Bei dem vom Schmidt in die Kamera gehaltenen Magazin handelt es sich um Zuerst!, das sich als „Deutsches Nachrichtenmagazin“ bezeichnet. Es wurde 2009 als eine Art rechtes Gegenstück zum Spiegel gegründet und wird von Fachleuten wie Armin Pfahl-Traughber und Gideon Botsch dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Einer Einschätzung der Amadeu Antonio Stiftung von 2015 zufolge versucht das Blatt „Themen aus dem rechtsextremen Spektrum in scheinbar seriöser Aufmachung bis an die Bahnhofskioske“ zu bringen. Laut dem Historikers Volker Weiß wurde Zuerst! „als Nachfolger des faschistischen Traditionsblatts Nation & Europa gehandelt, will aber weit in etablierte Kreise hineinwirken.“
Der aktuelle Chefredakteur Andreas Karsten ist ein bekanntes Gesicht der rechtsextremen Szene: Er war Teil der neurechten Identitären Bewegung (IB) und gehörte der Hallenser IB-Gruppe um den mehrfach vorbestraften Gewalttäter Mario Alexander Müller an. Er ist einer der ehemaligen IB-Aktivisten, die mittlerweile in „alternativen Medien“ untergekommen sind. Wie viele andere publizistisch tätige Aktivisten der extremen Neuen Rechten ist auch Karsten bestens in der AfD vernetzt, wie im Frühjahr im Rahmen eines „interfraktionellen Treffens“ der Partei deutlich wurde.
Die guten Kontakte von Zuerst! in die AfD werden nicht nur an der Person des Chefredakteurs deutlich. Tatsächlich sind Politiker:innen der AfD häufige Interviewpartner des Magazins. In der aktuellen Mai-Ausgabe spricht niemand Geringeres als der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke über „Massenmigration und Multikulturalisierung“ und beklagt den „gnadenlosen ‚Kampf gegen rechts‘“, wie Endstation Rechts aus dem Interview zitiert. Höcke ist nach Einschätzung von Beobachter:innen der große Gewinner der innerparteilichen Auseinandersetzungen auf dem Parteitag, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet. Der Kurs der stetigen Radikalisierung, der die Geschichte der AfD prägt, scheint damit fortgesetzt zu werden.
Weitere Vertreter der AfD, die in der Mai-Ausgabe zu Wort kommen, sind laut Endstation Rechts die Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck und Steffen Kotré sowie der saarländische Landesvorsitzende Christian Wirth. Andere bekannte Köpfe der Partei traten bereits zuvor in Zuerst! auf, darunter der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, der sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban, der thüringische Landtagsabgeordnete Thomas Rudy und der als russlandfreundlich bekannte Hardliner Hans-Thomas Tillschneider aus Sachen-Anhalt.
Zu den illustren Gesichtern der AfD, die dem Nazi-Magazin Zuerst! bisher Rede und Antwort standen, gehört auch Alice Weidel selbst. Laut des Rechtsextremismusexperten Andreas Kemper gab sie dem Blatt seit 2017, dem Jahr des Einzugs ihrer Partei in den Bundestag, mindestens sechs mal ein Interview. Das letzte wurde erst im Februar 2022 veröffentlicht, worauf auf Twitter der Politikwissenschaftler Floris Biskamp aufmerksam macht. Weidel sprach darin anlässlich des Amtsantritts der Ampelkoalition über deren „Kabinett der Unfähigkeit.“
Gegenüber der ARD schien sie das Magazin, dem sie seit Jahren Interviews gibt, nicht zu kennen. Weitere Aussagen dazu machte sie nicht mehr: „Ja, was soll ich noch dazu sagen. Dazu kann ich gar nichts mehr sagen.“
Ähnlich sprachlos war Weidel im selben Interview unmittelbar zuvor, als Martin Schmidt von ihr wissen wollte, was eigentlich rechtsextrem ist. Die Co-Bundesvorsitzende der AfD und langjährige Bundestagsabgeordnete, die zuvor jedes Problem ihrer Partei mit Rechtsextremismus verneinte („Wir haben kein Problem mit Rechtsextremisten“), wusste darauf keine Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten, was rechtsextrem ist.“ Die AfD wird seit dem vergangenen März offiziell als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet.
Daraufhin zitierte Schmidt Beiträge aus den sozialen Medien, die die thüringische AfD-Bundestagsabgeordnete und Höcke-Vertraute Christina Baum verfasst hatte (ab Min. 7:58). Diese hatte laut Schmidt geschrieben, dass „das hellhäutige, hier seit Jahrhunderten ansässige Volk fast keine Interessenvertretung mehr habe.“ In einem anderen Beitrag kommentierte Baum das Foto eines Schwarzen Babys: „Und hier ein bildlicher Beweis dafür, wie wichtig die Korrektur des Staatsangehörigkeitsrechtes ist“, trug Schmidt der Co-Parteichefin vor. Christina Baum wurde auf dem Parteitag in den Bundesvorstand der AfD gewählt – mit mehr Stimmen als Weidels Amtskollege Tino Chrupalla, wie Schmidt betonte.
Diese eindeutig rassistischen Aussagen bezeichnete Weidel als „grundfalsch“, konnte oder wollte sie aber nicht als rechtsextrem einordnen. Stattdessen verwies sie auf das vermeintliche „Linksextremismus-Problem“ im Innenministerium der aktuellen Bundesregierung. Damit spielt sie auf die angeblich linksextreme Vergangenheit der Innenministerin Nancy Faeser an, die im rechtsextremen Milieu ein ausgesprochenes Feindbild geworden ist. Die aktuelle Juni-Ausgabe von Zuerst! zündelt ebenfalls mit exakt diesem Feindbild und spricht auf seiner Titelseite von „Faesers willigen Vollstreckern.“