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Der Tod der Queen macht mich nicht traurig – sie steht auch für Rassismus

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Königin Elizabeth nimmt im Juni 2022 an einer Militärparade zu ihren Ehren im Garten des Holyrood-Palasts teil.
Königin Elizabeth ist im Alter von 96 Jahren gestorben. © Jane Barlow/dpa/Collage/BuzzFeed

Queen Elizabeth steht für viele für britischen Kolonialismus und auch Rassismus. Über ihren Tod können sie nicht wirklich traurig sein.

MEINUNG

Ich verstehe nicht, warum Leute traurig sind, wenn ein berühmter, alter und wohlhabender Mensch stirbt. Der Tod ist doch der ultimative Ruhestand, und ich habe seit meiner Geburt versucht, möglichst wenig zu tun. Aber am 8. September 2022 starb Queen Elizabeth im Alter von 96 Jahren auf Schloss Balmoral in Schottland. Sie hatte ein langes, gut dokumentiertes, würdevolles Leben: Sie war die achte Queen von England, sieben Jahrzehnte lang ein Dorn im Auge mehrerer nicht-kaukasischer Länder und natürlich der Grund, warum eingewanderte Mütter, wie meine eigene Mutter, Prinzessin Diana so vehement verteidigten.

Das Internet scheint tief gespalten zu sein zwischen Leuten, die sich auf sie stürzen (mich eingeschlossen), und Leuten, die um jemanden trauern, dessen beste Eigenschaft es war, Corgis zu lieben. Wie sehr die Queen ihre Hunde liebte, zeigen wir hier in 21 Bildern.

Es ist mir egal, dass die Queen tot ist. Sie hatte ein gutes Leben und ich kannte sie nicht, warum sollte ich also die sechs Tränen, die mir pro Jahr zustehen, an eine Fremde verschwenden? Der einzige Grund, warum ich das hier schreibe, ist, dass es mir Spaß macht, Europäer:innen zu verärgern – eine Tradition, die für nicht-weiße Kanadier:innen seit mindestens anderthalb Jahrhunderten gilt. (Hast du jemals in Gegenwart einer weißen Person einen Shepherd's Pie mit einem Chicken Pot Pie verwechselt? Mach das mal. Daraus wird eine riesige Sache.) Ich kämpfe mit der Tatsache, dass so viele Menschen wegen des Todes der Queen ernsthaft am Boden zerstört sind. Mindestens eine Woche werden die Medien noch ihr langes Leben feiern, aber... warum?

Queen Elizabeths Tod hat kaum Auswirkungen auf das tägliche Leben

Der Tod von Queen Elizabeth hat im Gegensatz zu dem anderer berühmter älterer Frauen so gut wie keine Auswirkungen auf das tägliche Leben der Menschen auf der ganzen Welt. Vielleicht ändert sich die Sichtweise auf die Monarchie, aber politisch gesehen ist ihr Tod kein Ereignis. Der Tod von Ruth Bader Ginsburg bedeutete, dass Roe v. Wade mit Sicherheit gekippt werden könnte (und wir hatten recht). Die Queer-Aktivistin Urvashi Vaid starb dieses Jahr im Frühling, ein Verlust für mehrere Bürgerrechtsbewegungen, von der Gesundheitsfürsorge bis zu den Antikriegsbemühungen. Als die Aktivistin und Schriftstellerin Barbara Ehrenreich Anfang des Monats starb, bedeutete dies eine Stimme der Vernunft weniger im öffentlichen Diskurs über Sozialismus, Feminismus und Gemeinschaft.

Der Tod von Queen Elizabeth hingegen bedeutet nichts anderes, als dass sie sich dafür entschieden hat, nicht eingefroren zu werden, um beim nächsten Untergang der Zivilisation zurückgebracht zu werden, damit sie weitere Juwelen an sich nehmen kann, die weder ihr noch ihrer Familie jemals gehören.

Queen Elizabeth steht für viele für den brutalen britischen Kolonialismus

Klinge ich verbittert? Das ist mir egal. Es hat etwas einzigartig Jämmerliches, um eine Frau zu trauern, die eine Organisation geleitet hat, die für ihre genozidalen Tendenzen bekannt ist. In der kurzen Zeit seit ihrem Tod haben einige Leute argumentiert, dass man um die Person trauern kann, ohne das Imperium zu betrauern. Für mich, eine Person of Colour (PoC), ist das unmöglich, denn Queen Elizabeth hat nicht nur von den Plünderungen und der rassischen Ausbeutung profitiert, die das Königshaus seit den Anfängen der britischen Zivilisation praktizierte – sie war aktiv daran beteiligt. Letztlich wurde ihre gesamte Existenz von den Gräueltaten der Vergangenheit ihrer Familie getragen; ihr Reichtum und ihr Einfluss beruhen ausschließlich auf dem Kolonialismus.

Ich weiß, dass es schön ist, die Geschichte umzuschreiben und Queen Elizabeth als einen netteren Teil der Monarchie darzustellen. Aber es ist ja nicht so, dass sie während des Kolonialismus, der vom britischen Exzeptionalismus geprägt war, oder der politischen Unruhen, die er verursachte (und immer noch verursacht), nicht gelebt hat. Die Menschen, die Kinder waren, als die Briten ihre Länder beherrschten, leben immer noch. Erst vor knapp einem Jahr hat Barbados die Queen als Staatsoberhaupt abgesetzt. Länder wie Indien und Pakistan kämpfen nach wie vor mit den wirtschaftlichen, geografischen und kulturellen Auswirkungen des britischen Kolonialismus, während andere, wie St. Kitts und Nevis, nach jahrhundertelanger Einmischung durch die Royals erst vor kurzem echte Unabhängigkeit erlangt haben.

