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AfD gibt Migration schuld an Messerattacke in Brokstedt – aber so einfach ist es nicht

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Von: Jana Stäbener

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Nach der Messerattacke zwischen Kiel und Hamburg werfen AfD-Politiker:innen der Ampel vor, ihre „wahnsinnige Migrationspolitik“ töte Menschen. Was ist da dran?

Bei einer Messerattacke in einem Regionalzug zwischen Hamburg und Kiel wurden am Mittwoch, 25. Januar 2023, zwei Menschen getötet und nach ersten Erkenntnissen sieben verletzt. Die beiden Opfer waren nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine 16-jährige Jugendliche und ein 19 Jahre alter Mann. Das sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) über den Angriff in der Stadt Brokstedt.

Weil der 33 Jahre alte mutmaßliche Tatverdächtige laut dpa ein staatenloser Palästinenser sein soll, stürzt sich nun vor allem die AfD auf die Tat. Der Twitter Account der AfD schreibt, der Tatverdächtige stamme aus Gaza und hätte ein langes Vorstrafenregister gehabt. Dennoch sei er nicht abgeschoben worden. Über seine Vorstrafen und Herkunft berichten auch die Bild und die Welt. Der Schluss der Partei: „Beendet endlich die wahnsinnige Migrationspolitik!“ Auch einzelne Nutzer:innen schließen sich diesem Narrativ an.

So auch der AfD-Politiker Martin Hess aus Baden-Württemberg. Er twittert sofort folgende Worte: „Die Migrationspolitik der Ampel tötet Menschen. Die heutige Messerattacke in Schleswig-Holstein ist eine direkte Folge der aus dem Ruder gelaufenen Zuwanderungspolitik linksrotgrüner Minister. Wir dürfen uns nie an diese brutalen Messermorde gewöhnen.“ Doch so einfach mit Zahlen um sich zu werfen, geht nicht, denn die Kriminalstatistik für 2022 liegt noch gar nicht vor.

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Messerattacke zwischen Kiel und Hamburg entfacht schon wieder Migrationsdebatte

Jedes Jahr veröffentlicht das Bundeskriminalamt (BKA) eine neue Kriminalstatistik, in der laut dpa erst seit 2021 Messer überhaupt als Tatwaffe aufgeführt werden. Damals seien bei 6,6 Prozent aller Delikte Messer benutzt oder als Drohmittel verwendet worden. Frühestens für 2023 seien bundesweit valide Daten zur Messerkriminalität zu erwarten, heißt es im September 2022 in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Bundestag.

Schon bei der Tat in Illerkirchberg, bei der zwei Mädchen angegriffen wurden, stürzten sich AfD-Politiker:innen wie Alice Weidel sofort in eine Migrationsdebatte. Für den Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje ist das keine Überraschung. „In sozialen Netzwerken wie Twitter gibt es nach solchen Taten einen abscheulichen Automatismus: Noch bevor die Hintergründe bekannt sind, wird die Tat von der AfD und anderen extrem rechten Akteuren instrumentalisiert“, sagt er gegenüber BuzzFeed News DE.

Dass bei der Messerattacke in Brokstedt nun die Worte fallen, „die Ampel tötet Menschen“, ist mit keiner offiziellen Statistik belegbar. Anfang April 2022 erschien die letzte Kriminalstatistik. Ihr Ergebnis: Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der 2021 erfassten Delikte um 4,9 Prozent gesunken. Seit dem Jahr 2017 sei die Zahl der durch die Polizei registrierten Straftaten rückläufig. Eine erneute Statistik erscheine auch wieder in Richtung April, teilt eine Sprecherin des BKA auf BuzzFeed News-Anfrage mit.

Tote und Verletzte bei Messerattacke in Zug
Eine Mitarbeiterin der Spurensicherung geht am Brokstedter Bahnhof über den Bansteig. © Jonas Walzberg/dpa

Haben Messerattacken zugenommen?

Die Deutsche Presse-Agentur nimmt sich dem Thema Messerattacken auch in einem gesonderten Faktencheck an. Laut einer Statistik der Bundespolizei, die etwa für die Sicherheit an Bahnhöfen und Flughäfen zuständig ist, habe sich die Zahl der Körperverletzungsdelikte mit Messern (an diesen Orten) zwischen dem zweiten Halbjahr 2021 und dem ersten Halbjahr 2022 von 46 auf 98 mehr als verdoppelt. Aber: Bei Straftaten gegen das Leben – also etwa fahrlässige Tötung, Totschlag oder Mord einschließlich der Versuche – von sechs auf drei halbiert.

Außerdem verweist die dpa auf die Pandemie als zusätzlichen Faktor, der diese Kriminalstatistiken im Bahn- und Flugverkehr zwischen 2020 und 2023 massiv beeinflusst habe, denn die Reisetätigkeit nahm nach Corona erst wieder an Fahrt auf. Welche Rolle Flüchtlinge spielten, die auch die Union mit Friedrich Merz schneller abschieben will, sei an Statistiken nicht abzulesen.

Zwar wird die Staatsangehörigkeit erfasst, ohne allerdings weitere Merkmale wie etwa den Aufenthaltsstatus aufzunehmen. Demzufolge waren von den 223 von der Bundespolizei erfassten Tatverdächtigen im ersten Halbjahr 2022, die ein Messer eingesetzt haben, 80 Deutsche, 82 Nichtdeutsche und 61 mit nicht erfasster Staatsangehörigkeit.

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