Faschingsumzug in Prossen ist für Veranstalter „Satire“, aber für queere Menschen Hass pur

MEINUNG
Der verstörende Faschingsumzug in der Sächsischen Schweiz zeigt, dass Satire eben nicht „alles darf“ und Hass auf LGBTQIA+-Personen keine Daseinsberechtigung hat.
Es war eine verstörende Kombination rassistischer Stereotype und reaktionärer Feindbilder, die am 21. Januar 2023 auf den Straßen des kleinen Ortes Prossen in der Sächsischen Schweiz zu sehen war. Zum ersten Mal seit 2020 wurde dort im Rahmen der sogenannten „Schifferfastnachten“ wieder ein Faschingsumzug veranstaltet, der allerdings bundesweit für Entsetzen sorgte.
Auf einem der Umzugswagen tanzten als amerikanische Ureinwohner verkleidete Personen um einen Marterpfahl. Das Verstörende daran: An diesem Marterpfahl war ein Mann in regenbogenfarbenem Kostüm gefesselt, der offenbar LGBTQIA+-Menschen symbolisierte.
Der Umzugswagen war als „Asyl-Ranch“ deklariert und mit einem Banner versehen, auf dem der Satz „Deutschland dekadent und krank, Winnetou sucht Asyl im Sachsenland“ zu lesen war. Offenbar eine Anspielung auf die hitzig geführte Debatte um ein angebliches Verbot der „Winnetou“-Bücher und -Filme, das es so nie gegeben hat. Die extrem stereotype Figur des „Winnetou“ wurde eher zu einem Symbol des Kampfes gegen eine vermeintliche „Cancel Cuture“ und eine „woke“ Geisteshaltung.
Queere Menschen als „dekadent“ und „krank“ darstellen ist „eine Drohung“
Die Begriffe krank und dekadent sind typische Attribute, mit denen rechte Ideologien die moderne offene Gesellschaft diffamieren. Bereits die Nazis bedienten sich dieser Sprache, um gegen die Demokratie der Weimarer Republik zu hetzen. In Kombination mit dem am Marterpfahl festgebundenen Mann im Regenbogenkostüm wird hier also das reaktionäre Feindbild der „dekadenten“ und „kranken“ Queerness inszeniert. Ein Feindbild, das in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat und mittlerweile auch durch harmlos erscheinende Biologie-Vorträge in die Gesellschaft getragen wird.
Die Verwendung von NS-Sprache und die symbolische Erniedrigung eines Regenbogen-Mannes lassen die kolonial-rassistischen Stereotype, mit denen amerikanische Indigene als „Indianer“ dargestellt werden, fast in den Hintergrund rücken. Es handelt sich um offen zur Schau gestellte Queerfeindlichkeit, bei der zunehmend alle Hemmungen fallen, wie auch schon ein Experte im Gespräch mit BuzzFeed News DE sagte. Der freie Autor und Rechtsextremismusexperte Thorsten Mense kommentierte den Vorfall auf Twitter daher auch sehr eindeutig: „Das ist kein Spaß, sondern eine Drohung.“
Beim Fasching ist nicht alles erlaubt!
Bei Faschingsumzügen geht es üblicherweise darum, das politische Zeitgeschehen scharfzüngig zu kommentieren. Grenzen gibt es da nur wenige. Auf dieses Argument beruft sich zumindest der Veranstalter des Prossener Umzugs vom 21. Januar, die Schiffergesellschaft Elbe Prossen. Deren Vorsitzender Jens George sagte der Bild: „Das gehört zur Meinungsfreiheit. Beim Fasching ist alles erlaubt, da darf jeder machen, was er will.“
Aber bedeutet das nicht, dass man eine feindselige Darstellung homosexueller, queerer und trans* Menschen gutheißt? Das fragen wir von BuzzFeed News DE den Verein – aber der ließ unsere Anfrage bisher unbeantwortet.
Ähnlich äußerte sich der „Winnetou“-Darsteller Tilo Hamann, der in den Videos zu sehen ist: „Das war Satire. Über die Bedeutung sollte sich jeder Zuschauer selbst Gedanken machen“, zitiert ihn die Bild. Wie der Europaabgeordnete Erik Marquardt (Grüne) aber zurecht auf Twitter anmerkt, sind Fasching und Karneval dazu da, „nach oben zu treten und sich über die Mächtigen lustig zu machen.“ Wer hingegen Minderheiten zum Zielobjekt macht und symbolisch erniedrigt, ist, wie er richtigerweise schreibt, „einfach ein verwahrlostes Würstchen.“
„Wie viel Hass kann man haben?“
Wie sich von Queerfeindlichkeit betroffene Menschen beim Anblick dieses „satirischen“ Faschingsauftritts fühlen mögen, bringt ein Tweet der trans* Aktivistin Julia Monro zum Ausdruck. Sie war gerade auf dem Weg zu einer Veranstaltung über Gewalt gegen queere Menschen, als sie auf den Vorfall aufmerksam wurde, und fragt ernüchtert: „Wie viel Hass kann man haben?“ Im selben Tweet merkt sie an, dass am 27. Januar der queeren Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird – erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik.
Wozu diese Art von Hass führen kann, wurde Anfang September 2022 deutlich, als der junge trans* Mann Malte während des CSD in Münster totgeschlagen wurde. Für das Image der sächsischen Stadt Bad Schandau, zu der der Ortsteil Prossen gehört, ist dieser Vorfall jedenfalls denkbar ungünstig. Der Journalist Patrick Müller von der Badischen Zeitung kommentiert ironisch, dass die Stelle des Stadtmarketingreferenten vermutlich ein „Albtraumjob“ sein dürfte.
Mal ganz zu schweigen davon, dass die Stadt Bad Schandau für queere Menschen wohl kein schöner Ort sein dürfte. Wir fragen den Bürgermeister der sächsischen Kleinstadt, ob er seine Stadt als einen lebenswerten Ort für LGBTQIA+-Menschen bezeichnen würde. Unsere Anfrage blieb bis zum Redaktionsschluss leider unbeantwortet.