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Mehr Vorschriften in der Seenotrettung „wären katastrophal“, warnt Amnesty International

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Von: Jana Stäbener

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Das Verkehrsministerium will „höhere Sicherheitsstandards“ bei der Seenotrettung. Laut Amnesty International ein „absoluter Gegensatz“ zum Koalitionsvertrag.

Über das Mittelmeer kommen immer wieder Menschen nach Europa. Für viele von ihnen ist es eine gefährliche Reise in viel zu überfüllten Booten. Erst Ende Februar sind bei einem Schiffsunglück vor der süditalienischen Küste mindestens 62 Migrant:innen ums Leben gekommen. Die EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola drängt deswegen, Reformen beim Migrationsrecht „vor Ende dieser Legislaturperiode abzuschließen“.

An den Plänen der Europäischen Union (EU) gibt es jedoch auch Kritik, denn anstatt eine „robuste, staatliche Seenotrettungs-Organisation“ zu gründen, die allen Geflüchteten hilft, geht es der EU eher darum, „Leute davon abzuhalten, nach Europa zu kommen“, kritisierten Asyl-Experten.

Eine Recherche des ARD-Magazins Monitor zeigt nun, dass die Ampel-Koalition die Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) ändern will. Das dürfte Auswirkungen auf die Boote ziviler Seenotretter haben, beklagen diese und werfen Berlin vor, den Koalitionsvertrag zu verletzen. Das Verkehrsministerium rechtfertigt sich, die Organisationen nur „absichern zu wollen“. Amnesty International Deutschland bezeichnet die Folgen des Entwurfs gegenüber BuzzFeed News DE als „katastophal“.

Flüchtende in einem Holzboot auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Lampedusa. Die Fluchtroute nach Europa, die größtenteils von Menschen aus Subsahara Afrika genutzt wird, gehört zu den meißt frequentierten und tödlichsten.
Flüchtende in einem Holzboot auf dem Mittelmeer zwischen Libyen und Lampedusa. Die Fluchtroute nach Europa, die größtenteils von Menschen aus Subsahara Afrika genutzt wird, gehört zu den meißt frequentierten und tödlichsten. © Daniel Kubirski/IMAGO

Die Bundesregierung will höhere Sicherheitsstandards, auch für kleinere Schiffe ab 24 Metern Länge, vorschreiben. Das geht aus einem Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums hervor, über den das ARD-Magazin Monitor berichtete und der auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die deutschen Rettungsorganisationen kritisierten am Dienstag, 28. Februar 2023, dass die neuen Auflagen für sie zu teuer seien und ihre Einsätze behinderten.

„Für die Mehrheit der zivilen Seenotrettungsschiffe unter deutscher Flagge wird diese Verordnung bedeuten, dass sie ihre lebensrettende Arbeit einschränken oder einstellen müssen“, heißt es in der Mitteilung der NGOs, die unter anderem von den Organisationen Mission Lifeline, Resqship, Sea-Watch und Sea-Eye unterzeichnet wurde. „Die Umsetzung dieser Änderungen stellt einen klaren Bruch des Koalitionsvertrags dar, nachdem zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf“, schrieben die zivilen Vereine darüber hinaus.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums entgegnete auf Anfrage: „Das Vorhaben zielt nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab, sondern es geht im Gegenteil darum, deren Arbeit abzusichern.“ Man stehe mit den Organisationen in ständigem Kontakt, außerdem solle es Übergangsfristen für die Umrüstungen geben.

Mehr zum Thema Seenotrettung: „Menschliche Pflicht“: Italien lässt 250 Geflüchtete nach Wochen auf See an Land.

Amnesty International: „Die Folgen für die Seenotrettung wären katastrophal“

Franziska Vilmar, Expertin für Asylpolitik bei Amnesty International in Deutschland, äußert sich gegenüber BuzzFeed News DE zur geplanten Änderung der Schiffssicherheitsverordnung (SchSV). „Der Vorschlag des Verkehrsministeriums steht im absoluten Gegensatz zu dem, was die Ampelparteien im Koalitionsvertrag vereinbart haben. ‚Zivile Seenotrettung darf nicht behindert werden‘ steht so wörtlich im Vertrag“, kritisiert sie.

Den vermeintlichen Sicherheitsbedenken stünden „über sieben Jahre Seenotrettung ohne Unfälle“ entgegen. „Würde tatsächlich mehr Sicherheit beabsichtigt sein, würden die Anforderungen auf die betroffenen Schiffe zugeschnitten sein und nicht auf Frachtschiffe“, so Vilmar.

Sollte bei diesem Entwurf nicht nachgebessert werden, so „wären die Folgen für die Seenotrettung katastrophal“, betont die Asyl-Expertin gegenüber BuzzFeed News DE. „Schiffe, die dringend benötigt werden, um Menschenleben zu retten, müssten für unnötige Umbaumaßnahmen wochen- oder monatelang im Hafen liegen und die Organisationen enorme finanzielle Belastungen stemmen.“

Auch der Künstler Banksy setzt sich für Seenotrettung ein. Er besprüht das Rettungsschiff MV Louise Michel. Das sendet eine starke politische Botschaft, genauso wie diese elf anderen Banksy-Kunstwerke.

(Mit Material der dpa)

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