ist bewusst, dass das demokratische System Lücken hat.“ Sie glaube daher nicht, dass es Widerstände gegen einen Gesellschaftsrat gebe. „Ein Gesellschaftsrat schafft die Möglichkeit, wieder zusammenzukommen und gemeinsam Lösungen zu finden. Es wird uns nicht, wie es gerade passiert, immer weiter auseinandertreiben. Wir kommen wieder zusammen und können von Angesicht zu Angesicht reden, wie wir unser Leben schützen können.“
Auch die britischen Klimaaktivist:innen der Gruppe „Extinction Rebellion“ ändern ihre Taktik – sie kleben sich nicht mehr fest.