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Preise explodieren überall: Ist das nur Inflation oder werden die Unternehmen gierig?

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Von: Jana Stäbener

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Beim Zahlen an der Supermarktkasse fragen sich viele: Ist das jetzt noch Inflation oder einfach Geldgier der Unternehmen?

Wer aktuell in den Supermarkt geht und bezahlt, den trifft nicht selten der Schlag: Der Wocheneinkauf ist bei vielen nicht nur sieben Prozent teuer, was mit der aktuellen Inflationsrate erklärt werden könnte, sondern noch weitaus mehr. Wie viel genau hängt davon ab, was wir uns in unseren rollbaren Einkaufskorb oder Wagen gepackt haben. Wer seinen Ölvorrat aufstockt, der zahlt gute 38 Prozent mehr, als noch vor einem Jahr. Auch Getreideerzeugnisse wie Brot sind fast elf Prozent teurer geworden, schreibt die Verbraucherzentrale auf ihrer Website. Und sie sollen weiter steigen – sagt auch der Chef der Großbäckerei Lieken: zwei Euro pro Kilo Brot? So drastisch sollte die Preissteigerung schon sein.

Wegen der Inflation könnte es für alle Menschen – insbesondere auch Studierende, von denen 80 Prozent unter Armut leiden, immer schwerer werden, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aufgrund der steigenden Preise lassen laut einer von der Bild zitierten Insa Umfrage immerhin 16 Prozent der Deutschen wegen der Inflation ganze Mahlzeiten ausfallen. Aber warum sind Lebensmittel und Co. eigentlich so stark angestiegen – stärker noch, als die sieben Prozent, die sich mit der Inflation erklären lassen? Wittern manche Unternehmen auch einfach das dicke Geld?

Inflation: Wie viel „Gier“ der Unternehmen steckt hinter den steigenden Preisen?

Dieser Frage geht viele Medien nach und fragen nach der „Gier“, die hinter den steigenden Preisen steckt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte diese in einem Tweet vom 6. Juli 2022 (siehe unten) infrage: „Einige Firmen fahren in der derzeitigen Situation mit den steigenden Energiepreisen besonders große Gewinne ein. Das ist nicht ok“, twitterte Scholz. Die Firmen seien verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Preise nicht durch die Decke schießen. Tatsächlich ist dies jedoch der Fall – nicht nur bei Gaspreisen, die die Regierung Anfang Juli nicht deckeln wollte, sondern auch bei Lebensmittelpreisen, die im Juni laut Destatis um 12,7 Prozent teurer sind, als vergangenes Jahr.

Laut Verbraucherzentrale gab es bei allen Nahrungsmittelgruppen Preiserhöhungen. Vor allem Preise für Speisefette und Speiseöle wurden deutlich teuer und sind im Vergleich mit Juni 2021 um 38,7 Prozent gestiegen. Fleisch und Fleischwaren um 16,5 Prozent, Molkereiprodukte und Eier um 13,1 Prozent und Brot und Getreideerzeugnisse um 10,8 Prozent. Mögliche Gründe dafür seien vielfältig. Da wären einerseits die gestiegenen Kosten für Energie, auch wegen des Ukraine-Kriegs (derentwegen eine Schule in Rheinland-Pfalz sogar das warme Wasser in einer Grundschule abstellt), Düngemittel und Futtermittel. Der Arbeitskräftemangel sei ein weiterer Faktor und auch der Mindestlohn verteuere die Personalkosten, heißt es.

Aber: „Nicht alle Preissteigerungen sind transparent und basieren auf höheren Herstellungskosten“, schreibt die Verbraucherzentrale. Oliver Röthig, der Vizepräsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), drückt es anders aus: „Die Inflation in Europa explodiert“, schreibt er in einem Beitrag des IPG-Journals der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es gebe eine „Profit-Preis-Spirale“ schreibt er, bei der die marktbeherrschenden Unternehmen ihr Preise über die Inflationsraten hinaus erhöhen würden. Besonders die Reallöhne sollen deswegen angegangen werden, so seine Forderung. Wegen der Inflation erhöhten Unternehmen wie Aldi den Mindestlohn schon auf 14 Euro.

„Die Erwartung, dass die Preise steigen, eröffnet den Anbietern Spielraum“

Laut Welt sind besonders die Automobilbranche und die Konsumgüterindustrie Wirtschaftszweige, die die Inflation für Gewinne ausnutzen. „Die Erwartung, dass die Preise steigen, eröffnet den Anbietern Spielraum“, sagt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gegenüber der Welt. Vor allem am Anfang einer Inflationswelle wäre es für Unternehmen hier leicht möglich gewesen, ihre Gewinnmarge unbemerkt zu vergrößern.

Auch der Edeka-Chef Markus Mosa stützte diese These und beschwerte sich, dass die globale Markenindustrie (Coca-Cola, Unilever, Pepsico, Beiersdorf, Nestlé) „die Versorgung der Menschen in Deutschland zu angemessenen Preisen“ verhindere. IW-Geschäftsführer Bardt fühlt sich an die Euro-Einführung erinnert, „als die Schokoladenhersteller nach Jahren endlich ihre Preisgrenzen von 99 Pfennig überwinden konnten“, sagt er der Welt. Das bedeutet für die Verbraucher:innen jedoch eine “historische Herausforderung“, denn auch in Deutschland wird das Leben immer teurer.

Frau sucht im Supermarkt ein Speiseöl aus, das im Schnitt 38,7 Prozent teurer geworden ist.
Die Preise für Lebensmittel sind im Vergleich mit Juni 2021 um 12,7 Prozent gestiegen. Das ist mehr, als die aktuelle Inflationsrate von 7,6 Prozent. © agefotostock/IMAGO

Inflation: Notenbank muss „dafür sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Einklang kommt“

Isabel Schnabel von der Europäischen Zentralbank (EZB) sagt es laut Süddeutscher Zeitung (SZ) so: „Provokant ausgedrückt: Viele Unternehmen in der Euro-Zone, wenn auch bei Weitem nicht alle, haben von dem jüngsten Inflationsanstieg profitiert.“ Besonders direkt nach den Corona-Shutdowns habe es einen „Koordinierungseffekt“ gegeben, erklärt Isabella Weber, Ökonomin an der University of Massachusetts Amherst der SZ. Unternehmen hätten ohne Absprache Preise erhöhen können, weil sie wussten, die Kund:innen würden nicht weglaufen.

„Ist das gierig?“, fragt die SZ den Ökonomen Volker Wieland, der bis vor kurzem als „Wirtschaftsweiser“ im Sachverständigenrat saß. „In einer Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist das Streben nach Gewinn kein Übel“, antwortet er. Natürlich könne es ein „Aufmerksamkeitsdefizit“ gegeben haben – „Verbraucher sind nicht hyperrational“. Besonders die Unternehmen mit besonders viel Marktmacht könnten steigende Kosten gut an die Verbraucher:innen weitergeben. Das sei aber unabhängig von der Inflation ein Problem.

Wieland findet, dass eine „Gier-Debatte“ nicht davon ablenken dürfe, dass die Inflation die Verantwortung der Notenbank sei. Durch erhöhte Zinsen können die EZB hier noch weiter die Inflation ausbremsen, so der Ökonom. Das führt dann auch dazu, dass Preise für Immobilien sinken – Kauf bleibt für junge Menschen trotzdem schwer. „Notenbanken können nicht den unmittelbaren Schock der Energiepreise abfedern, aber sie können dafür sorgen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Einklang kommt mit dem geringeren Angebot.“

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