„Menschen erleben, wie alles wegbricht“: Der LGBTQIA+-Community droht eine Aufspaltung

Immer mehr Schwule, Lesben und Bisexuelle fühlen sich von der queeren Politik im Stich gelassen. Innerhalb der LGBTQIA+-Bewegung droht eine Aufspaltung.
Der Juni ist offiziell der Pride-Month, in dem weltweit auf die LGBTQIA+-Community und den Kampf um Rechte und Akzeptanz aufmerksam gemacht wird. Auf den ersten großen Christopher Street Days entsteht einmal mehr das Bild einer geeinten Community – doch das Bild trügt und entspricht schon längst nicht mehr der Realität.
Immer mehr Schwule, Lesben und Bisexuelle fühlen sich schrittweise von der queeren Politik im Stich gelassen. Die ersten „ketzerischen“ Ideen, die LGBTQIA+-Community aufzuteilen, entstanden bereits 2019 in Großbritannien, kurz darauf gründete sich die LGB Alliance, die erste Interessenvertretung, gezielt nur für die Belange von Schwulen, Lesben und Bisexuellen. Was anfangs wie ein irrwitziger Plan klang, ist binnen von nur drei Jahren in Großbritannien sehr erfolgreich geworden. Auch innerhalb bereits lang bestehender, britischer LGBTQIA+-Organisationen wird inzwischen offen darüber diskutiert, sich zu trennen. LGB auf der einen Seite, TQIA+ auf der anderen. Die Idee wächst immer weiter, inzwischen wurden in zwölf weiteren Ländern in Europa und in Übersee LGB Allianzen gegründet – seit 2022 gibt es den „LGB Alliance-Verein“ jetzt auch in Deutschland.
„Schwule, Lesben und ihre Rechte werden schrittweise unsichtbar gemacht!“
Martina Haardt ist im Vorstand des neuen Vereins und erklärt gegenüber Buzzfeed News Deutschland: „Die LGB-A wurde gegründet, weil Lesben und Schwule festgestellt haben, dass ihre Rechte gar nicht mehr vertreten werden, sondern zugunsten der Queer-Theorie zur Seite geschoben werden. Schwule und Lesben und ihre Rechte werden schrittweise unsichtbar gemacht!“ Die Mitglieder der deutschen LGB-A kommen dabei aus der ganzen Bundesrepublik und gehören allen Altersgruppen und sozialen Schichten an – es scheint in der Tat eine Bewegung aus der Mitte der schwul-lesbischen Gesellschaft zu sein. „Unter uns sind auch viele Menschen, die schon in den Anfängen der lesbisch-schwulen Rechtsbewegung aktiv gewesen sind und Communitys aufgebaut haben. Diese Menschen erleben nun, wie alles nach und nach wegbricht, was sie teilweise über Jahrzehnte aufgebaut haben“, so Haardt weiter.
Auch junge homosexuelle Menschen finden den Weg zur LGB-A, da sie mit der, für sie oftmals willkürlichen neuen Aufteilung der Geschlechter nichts anfangen könnten, Mitglieder 30+ hingehen sehen sich damit konfrontiert, dass ihre einstmals politisch linken Ansichten nun überrannt und beispielsweise durch das neue, geplante Selbstbestimmungsgesetz ad absurdum geführt würden. Die LGB-A vertritt die Auffassung, dass es nur zwei Geschlechter gibt und stützt sich dabei auf den bisherigen wissenschaftlichen Standpunkt.
LGB-A: „Selbstbestimmungsgesetz drängt junge Menschen in klischeehaftes Rollendenken“
Zudem dränge das neue Selbstbestimmungsgesetz junge Menschen ab dem 14. Lebensjahr genau in jenes klischeehafte Rollendenken, gegen das auch Feministinnen wie Alice Schwarzer jahrzehntelang gekämpft haben. Haardt dazu: „Gerade Lesben, Schwule und Bisexuelle sollten doch aufhorchen, wenn es darum geht, dass wieder Geschlechtsstereotypen eingeführt werden, also erneut geregelt wird, wie man so als Mann oder Frau zu sein hat. Wir waren doch einmal auf einem guten Weg dahin, das aufzulösen, doch mittlerweile gehen wir wieder komplett zurück und produzieren neue Schubladen und reproduzieren alte Denkmuster in neuem Gewand.“
Das Thema Selbstbestimmung ist dabei auch innerhalb der Community ein höchst umstrittenes, gerade auch, weil die These im Raum steht, dass viele der Jugendlichen der Generation Z, die sich bald in Deutschland via Sprechakt dem anderen Geschlecht zugehörig erklären können sollen, in Wirklichkeit oftmals nur versuchen würden, eine unterdrückte Homosexualität zu umgehen oder dem Klischeebild ihres Geschlechts zu entsprechen. So wird aus dem vielleicht lesbischen Mädchen, das eine Vorliebe für Fußball hat, ein trans-Junge, der seiner männlichen Rolle entspricht und plötzlich heterosexuell wahrgenommen wird.
LGB-Alliance setzt auf Wissenschaftlichkeit und Meinungsfreiheit
Queere Aktivist:innen oder auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, widersprechen dem und führen die massiv gestiegenen Fallzahlen der trans-Jugendlichen (+4.000 Prozent) auf eine liberalere Gesellschaft zurück, die ein Outing erleichtern würde. Für Haardt dagegen ist dies „blanker Hohn“, denn an anderer Stelle beispielsweise mit Blick auf die Suizidraten von trans-Jugendlichen würde dann erklärt werden, der Hass in der Gesellschaft übe so einen großen Druck aus.
Haardt betont dabei gegenüber Buzzfeed News Deutschland, dass die LGB-Alliance ein pluralistischer, überparteilicher Verein ist, der auf Wissenschaft statt Ideologie setzt und keiner Religion zugehörig ist – seit Gründung der Organisation wird die LGB-A trotzdem immer wieder massiv von einem Teil der queeren Community angefeindet, dabei sei der Verein stets gesprächsbereit: „Wir stehen natürlich immer für Meinungsfreiheit, auch für die Meinungsfreiheit von unserem Gegenüber. Wir haben nur ein Problem damit, wenn es, wie derzeit leider oft, verleumdend und beleidigend wird. Oder direkt mit Gewalt gedroht wird, nur weil wir kritisch mit der Queer-Theorie umgehen und uns für die Rechte von Schwulen, Lesben und Bisexuellen starkmachen.“ (Autor: JHM Schmucker)