Mehrwegangebotspflicht: „Es braucht Anreize, damit Kund:innen die Mehrwegoption wählen“
Seit 2023 entscheiden wir selbst, ob wir die Lunch-Bowl To Go lieber in der Mehrwegschale nehmen. Verpackungsexpert:innen erklären, was uns bei der Entscheidung helfen könnte.
Wenn es eines gibt, das wir neben Treibhausgasen zu viel produzieren, dann ist das Müll. Egal ob Papier, Plastik, Metall, Elektroschrott oder Lebensmittel: Wir werfen zu viel zu schnell weg – das sah man spätestens an Weihnachten wieder. Hier fünf Dinge, die du beim Entsorgen deines Weihnachtsmülls beachten solltest. Aber auch wenn wir uns mittags auf der Arbeit eine Pizza im Karton oder eine Poke Bowl in einer Einweg-Papierschale holen, produzieren wir Müll.
Laut Verbraucherzentrale Berlin sind das in Deutschland 770 Tonnen Verpackungsmüll pro Tag durch Mitnahme-Verpackungen für Speisen und Getränke. Wir leben, als hätten wir drei Erden statt einer. Deswegen haben Kund:innen ab dem neuen Jahr ein Anrecht darauf, ihre To-Go-Speisen und -Getränke in einer Mehrwegverpackung zu bekommen. BuzzFeed News DE fragt zwei Verpackungsexpert:innen, was das bringen wird.
Mehrwegangebotspflicht: Kaffee-To-Go muss ab 2023 in Mehrwegbecher erhältlich sein
Seit dem 1. Januar 2023 sind Restaurants, Bistros und Cafés, Kantinen, Tankstellen und Supermärkte, die Essen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen, verpflichtet, ihre Produkte auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Das bedeutet: Ein Kaffee To-Go muss in allen Größen auch als umweltschonendere Alternative angeboten werden. Und: Diese Alternative darf nicht teurer sein, als die Einwegverpackung. Pfand darf für die Mehrwegbecher und Schüsseln jedoch verlangt werden. Bis zu zwei Euro sollen das für Mehrweggefäße bei McDonald‘s und Burger King sein.
Von dieser sogenannten Mehrwegangebotspflicht, die laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) von den Landesbehörden kontrolliert wird, sind kleinere Geschäfte wie Imbisse, Spätis und Kioske befreit. Vorausgesetzt, sie haben höchstens fünf Beschäftigte und eine Ladenfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern. Kund:innen sollen in diesen Betrieben jedoch die Möglichkeit haben, sich ihre Speisen und Getränke in selbst mitgebrachte Mehrwegbehältnisse füllen zu lassen.

„To Go sind Mehrweg-Verpackungen eindeutig die bessere Wahl“
Für den Umweltverband BUND geht der Schritt in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Er fordert laut dpa eine ausnahmslose Mehrwegpflicht, da er fürchtet, dass viele Händler weiter Einweg als Standard anbieten werden. Die Verpackungsexpertin Carolina Schweig hält nichts von solchen strikten Verboten. „Man sollte die Mehrwegangebotspflicht als eine Art Hilfestellung betrachten, die nachhaltigere Option zu wählen – auch wenn sie mehr Mühe macht.“
Schweig ist als Diplomingenieurin seit über 25 Jahren in der Verpackungsindustrie tätig und berät Unternehmen beim Thema Verpackung. Sie hält die Mehrwegangebotspflicht für durchaus sinnvoll. Denn: „Obwohl uns allen klar ist, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen, versuchen viele Unternehmen immer noch, um Mehrweg herumkommen“, sagt sie zu BuzzFeed News DE.
Kann man denn pauschal sagen, dass Mehrweg besser ist, als Einweg? Michael Herrenbauer, Professor für Verpackungstechnik an der Hochschule der Medien Stuttgart, verneint. Aber: „To Go sind Mehrweg-Verpackungen eindeutig die bessere Wahl, denn unterwegs wird kaum recycelt“. Bei Verpackungen in Supermärkten sehe es jedoch anders aus. Da führten vor allem Marken-Glasflaschen aufgrund langer Transportwege zum Herstellungsort das Pfandsystem „ad absurdum“, bestätigt Schweig.
„Es braucht Anreize, damit Kund:innen die Mehrwegoption wählen“
Entscheidend sei bei Mehrweg immer die Frage: „Wie viele Umläufe muss ein Mehrwegprodukt machen, um nachhaltig zu sein?“, erklärt Herrenbauer BuzzFeed News DE. „Ab etwa 50 Umläufen rechnet sich das durchschnittliche Mehrwegprodukt.“ Hersteller wie Recup würden sogar damit werben, dass ihr Behältnis bis zu 500 Umläufe schaffe.
„Ob es die erreicht, entscheiden am Ende die Konsument:innen“, sagt Schweig. Es gebe etliche Studien zur Erziehung der Verbraucher:innen. Ein Grundproblem, das diese Studien immer wieder identifizieren, sei die Bereitschaft, Dinge zurückzubringen und Pfand für die Mehrwegalternative zu zahlen. Aktuelle Befragungen zeigen, dass die Bereitschaft für Pfand momentan wieder sinke. „Umso wichtiger ist es, dass die Rückgabe so einfach wie möglich ist.“
Und nicht nur das: „Es braucht Anreize, damit Kund:innen die Mehrwegoption wählen. Das kann ein vergünstigter Preis sein, eine gratis Nachspeise oder auch ein Coupon für die nächste Bestellung. Auch wenn Essen und Getränke aus Mehrweg besser schmecken, könnte das die Verbraucher:innen beeinflussen“, sagt Schweig.
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Mehrweg-Rückgabe: Wie kann das einfach funktionieren?
Doch wie geht das mit der einfachen Mehrweg-Rückgabe? Durch Vereinheitlichung, da sind sich Herrenbauer und Schweig einig. „Wenn ein Café sehr treue Kund:innen hat, kann es vielleicht sogar sein eigenes Mehrwegsystem etablieren. Ich denke aber vor allem Gastronomie mit viel Laufkundschaft profitiert, wenn sie sich einem bundesweiten oder regionalen Rückgabesystem anschließt“, so Schweig gegenüber BuzzFeed News DE.
Der große Vorteil von bereits etablierten Anbietern sei, dass diese viele Annahme- und Rückgabestellen haben, die das Zurückbringen erleichtern, sagt auch Herrenbauer. „Es wird vermutlich auf eine beschränkte Anzahl an Mehrweglösungen herauslaufen. Gerade die Anbieter, die einen gewissen Vorsprung haben, dürften diesen weiter ausbauen.“ Das glaubt auch Schweig: „Es wird langfristig mehr Anbieter wie Recup geben“, vermutet die Verpackungsspezialistin.
Spannend seien auch Ansätze, mit nachgelagerten Pfandsystemen, bei denen man erst zahle, wenn man die Verpackung nicht in einer festgelegten Zeit zurückbringe. Oder Ideen für neues Material, wie Metall statt Plastik, überlegt Herrenbauer. Auch Mehrweg-Boxen für Pizza findet er interessant, denn gerade Pizzakartons landeten oft im Papiermüll, obwohl sie dank Fett und Pizzaresten gar nicht recycelt werden könnten. „Am Ende wird sich das durchsetzen, was bei den Kund:innen die höchste Akzeptanz bekommt.“
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