„Das reicht nicht“: An staatlichen Gebäuden sollen im Pride Month Juni Regenbogenflaggen hängen - Symbolpolitik?

In diesem Jahr sollen im Pride Month an allen staatlichen Gebäuden Regenbogenflaggen hängen dürfen. Einige kritisieren das als symbolische Politik.
Zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland haben amtierende Minister:innen die offizielle Erlaubnis erteilt, im Pride-Monat Juni an allen deutschen Bundesgebäuden das Symbol der LGBTQIA+-Community, die Regenbogenflagge, hissen zu dürfen. Die sechsfarbige Flagge entwickelte sich seit den 1970er Jahren zum internationalen Symbol für die queere Community. Sie hat verschiedene Updates und Weiterentwicklungen erfahren, ist zumeist aber immer noch in der ursprünglichen Variante verbreitet. Die sechs Farben sollen dabei die gesamte LGBTQIA+-Szene vertreten, ohne dabei auf einzelne Gruppen in der Community einzugehen.
In den vergangenen Jahren war es in Deutschland immer wieder zu politischen Streitigkeiten beim Hissen der Regenbogenflagge gekommen, da einige Städte oder Bundesländer eigenmächtig ohne landesweite Genehmigung die bunte Beflaggung von Staatsgebäuden zugelassen hatten. Im Kern geht es dabei um die „Wahrung staatlicher Neutralität“, die verpflichtend für alle Gebäude der Bundesregierung ist.
Kritiker:innen sehen in Regenbogenflagge „politisches Statement“
So definierten Kritiker:innen die Regenbogenflagge als ein „politisches Statement“, das nicht an offiziellen Regierungsgebäuden gehisst werden dürfe. Nach Bekanntwerden der nun erfolgten, bundesweiten Erlaubnis von Bundesinnenministerin Nancy Faeser kritisierte die AfD die Regenbogenflagge bereits als „Propagandafähnchen“. Faeser dagegen stellte in einem offiziellen Statement klar: „Wir wollen, dass die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Ende hat. Wir wollen Solidarität mit allen zeigen, die immer noch Ausgrenzung erleben müssen. Dafür ist die Regenbogenflagge das weltweit bekannte Symbol!“
Kritik kommt dabei auch von anderer Stelle, denn es stellt sich die Frage, ob die Ampel-Koalition auch wirklich genug für die LGBTQIA+-Community tut oder ob es in vielen Fällen wie auch bei der Beflaggung vielleicht bei einem reinen Symbolakt bleiben könnte. Diese Befürchtung äußerte die queerpolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, gegenüber Buzzfeed News Deutschland: „Mein Eindruck ist, dass die Ampel in der LGBTI*-Politik sehr viel Symbolik, aber wenig Konkretes vorzuweisen hat. Die Ernennung eines Queer-Beauftragten oder die Beflaggung von Bundesgebäuden mit der Regenbogenfahne, das ist alles nicht falsch, aber unzureichend“, so Vogler, die im Speziellen auch auf die Akten eingeht, in denen Menschen nach dem alten Transsexuellengesetz klassifiziert und dadurch oftmals noch immer stigmatisiert werden. „Nicht einmal ein Schredder-Moratorium für diese TSG-Akten, das nichts kosten würde, aber die historische und individuelle Aufarbeitung des Unrechts, das Betroffenen angetan wurde, sinnvoll vorbereiten könnte, zieht die Bundesregierung in Erwägung“, erklärt Vogler weiter.
Vogler wie auch viele LGBTQIA+-Aktivist*innen blicken mit Spannung auf die aktuellen Ankündigungen der Bundesregierung, queere Lebensweisen künftig stärken zu wollen. In manchen Punkten wie beispielsweise einer geplanten Grundgesetzänderung zum Schutz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten stellt sich angesichts der Stimmenverteilung im Bundestag tatsächlich die Frage, ob es nicht nur bei einer Symbolpolitik bleibt.
Vogler vermisst auch mehr Engagement an anderer Stelle: „Viele queere Einrichtungen und Begegnungsstätten haben extrem unter den Anti-Corona-Maßnahmen gelitten. Sie brauchen einen Rettungsschirm jetzt, nicht erst im nächsten Jahr. Dafür braucht es Mittel im Haushalt 2022.“ Bisher gibt es in diesem Punkt noch keine konkreten Pläne der Ampel-Koalition. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, verweist in diesem Zusammenhang stets auf die aktuelle Planungsphase – wenn diese bis zum Sommer konkretisiert ist, könnten gezielt erste Projekte angegangen werden.
Linken-Politikerin: „Mir fehlt im Koalitionsvertrag der Blick auf die sozialen Folgen der Diskriminierung“
„Auch meine Frage, welche zivilgesellschaftlichen Organisationen an der Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans beteiligt werden sollen, hat Sven Lehmann nicht im Detail beantwortet. Dabei wäre es wichtig, dass hier die gesamte Vielfalt der Community berücksichtigt wird, um diesen Plan auch an den Bedürfnissen derjenigen auszurichten, die häufig zu kurz kommen“, so Vogler im weiteren Gespräch. Für die Politikerin der Linken ist es wichtig, etwas an den eingefahrenen Mustern zu ändern, um langfristig tatsächlich maßgebliche Verbesserungen für queere Menschen zu erreichen. „Immer wieder erleben wir eine Dominanz cis-männlicher Strukturen in der öffentlichen Wahrnehmung und bei der Förderung von Projekten, wie auch zuletzt bei der Besetzung der Leitung der Magnus-Hirschfeld-Stiftung. Hier bleibt viel zu tun“, so Vogler.
Wenn im Juni die Pride-Flaggen in Deutschland bundesweit zu sehen sein werden, bleibt für Vogler abschließend noch eine andere Frage offen: „Mir fehlt im Koalitionsvertrag der Blick auf die sozialen Folgen der Diskriminierung von queeren Menschen, die sich etwa in Problemen auf dem Arbeitsmarkt, im Job oder bei der Wohnungssuche ausdrückt. Trans*-Personen etwa sind besonders von Arbeits- und Wohnungslosigkeit betroffen und benötigen von daher besondere Unterstützung.“ (Autor: JHM Schmucker)