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Managerin schreibt bei LinkedIn, dass sie im Job geweint hat – und wird zur „Verliererin“ erklärt

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Von: Sabrina Hoffmann

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Verena Bahlsen
Verena Bahlsen zieht sich aus der Geschäftsführung zurück. © Monika Skolimowska/dpa

Toxische Arbeitskultur in Reinform: Die Erbin des Keks-Herstellers Bahlsen spricht offen über schwierige Situationen in ihrer Karriere. Die „Welt am Sonntag“ macht sie deshalb zur Verliererin der Woche.

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Es fängt an wie eine inspirierende Geschichte. Eine Managerin verabschiedet sich in einem Post bei LinkedIn von ihrem Team. Dabei schreibt sie offen über Momente, in denen sie überfordert war. Ja, sogar über Momente, in denen sie weinen musste. Es handelt sich bei der Managerin um Verena Bahlsen, die sich aus ihrer Position in dem Familienunternehmen zurückzieht.

Jetzt könnte man ihr gratulieren und ihr anerkennende Worte aussprechen. Weil sie öffentlich über schwierige Phasen in ihrer Karriere spricht und damit Emotionen im Job normalisiert. Man könnte sagen: Toll, dass eine reiche Erbin, eine hochrangige Führungskraft so selbstkritisch und transparent auftritt.

Managerin wird zur „Verliererin der Woche“

Doch offensichtlich sind wir noch nicht überall in Deutschland in der Arbeitswelt der Zukunft angekommen. Denn für die Welt am Sonntag (WamS) ist Verena Bahlsen eine „Verliererin“. Genauer gesagt: Die Verliererin der Woche – eine regelmäßig befüllte Kategorie der WamS. Die Zeitung schreibt: „Nach ihrem Rückzug aus dem Management hat die Erbin des Keks-Imperiums Bahlsen offen die eigene Überforderung zugegeben. In einem LinkedIn-Beitrag schrieb die 29-Jährige über Panikattacken und darüber, in Meetings geweint zu haben.“

Das liest sich, als sei es etwas Schlechtes. Und nicht das, was es eigentlich ist: Ein Beitrag, der Mut machen soll. Der zeigen soll: Auch Führungskräfte sind Menschen mit Schwächen und Fehlern. Wie kann jemand im Jahr 2022 ernsthaft eine Managerin als Verliererin bezeichnen, weil sie über mentale Herausforderungen im Job spricht? Das klingt nach den 60er-Jahren. Vielleicht noch nach den 80ern. Aber doch nicht nach der Gegenwart.

Reaktionen bei Linked In zum Negativpreis für Emotionen der Managerin

Solange es noch solche Einstellungen gibt, wird in vielen Unternehmen eine toxische Kultur weiterexistieren. Und viele Mitarbeiter:innen, besonders Frauen, werden weiterhin das Gefühl haben, dass sie ihre Emotionen unterdrücken oder verbergen müssen. Weinen im Job? Ein Zeichen von Schwäche. Zugeben, dass einen etwas überfordert? Ein Eingeständnis des Scheiterns.

Gut, dass es bei LinkedIn schnell Reaktionen wie diese auf den Beitrag der WamS gab. Unternehmerin Victoria Wagner schreibt: „Ist das Euer Ernst, liebes Redaktionsteam der #WamS!? Wer von uns ist bitte nicht immer mal wieder überfordert!?“ Für sie sei Verena Bahlsen keine Verliererin, sondern eine Gewinnerin.

Verena Bahlsen schreibt in ihrem LinkedIn-Beitrag übrigens noch über viele andere Meilensteine ihrer Karriere in dem Familienunternehmen. Über Erfolge des Teams und wichtige Lektionen. Über die Unterstützung durch ihre Kolleg:innen. Aber dafür gab es natürlich in der Verlierer-Kategorie der WamS keinen Platz.

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