Lkw-Fahrerin verrät 13 Dinge über ihre Ausbildung, die du schon immer wissen wolltest

Im ersten Teil unserer Serie „Azubis ausgefragt“ erzählt Lkw-Fahrerin Janina von ihrer Ausbildung, dem Gehalt, Übernachten auf der Autobahn und tollen Kollegen.
„Ich wollte schon immer raus und die Welt sehen. Nicht unbedingt Urlaub machen. Ich wollte einfach raus.“ Janina ist 26 Jahre alt und seit sechs Wochen ausgelernte Berufskraftfahrerin. Schon als Kind wollte sie bei ihrem Papa mitfahren, der selbst Berufskraftfahrer ist. Das ging nicht immer, er fuhr damals lange Strecken mit wenig Pausen, „also hab ich mir gesagt, dann fahre ich halt irgendwann selbst“.
Als Janina mit 18 schwanger wurde, dachte sie, ihr Traum hätte keine Chance. Mit der Unterstützung ihres Vaters und ihres Arbeitgebers klappte es dann doch. 2019 begann sie die dreijährige Ausbildung zur Berufskraftfahrerin und gehörte dabei zu den wenigen Frauen, die den Beruf erlernen. Laut einem Sprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) liegt der Anteil an weiblichen Azubis nämlich bei unter zehn Prozent.
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Janina überlegt, in zwei Jahren ihren Kraftverkehrsmeister zu machen und selbst auszubilden. „Um mehr Muttis so eine Chance zu geben, wie ich sie hatte“. Mit BuzzFeed News von IPPEN.MEDIA hat die junge Berufskraftfahrerin über ihre Ausbildung, unbequeme Matratzen, übers Alleinsein, den Spagat zwischen Beruf und Familie, Jobaussichten und Geld gesprochen.
Azubis ausgefragt
In unserer Serie sprechen wir mit jungen Menschen über ihre Ausbildung. Was treibt sie an? Was fordert sie heraus? Wie sieht es mit Gehalt und Jobaussichten aus? Wovon träumen sie? Was macht ihnen Angst? Azubis geben Einblicke in ihren Beruf und verraten, was du dich schon immer gefragt hast.
1. Zur Ausbildung zum/zur Berufskraftfahrer:in gehört nicht nur das Fahren lernen.
In den ersten Monaten durchlaufe man als Auszubildende:r verschiedene Stationen. Bei Janina war das Lager, Waschhalle und Werkstatt. Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) musste sie nachweisen, dass sie sechs Monate in der Werkstatt gearbeitet habe. In der Waschhalle habe sie gelernt, wie sie den Lkw reinigt und pflegt. „Wir fahren Fisch und haben gelernt, dass das wirklich alles super steril und hygienisch ablaufen muss und gründlich sauber gemacht werden muss“, so die 26-Jährige.
2. Die Lkw-Führerscheinprüfung war nicht schwieriger, als die Auto-Führerscheinprüfung, aber ...
Nach den Stationen werde man bei der Fahrschule angemeldet und lerne das Fahren mit einem Lkw. Sobald sie ihren Führerschein hatte, bekam sie eine Einweisung für die eigenen Fahrzeuge im Fuhrpark ihres Unternehmens. Danach übte sie Straße und Rampe fahren im Hafen in Bremerhaven und fuhr von Lager zu Lager. Als ihr Arbeitgeber merkte, es läuft alles und Janina es sich selbst zutraute, ging es das erste Mal alleine in den Fernverkehr.
Die Führerscheinprüfung sei dabei nicht wirklich schwieriger gewesen, als die fürs Auto. „Es war danach eher schwierig, Auto zu fahren“, sagt Janina. Sie habe beim Auto immer wieder den Scheibenwischer angemacht, wenn sie die Autobahn verließ, auch bei strahlendem Sonnenschein. Im Lkw gibt es nämlich einen sogenannten „Retarder“. Eine Bremshilfe, genau an der Stelle, an der beim Auto der Hebel für den Scheibenwischer ist. Mit dem Lkw fahre man häufig im zweiten Gang an, „das habe ich dann beim Auto auch gemacht – das hat sich bedankt.“ Oder sie fuhr mit dem Auto 30 km/h in einer 30er-Zone, die nur für Lkws galt.
