Queere Person über Horror-Date: „Haben mir ins Gesicht geschlagen“
LGBTQIA+-Menschen geraten beim Dating leicht in Gefahr. BuzzFeed News spricht mit Betroffenen, die gerade noch „mit einem blauen Auge“ davongekommen sind.
Immer wieder sorgten in den letzten Wochen Schlagzeilen innerhalb der LGBTQIA+-Community für Aufsehen, weil es in Deutschland sowie international immer wieder zu Überfällen auf queere junge Menschen gekommen ist – die Masche ist dabei stets gleich: Zumeist via Dating-Apps wie Grindr oder Planetromeo wird ein erstes Treffen vereinbart.
Statt den erhofften Schmetterlingen im Bauch erwartet die Queers dann entweder eine oder gleich mehrere unbekannte Personen, die sie ausrauben wollen. In anderen Fällen werden die ahnungslosen Opfer auch mithilfe von flüssigen Drogen wie GHB (auch Liquid Ecstasy genannt) während des Dates betäubt und anschließend ausgeraubt.
Bemerkenswert an den Fällen ist, dass offenbar immer mehr junge Kriminelle den Trick mit jungen queeren Opfern für sich entdecken. In London hat die Polizei bereits erste mögliche Täter:innen festgenommen, weitere sind offenbar noch auf der Flucht. In Berlin kam es erst kürzlich zu einem solchen Überfall, bei dem ein junger schwuler Mann von mehreren unbekannten Täter:innen überfallen und schwer verletzt wurde. Bei anderen Fällen steht der Raub selbst gar nicht im Vordergrund, sondern zumeist machen sich junge Männer einen Spaß daraus, ahnungslosen queeren Opfern aufzulauern und sie anzugreifen.
Gewalt beim queeren Dating: „Sie haben mir ins Gesicht geschlagen“
Der Großteil dieser Angriffe schafft es bis heute dabei nicht in die offizielle Statistik, rund 90 Prozent aller Übergriffe werden geschätzt (Europäische Grundrechteagentur) gar nicht erst angezeigt. Die Scham ist zu groß, auf den Trick hereingefallen zu sein. Oder die Zweifel überwiegen den Schmerz, sagt Felix (22) aus Nordrhein-Westfalen BuzzFeed News Deutschland: „Ich bin im wahrsten Wortsinn mit einem blauen Auge davongekommen, drei Kerle hatten mir am Treffpunkt aufgelauert. Bis auf mein Handy haben sie nichts mitgenommen, aber mir noch ins Gesicht geschlagen“, erzählt er.
„Ich habe die ersten Tage überlegt, zur Polizei zu gehen, aber würden die mir wirklich glauben? Oder sich doch über mich lustig machen?“ Diese Bedenken bestätigt auch der Münchner Beratungsverein STRONG!, eine Fachstelle speziell für junge queere Menschen, die Diskriminierung und Gewalt erfahren haben. Mitarbeiter Ben Dutschmann sagt BuzzFeed News Deutschland: „Die Dunkelziffer bezüglich Diskriminierung und Gewaltvorfällen ist für die queere Community allgemein sehr hoch. Oftmals gehen Betroffene hier auch davon aus, dass die Polizei nichts tun kann.“ Schnell sind die betreffenden Profile gelöscht und eine Weiterverfolgung wird schwierig.

„Ich glaubte ihm, dass wir uns nur ‚verpasst‘ hätten, bin erneut mit dem Taxi hingefahren“
Nicht immer geht es dabei um Gewalt oder räuberische Absichten, manchmal ist es schlicht auch pure Schikane, wie Michael (21) aus Oberbayern erzählt: „Ich weiß, ich war unfassbar naiv, aber so ist das nun einmal gewesen. Ich hatte zwei Wochen sehr intensiv mit einem anderen Jungen über Romeo geschrieben. Ich war richtig verknallt. Er hat mich dann abends zu einem Treffpunkt eingeladen, da fuhr keine Bahn mehr, also bin ich mit dem Taxi dahin. Er kam nicht und war nicht mehr online. Eine Stunde später schrieb er mich wieder an.“
„Ich glaubte ihm, dass wir uns nur ‚verpasst‘ hätten, bin erneut mit dem Taxi hingefahren und ja, er tauchte wieder nicht auf. Danach war sein Profil gelöscht. Ich nehme an, er hat mir von irgendeinem Fenster in einem Wohnkomplex aus zugesehen und sich krankgelacht, dass ich so doof sein konnte. Mir hat das aber tatsächlich weh getan.“
Mehr zum Thema: Datenexperte warnt vor queere Männer vor Naivität bei Grindr und Co.
„Im Zweifel lieber vorsichtig sein als zu viel zu vertrauen“
Doch was kann man bestenfalls tun, um nicht selbst ein Opfer zu werden? Dutschmann sagt: „Im Zweifel lieber vorsichtig sein als zu viel zu vertrauen. Lieber an einem öffentlichen, gut besuchten Ort treffen, nicht aus einem Glas trinken, dass mensch sich nicht selbst eingeschenkt oder unbeobachtet gelassen hat.“ Gerade die Masche mit dem angebotenen Drink, in dem heimlich eine Droge beigemischt wurde, wird unter Kriminellen offenbar immer beliebter. „Vielleicht auch lieber sich erstmal etwas länger Zeit nehmen und nicht sofort treffen, lieber länger schreiben, telefonieren oder einen Video-Call machen, um ein Gefühl für mein Gegenüber zu bekommen. Das Profil vorher gut checken und auf Unstimmigkeiten achten“, sagt Dutschmann.
