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Video geht um die Welt: 77-jährige Russin protestiert gegen Ukraine-Krieg und wird verhaftet

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Von: Mika Engelhardt

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Eine Demonstration in Moskau gegen den Ukraine-Krieg und die Festnahme einer Aktivistin als Screenshot von Twitter
In Russland zu demonstrieren, ist eine große Gefahr. Das Video der Verhaftung einer alten Frau geht aktuell viral. © Collage/dpa/Screenshot Twitter

Tag für Tag gehen mutige Russ:innen gegen den Ukraine-Krieg auf die Straßen. Für sie ist das gefährlich.

Es sind Bilder, die niemanden kaltlassen. Auf Twitter geht ein Video viral, das die Verhaftung einer alten russischen Dame bei einer Demonstration gegen den Ukraine-Krieg zeigt. Von der Frau geht offensichtlich keine Gefahr aus, und immerhin behandeln die Sicherheitskräfte sie beim Abführen respektvoll. Aber das Bild dieser kleinen, zerbrechlich wirkenden Person zwischen schwer Uniformierten brennt sich ein. Die Frau heißt Yelena Osipova, sie ist 77 Jahre alt, Künstlerin und Anti-Kriegs-Aktivistin und wird aktuell im Internet als Heldin gefeiert.

Yelena Osipova setzt sich schon seit vielen Jahren für Frieden ein und geht dafür auf die Straße. Das ist in Russland nach wie vor keine Selbstverständlichkeit, denn dort sind Demonstrationen meist verboten. Aber Yelena weiß, wie es sich anfühlt, wenn kein Frieden herrscht und will sich gegen kriegerische Auseinandersetzungen einsetzen. Sie ist eine Überlebende der Belagerung von Leningrad im Zweiten Weltkrieg, bei der in kurzer Zeit bis zu zwei Millionen Menschen das Leben verloren.

Seit über 20 Jahren geht Yelena für die verschiedensten Zwecke auf die Straße, zum Beispiel zum G20-Gipfel oder wenn es um Atommüll geht. Gegen den Ukraine-Krieg protestiert sie seit 2014. Die Gefahren sind ihr bekannt. Immer mit dabei: ihre selbst gestalteten Plakate, die Kunstwerken gleichen. Im Jahr 2015 eröffnete sie mit ihnen sogar eine Ausstellung in Sankt Petersburg. Damals sagte sie im Gespräch mit „Russian Reader“, dass sie schon oft verhaftet worden sei und dabei nicht immer so respektvoll behandelt wurde, wie es auf dem aktuellen Video zu sehen ist.

Demonstrantin in Russland: wegen der Ukraine-Krise schon seit 2014 auf der Straße

Yelena erzählt auch, dass die Kunst sie schon ihr ganzes Leben begleitet. Sie studierte an einer Kunsthochschule und musste sich in einer männerdominierten Zeit profilieren. Erst im Alter von 70 Jahren eröffnete sie ihre erste Ausstellung. Yelenas Kunst verbindet ihre Leidenschaft zum Malen mit dem Aktivismus. Die Plakate haben immer einen politischen Bezug. Sie ist einer der wenigen Menschen, die regelmäßig auf die Straße gehen. Im Gespräch mit „Russian Reader“ erklärt sie, dass sie durchaus ein Erstarken der Zivilgesellschaft sieht, aber dass die Gesetzeslage Proteste immer weiter erschwert.

Wenn man während einer Demonstration festgenommen wird, kommt man nach einer Zahlung meist wieder frei. Allerdings sagt Yelena, dass diese Kautionen immer weiter angehoben werden und somit immer schwieriger zu bezahlen werden. Vermutlich wird sie auch nach dem aktuellen Vorfall wieder auf freien Fuß kommen und vermutlich wird sie eines Tages wieder verhaftet werden - aber sie hat mit den vielen anderen Demonstrant:innen ein Zeichen dafür gesetzt, dass die Russ:innen nicht alle hinter Putins Krieg stehen.

Die Russ:innen sind gegen einen Krieg mit der Ukraine - und zeigen das der eigenen Regierung

Dass es überhaupt Demonstrationen eines solchen Ausmaßes in Russland gibt, ist ein relatives Novum. Die Teilnehmenden riskieren harte Konsequenzen, von Verhaftungen über Geldstrafen bis hin zu Polizeigewalt. Knapp 8.000 Menschen sollen in der letzten Woche bei Demonstrationen festgenommen worden sein. Die russische Regierung versucht mit diesen Maßnahmen, Äußerungen über Unmut im Keim zu ersticken. Dennoch gehen die Menschen Tag für Tag gegen den Ukraine-Krieg wieder auf die Straße, kritisieren offen Putin und fordern ein Ende des Krieges.

Im Internet werden diese Menschen, und aktuell besonders Yelena Osipova, als Held:innen gefeiert. „Etwas verändert sich“, schreibt zum Beispiel der niederländische Autor Kaj Leers. „Es geht um die kleinen Dinge. Schaut, was passiert. Die Menschen lehnen Putins SS ab. Sie setzen die Ellbogen ein, stoßen sie sogar.“ „Ich danke ihr und allen Russ:innen mit Prinzipien“, schreibt ein anderer User. Die Menschen aus dem Ausland versuchen im Gegenzug, die russische Bevölkerung auf dem Laufenden zu halten, was wirklich im Krieg passiert, zum Beispiel getarnt als Bewertung bei Google Maps.

Die Angst des Kremls: Russ:innen erheben sich gegen eine autoritäre Regierung

Wahrscheinlich ist es das, was der Kreml am meisten fürchtet: dass die eigenen Leute sich eines Tages erheben und gegen Putins Regierung vorgehen. „Ihre Festnahme, und die anderer alter Menschen, zeigt, wie viel Angst der Kreml vor den eigenen Bürger:innen hat“, schreibt eine Userin unter das Video von Yelenas Festnahme. Andere User sehen in den Russ:innen den Schlüssel, um den Krieg noch zu stoppen. Yelena und die tausenden anderen Demonstrierenden beweisen nicht nur Mut, sie senden auch ein wichtiges Signal an ihre Regierung. Den Krieg will in Russland fast niemand.

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