„Historische Verantwortung“: Hasskriminalität gegen queere Menschen soll härter bestraft werden

Hasskriminalität gegen queere Menschen nimmt in Deutschland zu. Eine Reform des Strafgesetzbuches soll dagegen helfen.
Als im Frühjahr dieses Jahres die jüngsten Zahlen zur Hasskriminalität gegenüber LGBTQIA+-Menschen bekanntgegeben worden sind, bestätigte sich das flaue Gefühl vieler queerer Menschen: Binnen eines Jahres wurde ein Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Offiziell ist die Rede von über 1.050 Angriffen auf queere Menschen in Deutschland, größtenteils handelt es sich dabei um Körperverletzungen. Rechnet man die hohe Dunkelziffer von bis zu 90 Prozent dazu, kann man nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschlands (LSVD) realistisch von mindestens 10.000 Vorfällen pro Jahr ausgehen – Tendenz steigend.
Um diesem Negativ-Trend Einhalt zu gebieten, hat Justizminister Marco Buschmann (FDF) kurz vor der politischen Sommerpause erklärt, dass sein Ministerium bereits im Herbst 2022 eine Reform des Strafgesetzbuches auf den Weg bringen will. Konkret geht es dabei um den Paragraf 46: Bei der Aufzählung der besonders schwerwiegenden Gründe für eine Verurteilung sollen „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Motive künftig explizit erwähnt werden.
Lesben- und Schwulenverband Deutschland begrüßt Reform des Strafgesetzes
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland LSVD begrüßt dies sehr und bekräftigt gegenüber Buzzfeed News Deutschland auch gleich die Hintergründe für diesen Schritt: „Die Motive sind bereits jetzt strafschärfend, werden aber im Gesetz als ´menschenverachtend´ aufgezählt und zusammengefasst und deshalb oft nicht von den Strafermittlungsbehörden richtig erkannt. Da wird dann oft einmal gar nicht erst ermittelt, ob das Vergehen nun homophob oder transfeindlich war. Deshalb ist die Klarstellung jetzt so wichtig!“, so Sarah Ponti vom LSVD.
Die explizite Nennung im Strafgesetztext schafft dabei nicht nur Klarheit auf der Seite der Polizei, sondern kann dann auch erst die angemessene Beachtung bei der juristischen Bewertung finden. Zudem, so Ponti weiter: „Deutschland hat eine historische Verantwortung, Hasskriminalität gegen LGBTQIA+ wirksam und nachhaltig zu bekämpfen und deshalb ist die ergänzende Klarstellung auch in anderen Straftatbeständen wie beispielsweise bei der Volksverhetzung erforderlich.“
Reformtext: Strafen sollen deutlich härter werden
In dem rund 80-seitigen Reformtext ist zudem vermerkt, dass auch die Strafen selbst künftig deutlich härter ausfallen könnten. Konkrete Eckpunkte werden im Herbst erarbeitet und bestenfalls noch 2022 vom Kabinett beschlossen werden, sodass die verbesserten Strafgesetze dann ab 2023 ihre volle Wirkung entfalten könnten. Bereits im Dezember 2021 hatte die Innenministerkonferenz einstimmig gefordert, dass deutlich härter und gezielter gegen LGBTQIA+-feindliche Gewalt vorgegangen werden muss.
Unterstützung findet das Vorhaben auch von oberster Stelle, Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte bei der letzten parlamentarischen Fragestunde im Bundestag vor der Sommerpause: „Wir werden alles tun, um solche Hasskriminalität zu bekämpfen. Dazu gehört übrigens auch das Vorhaben, dass wir entsprechende gesetzliche Änderungen vornehmen, die dazu führen, dass das auch strafrechtlich schärfer verfolgt werden kann, als das heute der Fall ist. Wir haben bereits Gesetzgebung, die Hasskriminalität zum Gegenstand hat. Aber nicht, wenn es um queere Personen geht.“
Queere Gruppierung der Partei die Linke: „völlig unzureichend“
Stehen die Chancen also gut, dass die Fallzahlen in puncto Hasskriminalität bald nach unten gehen könnten? Kritik kommt von der queeren Gruppe innerhalb der Partei Die Linke, die das Vorhaben insgesamt zwar begrüßt, es aber als „völlig unzureichend“ bezeichnet, denn oftmals trauen sich queere Opfer von Gewalttaten erst gar nicht zur Polizei aus Angst vor behördlicher Willkür, unsensiblen Beamten oder Erniedrigungen.
Auch der LSVD bestätigt, dass es deutlich mehr braucht, um wirklich dauerhaft der Gewalt gegenüber queeren Menschen etwas entgegenzusetzen: „Wir brauchen einerseits mehr Daten, also bessere polizeiliche Erfassungsmethoden, wir brauchen zudem auch mehr Forschung über Ausmaß, Erscheinungsform und Hintergründe der Gewalt und wir brauchen andererseits auch Hintergründe über den Umgang damit von Seiten der Polizei und der Justiz“, so Sarah Ponti, die zudem betont, dass auch eine bessere Strafverfolgung, eine Aus- und Fortbildung und eine Sensibilisierung aller LGBTQIA+-Ansprechpersonen bei Polizei und Justiz sehr wichtig sind. „Es braucht zudem eine Zusammenarbeit der Strafermittlungsbehörden mit LGBTQIA+-Organisationen, die Unterstützung von Opferhilfeeinrichtungen und des Weiteren auch bessere Prävention, insbesondere bei Schutz vor Gewalt in der Familie. Hier ist es wichtig, dass man die Schulen und Jugendhilfen gerade auch für häusliche Gewalt sensibilisiert, die queere Jugendliche oft erfahren.“
Wie das alles gelingen kann? Der LSVD hofft, dass mit dem geplanten Nationalen Aktionsplan viele dieser wichtigen Punkte konkret angegangen werden. „Da blicken wir jetzt ganz gespannt auf den Herbst, wenn die ersten Details präsentiert werden. Die Bekämpfung von Hasskriminalität muss im Nationalen Aktionsplan auch einer der Schwerpunkte sein!“, so fordert Ponti gegenüber Buzzfeed News Deutschland.