Wenn es dann schlussendlich doch zu einem Treffen kommt, könne man ebenso mit ein paar einfachen Vorkehrungen viel Sicherheit für sich selbst schaffen: „Wenn es zum Treffen kommt, Freund:innen vorher Bescheid geben, wo ist das Treffen und mit wem. Man kann auch ausmachen, sich zum Beispiel nach einer gewissen Zeit kurz zu melden, dass alles gut läuft.“ Es gebe auch die Option, ein Notfall-Code-Wort oder Smiley zu verabreden, mit dem man sich dann bei einem unguten Bauchgefühl melde.
Mehr zum Thema Queer-Sein: Queere Jugendliche zocken – „desto stiller werden die Stimmen in meinem Kopf“
Tipps fürs sicheres queeres Dating
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Ein erstes Treffen mit einem Unbekannten sollte nicht in der eigenen Wohnung stattfinden – man kann sich gegebenenfalls ganz in der Nähe davon in einem Café oder an einer Haltestelle treffen. Hier lässt sich abchecken, wie vertrauensvoll die Person tatsächlich ist, ohne dass der Fremde die Adresse kennt.
Die Jugendanlaufstelle DBNA sagt dazu: „Eine sehr gute Möglichkeit, jemanden zu treffen, ist in der Gruppe: Verabrede dich mit ein paar Jungs aus deiner Bekanntschaft zum Beispiel für eine Party. Und dein Date nimmst du gleich mit. In der Gruppe wirst du guten Rückhalt haben, falls das Date doch nicht so prickelnd ist. Und wenn doch, habt ihr gleich was, worüber ihr beim nächsten Mal reden könnt.“
Ist alles in Ordnung und es geht doch nach Hause, ist es trotzdem sinnvoll, Wertgegenstände nicht frei herumliegen zu lassen und sein Date beim ersten Treffen nicht aus den Augen zu verlieren. Ein generelles No-Go sollten auch Drogen und Alkohol sein (die sich rasant verändern). Sie können die Zurechnungsfähigkeit benebeln.
Welche Maßnahmen ergreifen Dating-Plattformen?
Den Dating-Plattformen selbst ist die Problematik dabei durchaus bewusst, wie beispielsweise Planetromeo erklärt: „Neue Leute treffen ist immer aufregend. Aber nicht jede Person, die ein Profil hat, sucht nach den Dingen, die du suchst. Daher raten wir dringend dazu, immer mit Vorsicht und gesundem Menschenverstand zu handeln, wenn es um Dates oder Online-Aktivitäten mit anderen geht.“ Das Unternehmen nehme die Sicherheit ihrer Nutzer:innen dabei sehr ernst.
Bei Planetromeo durchforsteten selbst lernende Algorithmen die Profile nach möglichen Fake-Accounts: „Durchschnittlich erwischen wir 50 Prozent aller betrügerischen Profile in der ersten Minute nach der Erstellung und löschen neun von zehn innerhalb der ersten 24 Stunden.“ Ein Restrisiko bleibt dabei bei allen Dating-Apps bestehen, wie auch das Unternehmen mit Sitz in Amsterdam eingesteht: „Leider ist es für uns unmöglich, jeden unserer Nutzer rund um die Welt zu verifizieren.“
Planetromeo setze so auf Profile, die von anderen Nutzern als echt eingestuft worden sind. Bei neuen Profilen helfe das zumeist allerdings wenig. DBNA vermerkt dazu: „Keiner kennt sie, wenn sie es nicht wollen, Anonymität gibt es überall. Deshalb ist es auch so leicht, eine andere Identität vorzutäuschen. Man kann ja das Blaue vom Himmel herunter reden.“
Was tun, wenn man beim Dating Gewalt erlebt hat?
Verlief trotz aller Vorsicht ein Treffen trotzdem nicht so wie erhofft und es ist zu Gewalt gekommen, sollte man nicht versuchen, damit alleine umzugehen. „Das hängt natürlich immer von den jeweiligen Umständen ab, trotzdem kann gesagt werden, dass es sicherlich gut ist, so schnell wie möglich entweder mit der Polizei Kontakt aufzunehmen.“ Falls Vorbehalte da seien, könne man auch erstmal bei Organisationen wie beispielsweise dem Weißen Ring und/oder bei anderen LGBTQIA+-Beratungsstellen in der Nähe Rat suchen, sagt Dutschmann.
Zum einen könnten hier alle Begleitung finden, um über den Vorfall zu sprechen, zum anderen auch Beratung, was weitere Schritte sein könnten, um die Täter:innen zu überführe. In einem Punkt sind sich alle Dating-Expert:innen abschließend einig: Bei Zweifeln, und seien sie noch so klein, ist Vorsicht geboten. Traue deinem Bauchgefühl und wenn es sich nicht gut anfühlt, triff dich besser nicht!
Mehr zu LGBTQIA+-Themen: Hier sprechen wir darüber, was die digitale Krankenakte für queere Menschen bedeuten kann.