3. You never drive alone: Telefonieren mit Kolleg:innen auf Fernverkehr-Fahrten sind richtig wichtig.
Während ihrer Fahrten hat Janina viel Kontakt zu ihren Kolleg:innen. In den Lkws gebe es eigene Handys und eine Liste mit den Lkw-Nummern und zugehörigen Telefonnummern. „Wenn man auf Fernverkehr ist, sind Handys/Telefonieren sehr wichtig, sonst ist man echt einsam“, so Janina.
Einen Kollegen habe sie während ihrer Ausbildung immer dann angerufen, wenn sie das erste Mal zu einem Kunden gefahren sei. „Er hat mich dann wie ein Navi geleitet. Jetzt musst du abbiegen und hinter der Tankstelle dann links. Das wusste er alles auswendig.“
4. Nur im Fernverkehr hat man seinen eigenen Lkw.
In der Ausbildung habe man nicht immer einen eigenen Lkw. Aber der Arbeitgeber versuche, dass man zum Beispiel eine Woche lang dasselbe Fahrzeug fahre, sodass man nicht immer umpacken muss. Janina fährt im Nah- und Fernverkehr. Und wenn man nur Fernverkehr fahre, dann habe man sein eigenes Fahrzeug.
5. Spesen und Überstunden bessern das Gehalt auf.
Das Gehalt während der dreijährigen Ausbildung zum/zur Berufskraftfahrer:in steigert sich von Jahr zu Jahr. Das Einstiegsgehalt im ersten Lehrjahr liegt je nach Bundesland laut der Bundesagentur für Arbeit zwischen 660 und 1045 Euro. Im zweiten Lehrjahr dann zwischen 710 und 1125 Euro und im dritten Ausbildungsjahr zwischen 760 und 1210 Euro brutto im Monat. „Das meiste Geld macht man allerdings mit Spesen, also Verpflegungsgeld und Überstunden. Das kommt auf das Nettogehalt noch oben drauf“, so Janina.
6. Wenn man sich nicht blöd anstellt, findet man als Berufskraftfahrer:in sofort einen Job.
Berufskraftfahrer:innen seien überall händeringend gesucht. „Wenn man sich nicht doof anstellt, findet man sofort einen Job“, sagt Janina. Mit „doof anstellen“ meint sie hohe Ansprüche von Berufseinsteiger:innen, die viel verdienen, wenig arbeiten und das neuste Fahrzeug, vollausgestattet mit Leder wollen.
7. Die größte Herausforderung ist der Spagat zwischen Familie und Berufsleben.
Als Berufskraftfahrer:in habe man häufig 6-Tage-Wochen. Janina arbeitet viel, ihr Freund, ebenfalls Berufskraftfahrer, auch. Der Spagat zwischen Job und Familie sei für sie momentan die größte Herausforderung. „Aber wir bekommen es immer irgendwie hin, den Tag, den wir freihaben, dann auch als Familie zu genießen.“ Dafür kommen dann aber auch mal die Freund:innen zu kurz.
Während der Schulzeit fahre sie häufig nur im Nahverkehr. In der Ferienzeit spreche sie mit ihrem Chef, ob ihr achtjähriger Sohn mitdürfe. Und dann gibt es da noch ihren Papa, der einspringt, wenn es nicht anders geht.
