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Jüdischer Museumsdirektor Loewy kritisiert Documenta: „Jetzt müssen wir Tacheles reden“

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Von: Jana Stäbener

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Hanno Loewy vom Jüdischen Museum Hohenems hat klare Worte zum antisemitischen Werk von „Taring Padi“
Der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, beschwichtigte vergangene Woche noch Antisemitismusvorwürfe. Jetzt sei er auch schockiert, sagt er. © Jon Holloway/Swen Pförtner/dpa (Collage)

Ein antisemitisches Bild von „Taring Padi“ schockiert selbst Museumsdirektor Hanno Loewy, der die Antisemitismusvorwürfe auf der Documenta 15 vergangene Woche noch beschwichtigte.

Update 21. Juni, 17:15: Das Bild von „Taring Padi“ soll noch heute abgebaut werden, gab der Oberbürgermeister Kassels, Christian Geselle (SPD), laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bekannt. Die Gruppe habe seit Beginn der Debatte immer versichert, dass Antisemitismus, Rassismus oder Gewalt keinen Platz auf der Documenta haben würden. „In diesem einen Fall sind sie ihrer Verantwortung ganz offensichtlich nicht gerecht geworden“, so Geselle.

Erstmeldung 21. Juni, 15:15: Schon bevor die Documenta 15 am vergangenen Samstag für alle öffnete, wurde die Kunstveranstaltung in Kassel heiß diskutiert. Warum? Weil beim zweitgrößten Kunstevent, das dieses Mal vom Kollektiv „Ruangrupa“ kuratiert wird, weltweit keine israelischen Kunstschaffenden, dafür aber eine palästinensische Künstler:innengruppe eingeladen wurde, die anscheinend der israelkritischen Boykottbewegung BDS nahesteht. Es entstand deswegen schon vor Monaten eine Debatte über die Grenzen der Kunstfreiheit. Noch vergangene Woche argumentierten unter anderem der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hanno Loewy, der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, dass man nicht einfach so von Antisemitismus sprechen dürfe.

Jetzt, kurz nach der Eröffnung, erreicht die Antisemitismus-Debatte jedoch ihren Höhepunkt. Einige der ausgestellten Kunstwerke, zum Beispiel das des indonesischen Künstlerkollektivs „Taring Padi“ zeigen Schweinsgesichter und Davidsterne – eine „offen antisemitische Bildsprache, mit Elementen eines uralten christlichen Antisemitismus“, sagt Hanno Loewy. Auf Anfrage gab er uns von BuzzFeed News Deutschland eine erneute Einschätzung der Antisemitismus-Debatte.

„Taring Padi“ bei der Documenta 15: „Das Bild hat mich schockiert“

Er stehe immer noch zu seiner Aussagen von vergangener Woche, also zum Beispiel der, dass die Auseinandersetzungen über Antisemitismus und Rassismus immer mehr zu einem Konflikt um Deutungshoheiten würden. „Bis zur Eröffnung gab es nur Mutmaßungen und pauschale Vorwürfe, die oft aus der Luft gegriffen waren, oder Dinge miteinander vermischt haben, die man trennen muss“, so Loewy.

Das sieht auch Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle so. Er warnte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) davor, die Documenta 15 nun unter Generalverdacht zu stellen. „In den Preview Days, die vergangene Woche von Mittwoch bis Freitag für Fachpublikum und Medien stattgefunden haben, waren keine antisemitischen Kunstwerke vorher feststellbar“, sagt er. Jetzt sehe die Lage jedoch anders aus. Das sieht auch Hanno Loewy so: „Mich hat das monumentale Bild von Taring Padi wie viel andere schockiert“, sagt er gegenüber BuzzFeed News Deutschland.

documenta fifteen - Antisemitismus-Vorwürfe bei Werk von Taring Padi.
Am Montagabend gab die Documenta bekannt, das Werk zu „verhüllen“. Das Kollektiv „Taring Padi“ dementierte dennoch die Antisemitismus-Vorwürfe. © Swen Pförtner/dpa

„Es ist traurig, dass die Documenta-Macher:innen diese Antisemitismus-Symbole nicht sehen wollten“

Das Bild, das die Documenta 15 mittlerweile abgedeckt hat, enthält einen Soldaten mit Schweinsgesicht, der ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift „Mossad“ trägt, berichtet die dpa. „Mossad“ ist die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. „Dass er mit einem Schweinskopf dargestellt wird, das erinnert an Darstellungen der Judensau seit dem Mittelalter“, so Loewy. Er sieht auf dem Bild auch die Karikatur „eines vampirartigen Juden, mit Schläfenlocken und SS-Emblem am Hut. Dieser ist direkt hinter dem Teufel angesiedelt, der die Truppen des Bösen anführt – eine uralte antisemitische Vorstellung.“

Da das Werk schon älter sei, müssen diese Symbole dem veranstaltenden Künstlerkollektiv „Ruangrupa“ durchaus bewusst gewesen sein, vermutet er. „Es ist traurig, dass die Documenta-Macher:innen diese Antisemitismus-Symbole nicht sehen wollten“, so der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems. „Hier muss es jetzt Auseinandersetzung geben. Aber es wäre gut, wenn diese Auseinandersetzung nicht nur als Schlammschlacht stattfindet, sondern so, dass man sich dabei auch gegenseitig erst nimmt“, sagt Hanno Loewy gegenüber BuzzFeed News Deutschland. „Falsche Solidarität hilft da nichts. Jetzt müssen wir schon Tacheles miteinander reden.“

Über Antisemitismus zu reden ist wichtig. Im Gespräch mit BuzzFeed News AT erzählt Lucia Heilman, Überlebende des NS-Regimes, warum die Deutschen nichts aus der Nazi-Zeit gelernt haben.

„Taring Padi“ bei der Documenta 15 – „steht in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung“

Auch der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, forderte am Montag, 20. Juni 2022, den Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs „Taring Padi“ wegen antisemitischer Motive zu entfernen. „Das ist eine klare Grenzüberschreitung“, sagte Mendel der dpa. Er hatte sich, wie auch Hanno Loewy in den vergangenen Wochen immer auf die Seite der Documenta gestellt und gesagt, er sehe keinen direkten Antisemitismus.

Am Montagabend dann entschied das Kollektiv gemeinsam mit der Geschäftsführung und der künstlerischen Leitung nach all den Vorwürfen „die betreffende Arbeit zu verdecken und eine Erklärung dazu zu installieren.“ Das teilte die Documenta am Montagabend in einer Pressemitteilung mit. In dieser erklärt das Kollektiv „Taring Padi“: „Unsere Arbeiten enthalten keine Inhalte, die darauf abzielen, irgendwelche Bevölkerungsgruppen auf negative Weise darzustellen. Die Figuren, Zeichen, Karikaturen und andere visuellen Vokabeln in den Werken sind kulturspezifisch auf unsere eigenen Erfahrungen bezogen. Die Ausstellung von People’s Justice auf dem Friedrichsplatz ist die erste Präsentation des Banners in einem europäischen und deutschen Kontext. Sie steht in keiner Weise mit Antisemitismus in Verbindung.“

Mehr Texte über Antisemitismus? Vorwürfe erhob hier auch der Musiker Gil Ofarim, seine Antisemitismusvorwürfe gegen ein Hotel seien aber Verleumdung, entschied ein Gericht.

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