Klima-Aktivist:innen in Lützerath „sind keine Schwerverbrecher“
Die Polizei in Aachen macht sich Sorgen um die Räumung von Lützerath. Ein Polizei-Jurist wünscht sich, dass Aktivist:innen und Polizei endlich „abrüsten“.
Im rheinischen Lützerath (NRW) demonstrieren Klima-Aktivist:innen indem sie das kleine Dorf besetzen, das der Energiekonzern RWE abreißen will, um die darunter gelegene Kohle abzubauen. Luisa Neubauer unterstützt die Lützerath-Besetzer:innen und wirft den Grünen „einen großen Fehler“ vor.
Als sie gemeinsam mit anderen Aktivist:innen am Sonntag, 8. Januar für einen angemeldeten Dorfspaziergang nach Lützerath gefahren sei, sei ihr Bus laut Neubauer drei Stunden von der Polizei kontrolliert worden, twittert sie. „We call it Kriminalisierung einer klimabewegten Zivilgesellschaft.“ BuzzFeed News DE fragt Mattias Fischer, Professor für Öffentliches Recht an der Polizeihochschule Hessen, ob dieser Vorwurf gerechtfertigt ist.
Lützerath: Polizei Aachen besorgt über Räumung
In Lützerath steht nun die Räumung kurz bevor, die Aachener Polizei schaut „sorgenvoll“ auf die kommenden Tage und Wochen. Vor allem, weil es am Sonntag, 8. Januar, „das erste Mal wieder eskaliert“ sei, sagte Polizeipräsident Dirk Weinspach am Montagmorgen im WDR. An diesem Tag hielt der Hamburger Staatsschutz einen Bus mit 50 Klimaaktivisten etwa drei Stunden lang auf, berichtet der Spiegel.
Die Personen (unter ihnen auch „Fridays for Future“-Aktivist:innen) seien „nach Gefahrenabwehrrecht“ überprüft worden, sagte eine Polizeisprecherin. Dazu habe man ihre Identitäten festgestellt, von einigen sogar Bilder gemacht und Sekundenkleber sowie Klettermaterialien sichergestellt. Ob das verhältnismäßig sei, müsste man sich im Detail anschauen, sagt der Professor für Öffentliches Recht Mattias Fischer gegenüber BuzzFeed News DE.
Jurist: Wenn Polizei kontrolliert, „liegt keine Kriminalisierung vor“
„Gefahrenabwehrecht“ bedeute, Rechtsverstöße zu verhindern, bevor sie passieren. Und daran sei erst einmal nichts verkehrt. „Es wird immer wieder verkannt, dass die Polizei nicht nur die Strafverfolgung zur Aufgabe hat, sondern auch (und zuerst!) die Gefahrenabwehr“, sagt Fischer. Er stört sich deswegen ein wenig an Luisa Neubauers Aussage über eine „Kriminalisierung einer klimabewegten Zivilgesellschaft“.
„Wir müssen zwischen diesen beiden Funktionen unterscheiden. Nur weil ich kontrolliert werde, liegt keine Kriminalisierung vor. Wenn ich eine Party feiere und die zu laut ist, kommt auch die Polizei und erinnert an die Nachtruhe – da würde wohl niemand von einer Kriminalisierung sprechen.“ Fischer, der an der hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit lehrt, wünscht sich, dass hier sowohl Aktivist:innen als auch Polizei „abrüsten“.

Klima-Aktivist:innen „sind keine Schwerverbrecher“
Fischer versteht, dass Neubauer mit Begriffen wie „Kriminalisierung“ Aufmerksamkeit erregen möchte. „Die Klimakrise ist schließlich ein sogar vom Bundesverfassungsgericht anerkannter Grund für Aktivismus“, sagt er. Deswegen sei es „hochproblematisch Klimaaktivist:innen als Verfassungsfeinde und Klima-RAF zu bezeichnen.“ Die Präventivhaft, die einigen Aktivist:innen in Bayern aufgebrummt wurde, hält er deswegen für einen „schweren Grundrechtseingriff“, den man nicht einfach für jeden Rechtsverstoß anwenden könne.
„Das sind keine Schwerverbrecher, es geht ihnen nicht um die Abschaffung der grundgesetzlichen Ordnung“, sagt Fischer. Dennoch ändere das nichts an der Tatsache, das es leichte Rechtsverstöße seien, wenn man den Verkehr behindere oder Hausfriedensbruch wie in Lützerath begehe. „Ich tue mich da schwer, pauschal zu sagen, dass die Polizei überreagiert. Ziviler Ungehorsam bedeutet nun mal, dass damit milde Straftaten einhergehen, die die Polizei eben verfolgen – besser noch verhindern muss – das ist ihr Job.“
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„Wir müssen uns an die Gesetze halten“
Bei den Klima-Protesten (vor allem denen der „Letzten Generation“) scheiden sich schon seit Monaten die Geister: Die einen sehen in den Aktionen der Klima-Aktivist:innen eine legitime Form, auf die drängende Klimakrise hinzuweisen. Andere, so auch der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sind der Meinung, dass selbst gute Ziele nicht mit Mitteln des Rechtsbruchs verfolgt werden dürften. In der Demokratie versuche man nicht, die Regierung zu erpressen, indem man fortgesetzt Straftaten begehe, sagte Buschmann bei Anne Will und hörte gar nicht mehr auf, zu reden.
Fischer würde Buschmanns Aussage gerne losgelöst von den Klimaaktivist:innen sehen. „Wir müssen uns an die Gesetze halten – das ist eine Grundvoraussetzung unserer demokratischen Ordnung.“ Er erklärt das mit einem Beispiel: „Wenn ich einen ‚guten‘ Grund habe um einen Diebstahl zu begehen, dann bleibt das trotzdem eine Straftat. Wenn wir bei allen Straftaten so anfangen würden, bekommen wir schnell Probleme, denn jeder findet tausend Gründe, warum er sich nicht an Gesetze halten kann.“
Trotzdem, finden viele Menschen auf Twitter, war die Razzia bei der „Letzten Generation“ unnötig – hier elf Reaktionen.