„E-Patientenakte ergibt nur Sinn, wenn darin auch nützliche Informationen stehen“, mahnt Experte
Karl Lauterbach will die elektronische Patientenakte mit Opt-out für alle. Das „allein wird aber nicht ausreichen“, mahnt Patientenberatung.
Digitalisierung – das ist in manchen Bereichen in Deutschland ja noch eher ein Fremdwort. Vor allem im Gesundheitssektor, so seit Jahren die Kritik, sei die Digitalität noch nicht richtig angekommen. So hieß es vergangenes Jahr beispielsweise vom Verband der Deutschen Krankenkassen, wegen #Papiermangel sei keine Impfpflicht denkbar, worauf das Netz mit genialen Memes reagierte.
Damit soll nun Schluss sein, beschließt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag, 9. März 2023. Deshalb sollen unter anderem elektronische Patientenakten erst mal Standard werden. Das „allein wird aber nicht ausreichen“, sagt der Patientenberater Marcel Weigand von der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) gegenüber BuzzFeed News DE.
E-Patientenakte: In Zukunft sollen sie alle automatisch bekommen
Das Gesundheitsministerium plant, dass bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten digitale Krankenakten eingerichtet werden – es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Gespeichert werden können darin etwa Befunde, Röntgenbilder und Medikamentenlisten. Als freiwilliges Angebot waren die elektronischen Patientenakten (ePA) schon 2021 eingeführt worden, aber nur ein Bruchteil der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Erklärtes Ziel bis 2025 ist, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten E-Akten haben.
Bei der Vernetzung der Praxen gibt es Verzögerungen, bei mehreren Fragen schwelt Streit über den Datenschutz. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP daher vereinbart, in Zukunft das Prinzip „Opt-out“ anzuwenden – also eine Art Widerspruchslösung. Karl Lauterbach, dem vor Kurzem mit dem LSD-Gate für Wirbel sorgte, will, dass in Zukunft alle automatisch eine E-Akte bekommen und aktiv widersprechen müssen, sollten sie dies nicht wollen. Vorteile sieht er neben dem einfacheren Zugriff auch für die Forschung.

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Patientenberater über digitale Krankenakte: „Ein Opt-out allein wird nicht ausreichen“
„Das Opt-out bei der elektronischen Patientenakte (ePA) ist grundsätzlich ein wichtiger Schritt, um die Gesundheitsversorgung in Deutschland besser, sicherer und digitaler zu machen“, sagt der Leiter Kooperationen und digitale Transformation bei der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) Marcel Weigand zu BuzzFeed News DE.
„Ein Opt-out allein wird aber nicht ausreichen, um positive Effekte für die Versorgung zu erreichen. Die elektronische Patientenakte (ePA) ergibt nur Sinn, wenn darin auch nützliche Informationen enthalten sind“, mahnt der Patientenberater. Das gelte vor allem für den Bereich Medikation, in dem es im schlimmsten Fall zu gefährlichen Wechselwirkungen komme, weil Ärzt:innen nichts von den Medikamenten ihrer Kolleg:innen wüssten.
„Patienten, denen von mehreren Ärzten Medikamente verordnet wurden, berichten bei uns von einer fehlenden Koordination und Gesamtverantwortung rund um die medikamentöse Versorgung. Dies sollte im Zuge des Opt-out und eines flächendeckenden elektronischen Medikationsplan geregelt werden“, so Weigand.
Elektronische Patientenakte braucht „eine Art Basisdatensatz“
Sei eine elektronische Patientenakte mit den wichtigsten Informationen befüllt, sei sie ein „Zugewinn an Souveränität“, da sich Patient:innen leichter Zweitmeinungen einholen könnten, sagt Weigand gegenüber BuzzFeed News DE. Deshalb müsste die ePA auch für Ärzt:innen „einfach zu öffnen und zu befüllen sein.“
„Es wäre sehr sinnvoll, wenn es eine Art Basisdatensatz geben würde. Dieser sollte alle wichtigen Informationen zu einem Patienten beinhalten.“ Dann, so der Experte für digitale Transformation bei der UPD, „wäre die ePA nicht länger ein Überraschungsei, deren Inhalt völlig unterschiedlich ausfallen kann, sondern eine verlässliche Quelle für nützliche, manchmal sogar lebensrettende Informationen.“
Man müsse die digitale Krankenakte aber nicht nur technokratisch betrachten, sagt Weigand. Der Umgang mit digitalen Anwendungen und Informationen im Gesundheitsbereich müsse erst erlernt werden. Auch das Thema Datennutzung und ethische Fragen, müssten verstärkt diskutiert werden, vor allem, weil „mit dem Opt-out zukünftig auch eine Datenspende für Forschungszwecke verbunden“ sei.
Schon einmal hat uns die UPD eine Einschätzung zu den steigenden Krankenkassenbeiträgen gegeben – sie sind eine „starke Belastung“ für Menschen mit geringem Einkommen.
(Mit Material der dpa)