Interner Befehl bei der Polizei? Klimaaktivist erhebt brisante Anschuldigung

Polizisten wenden bei einer Blockade von Klimaaktivisten Schmerzgriffe an. Bei BuzzFeed News erhebt ein Mitglied der Letzten Generation schwere Vorwürfe.
Bei einer Straßenblockade der Letzten Generation in Berlin ist es zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizisten und Aktivisten gekommen. Ein Video des Einsatzs geht viral. Es zeigt, wie ein Polizist einen Aktivisten auffordert, die Straße zu verlassen. „Ansonsten werde ich Ihnen Schmerzen zufügen“, sagt er.
Der Aktivist weigert sich und schreit kurz darauf offenbar vor Schmerzen, während ihn die Polizei von der Straße wegträgt. Das Vorgehen der Berliner Polizei löst in sozialen Medien viel Kritik aus. „Der gesamte Inhalt des Videos wird auf alle möglichen Fragen hin geprüft“, sagte eine Polizeisprecherin.
Vorfälle dieser Art sind nicht neu. Zuletzt erhob ein Aktivist der Letzten Generation, dem am Rande einer Aktion an den Elbbrücken in Hamburg in den Bauch getreten wurde, schwere Vorwürfe gegen die Polizei Hamburg. Wie Buzzfeed News DE berichtete, wurde Arne Springorum nach einer gewaltsamen Attacke eines Lkw-Fahrers von der Polizei von der Straße entfernt. Der dabei angewendete Schmerzgriff sei unverhältnismäßig und völlig unnötig gewesen, sagt ein Pressesprecher der Letzten Generation. „Wir leisten keinen Widerstand, könnten daher auch einfach von der Straße getragen werden.“
„Wir werden sie nicht tragen, Befehl von oben“, zitiert der Aktivist einen Polizeibeamten
Im Gespräch mit BuzzFeed News DE erneuert der betroffene Aktivist den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit und spricht zudem über weitere Details. Körperliche Zwangsmittel wie der Schmerzgriff seien in der Hamburger Polizei übliche Praxis bei Klebeaktionen der Letzten Generation, behauptet der 50-Jährige.
Demnach gebe es eine interne Anweisung seitens der Polizeiführung in Hamburg, bei solchen Räumungen konsequent schmerzvolle Techniken wie den Schmerzgriff einzusetzen. „Wir werden sie nicht tragen, Befehl von oben“, sei ihm während einer anderen Aktion der Letzten Generation von einem Hamburger Polizisten gesagt worden. Ähnliche Aussagen habe er mehrfach zu hören bekommen. Auf Twitter hatte sich der Aktivist bereits ähnlich geäußert.
Wir konfrontieren die Polizei, ob es den „Befehl von oben“ gibt, gegen die Letzte Generation besonders hart vorzugehen und dabei besagten Schmerzgriff anzuwenden. Die Hamburger Beamt:innen antworten mit einem klaren „Nein“.
Letzte Generation: Polizei Hamburg verstößt gegen Folterverbot der UN
Doch der in Tschechien lebende Familienvater habe eigentlich kein Problem mit der Polizei und stets an den demokratischen Rechtsstaat geglaubt. Die Behandlung durch die Hamburger Polizeibeamt:innen habe diese Ansicht nun verändert.
„Es ist zu einem massiven Vertrauensbruch gekommen, sie haben mich von der Straße gequält“, sagt Springorum BuzzFeed News DE. Die Beamt:innen hätten ihm Schmerzen zugefügt, wie er sie nie zuvor erlitten habe. Der Schmerzgriff sei „offensichtlich nicht die mildeste Form“, gegen friedliche Protestierende vorzugehen. Das könne in einem Rechtsstaat nicht legal sein. Auf Twitter spricht der offizielle Account der Letzten Generation sogar von „Folter“. Gerade die Hamburger Polizei verstoße mit dem Einsatz von körperlichen Zwangsmitteln gegen die Antifolterkonvention der UN.
In einem anderen zeitgleich abgesetzten Tweet schreiben die Klimaaktivist:innen, es „dränge sich die Vermutung auf“, dass bei der Polizei Hamburg „bewusst nicht getragen wird, um Bürger:innen abzuschrecken, Befehlen der Polizei den Gehorsam zu verweigern.“ Bei Buzzfeed News DE ergänzt der Aktivist, dass etwa die Polizei in Berlin Zwangsmittel wie den Schmerzgriff seltener verwende und in München gar nicht.
Polizei Hamburg weist Vorwürfe zurück
Auf Anfrage von BuzzFeed News DE weist die Hamburger Polizei den Vorwurf zurück, konsequent und strategisch mit unverhältnismäßigen körperlichen Zwangsmitteln gegen die Letzte Generation vorzugehen. „Eingriffstechniken“ wie der Schmerzgriff würden nur „bei Fällen von tatsächlichem oder vermutetem Widerstand unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zur Anwendung kommen.“ Es hänge allein vom Verhalten der „störenden Person“ ab, wie intensiv eine „Eingriffsmaßnahme“ erfolgt. Auch würden solche Mittel stets zuvor angedroht.
„Bei Nichtbefolgen der polizeilichen Anweisungen erfolgt in letzter Konsequenz die Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Um es also deutlich zu sagen: Wenn unsere Einsatzkräfte unter Anwendung körperlicher Gewalt einschreiten, wurde sich zuvor deren Anweisungen widersetzt“, heißt es weiter. Demnach könnte das bloße Nichtbefolgen der Anweisung, sich von der Straße zu entfernen, als Widerstand gegen die Polizeibeamt:innen gewertet worden sein.
Das Wegtragen von Aktivist:innen sei eine Option, „bei geleistetem Widerstand jedoch nicht immer ohne Weiteres möglich“, weshalb es dann zur Anwendung von Zwangsmaßnahmen komme. Bei deren Anwendung versuche man aber grundsätzlich „mögliche Verletzungsgefahren beim polizeilichen Gegenüber zu vermeiden“.
Arne Springorum ist laut eigener Aussage seit dem Vorfall an den Elbbrücken in Therapie und spricht nun regelmäßig mit einem Psychologen, der die Letzte Generation im Hintergrund unterstützt.