8. Im Winter, nachts, im Stau auf der Autobahn: „Man konnte nichts machen, außer versuchen, zu schlafen.“
Im Winter geriet Janina auf der A7 in eine unangenehme Situation. „Es hat total geschneit und ein Lkw kam den Berg nicht hoch und hat eine Baustelle blockiert“, sagt sie. Im Radio hieß es, es dauere ein bis zwei Stunden, bis der Verkehr wieder fließe. Als dann immer noch nichts ging, habe die 26-Jährige gesehen, wie Kollegen die Gardinen ihres Fahrzeugs zuzogen. „Man konnte nichts machen, außer versuchen, zu schlafen“, so Janina. Aber sie habe sehr unruhig geschlafen, schließlich wusste sie nicht, wie lang der Stau hinter ihr war und weil sie Angst hatte, jemand übersieht das Stauende. „Schön war das echt nicht.“
9. Überholt ein Brummi einen anderen Brummi hat das auch was mit Sicherheit für alle zu tun.
An den Kassler Bergen ist Lkw-Überholverbot, das können viele Lkw-Fahrer:innen nicht nachvollziehen, erklärt Janina. Es gebe Kolleg:innen, die seien schwerer oder haben weniger PS und fahren dann gerade mal mit 30 oder 40 km/h den Berg hoch. Andere holen Schwung und werden dann am Berg ausgebremst. Viele ziehen dann rüber auf die Überholspur und Autofahrer:innen fragen sich dann, wieso. Aber ein Lkw ist schwer und wenn wir voll bremsen müssen, ist das nicht ungefährlich. „Hier ist es oft sicherer, zu überholen“, sagt Janina.
10. Die Sicht im Lkw ist nicht so gut, wie du denkst.
Autofahrer:innen würde die Berufskraftfahrerin Janina gerne sagen: „Man sieht im Lkw nichts alles. Setz dich mal selbst rein, dann weißt du was ich meine.“ Es komme immer darauf an, wie dicht jemand am Lkw stehe oder vorbeifahre. „Ich sage immer, sobald man Lkw-Fahrer:innen selbst im Spiegel noch sieht, sieht er oder sie einen auch“, erklärt Janina. Sobald ein:e Autofahrer:in Richtung Fahrerhaus fahre, fange es mit dem toten Winkel an. Fahrradfahrer:innen rate sie, sich eher vor den Lkw zu stellen und mit einem Blick nach hinten zu checken, ob der/die Fahrer:in das Fahrrad wahrnehme.
12. „Ich schlafe nur auf Parkplätzen, die beleuchtet sind und eine Toilette haben.“
Wie gut sie im Lkw schlafe, hänge auch von der Dicke der Matratze ab. Die variiere je nach Marke des Lkws. Und wenn es einen Simlock gebe, also einen Stift, der in die Tür fährt, sodass sie nicht aufgebrochen werden kann, fühle sie sich besonders sicher. Trotzdem versuche sie häufig beim Kunden stehenzubleiben oder übernachte nur auf Parkplätzen, die beleuchtet sind und eine Toilette haben. „Das muss kein Auto- oder Rasthof sein, aber wenn ich auf einen Parkplatz fahre und es ist dunkel, würde ich nicht aussteigen als Frau“, sagt Janina.
13. „Du Blödmann hast mich nicht gesehen“ – Lkw-Fahrer:innen beschimpfen sich über Funk.
In manchen Lkws gebe es Funkgeräte. Es sei zwar verboten, sie zu bedienen, aber sie im Fahrzeug zu haben sei in Ordnung. Manchmal schalte Janina es an, um zu hören, was um sie herum in den anderen Fahrer:innenkabinen „abgeht“. Viele Fahrer:innen unterhalten sich, schreien sich auch mal an, so die 26-Jährige. Dann höre sie manchmal Sätze wie: „Du Blödmann hast mich nicht gesehen und hier ist Überholverbot!“
Wenn sie nicht gerade die Gespräche ihrer Kolleg:innen verfolge, oder den Verkehrsfunk anhabe, hört Janina gern Metall und Rock. „Das beruhigt mich.“ Auf der Strecke habe man viel Zeit zum Nachdenken und sei viel alleine. „Und ich bin gern alleine. Ich sehe so viele schöne Gegenden, das ist super zum Runterkommen“, sagt Janina.