Weißt du, wie lange die Queen auf dem Thron saß? Sie hat diese 32 historischen Ereignisse miterlebt!

Queen Elisabeth II. besucht 1961 Indien.
Queen Elizabeth im Jahr 1961 in Indien © United Archives International/IMAGO

Queen Elizabeth führte das imperialistische Erbe fort

Es gibt viele Fotos und Videos von Besuchen der Queen in ihren ehemaligen Kolonien, bei denen die Einheimischen ihr zu Füßen liegen, als ob das Erbe der Queen nicht Teil dessen wäre, was ihre Länder überhaupt erst ins Chaos stürzte. Ich finde diese Berichterstattung gruselig, so wie die Fotos eines Gefängnisdirektors, der über das Gelände spaziert, während die Insassen dankbar sind, in der Gegenwart eines solch unverhältnismäßigen Reichtums und einer solchen Ambivalenz zu sein. Warum kehrte sie immer wieder nach Indien, Kanada und Ghana zurück? Um alle daran zu erinnern, dass sie es immer noch konnte, dass ihr Einfluss immer bis zu ihren Grenzen reichen würde?

Was sich die Queen wohl dabei dachte? Das hätten wir auch in anderen Momenten gerne gewusst.

Die Nationen, die vom britischen Empire betroffen waren, tun sich schwer mit ihrer eigenen Geschichte; sie sind lediglich Zwischenstationen auf dem langen Marsch des Imperialismus. Das Imperium ist nicht organisch gewachsen. Der Reichtum wurde in Form von Arbeitskräften aus versklavten Völkern, gestohlenen Juwelen und natürlich Tee gewonnen. Elizabeth hätte einen Teil des Reichtums zurückgeben können. Sie hätte sich als die Königin etablieren können, die umverteilt, was ihr genommen wurde. Sie tat es aber nicht, und das war kein Versehen.

Kanada löste sich erst in den 1970er Jahren vom britischen Königshaus

Versteht mich nicht falsch, die Queen war sicherlich historisch bedeutsam. Die Royals haben schon immer geglaubt, sie wüssten, wie man Länder besser regiert als die einheimische Bevölkerung; sie ist in diese Fußstapfen getreten. Sie veranstaltete Partys, zu denen die Leute mit Blackface-Broschen erschienen. Sie war ein wandelndes Stück Geschichte, die nicht zu leugnen ist. Es ist nicht so, dass irgendjemand die Queen abschaffen wollte oder wird; sie war zu wichtig für England und den Commonwealth. Sogar Kanada ist immer noch von ihr besessen, obwohl wir uns in den späten 70er Jahren formell vom Königshaus trennten. Wir haben immer noch einen Vertreter der Monarchie in der Bundesregierung! Sie ist immer noch auf unseren komischen grünen 20-Dollar-Scheinen zu sehen! Kein Wunder, dass sich alle anderen in der UN über uns lustig machen.

Am Ende ihres Lebens hatte die Queen jedoch kaum noch greifbare politische Macht. Als Kolonialismus weniger erfolgreich wurde, schwand auch ihr Einfluss. Ist man wirklich mächtig, wenn diese Macht nur durch Zerstörung entsteht? Welchen globalen Wert hat man, wenn die eigene Relevanz ausschließlich an das gebunden ist, was die Familie gestohlen hat?

Das britische Königshaus hat immer noch ein Rassismusproblem

Die meisten von uns sind sich wahrscheinlich einig, dass Symbole wichtig sind. Das heißt aber nicht, dass wir trauern müssen, wenn diese historischen Figuren ihre letzten Atemzüge tun. Hakenkreuze sind ein unbestreitbarer Teil der europäischen Geschichte, aber wir sind uns großteils einig, dass wir sie nicht aufbewahren müssen, um des Holocausts zu gedenken. (Eine weitere Sache, die weiße Menschen von Hindus übernommen haben, aber was solls, ein gewaltiger Übergriff nach dem anderen, oder?) Du kannst zu allen Jubiläen gehen und alle Jahrestage feiern, die du willst, aber das britische Empire hat eine lange, gut dokumentierte Geschichte rassistischer Gewalt.

Die Queen ist letztlich ein Symbol der Zerstörung, so wie sie auch ein Symbol für Glanz, Reichtum und Geschichte ist. Das ist für die meisten von uns eine unvergessliche Realität, aber das bedeutet nicht, dass wir sie auch noch feiern werden.

Und ehrlich gesagt, liegt die rassistische Geschichte des Empires noch nicht einmal so weit zurück. Selbst die Behandlung von Meghan, der Herzogin von Sussex, sowohl innerhalb der Familie als auch innerhalb der „Firma“ machte deutlich, dass die Monarchie wenig gelernt hat. Die britische Boulevardpresse ist brutal, aber sie hätte leicht in die Knie gehen können, wenn die Königin ihnen gesagt hätte, sie sollten aufhören, die einzige POC ihrer gesamten Familie regelmäßig zu belästigen. Stattdessen beugte sie sich der Linie. Meghan Markle selbst sagt, dass sie erst seit der Hochzeit mit Prince Harry wie eine Schwarze Frau behandelt wird.

Unter Queen Elizabeths Herrschaft geschahen Gräueltaten

Und doch feiern Prominente wie Liz Phair und Paris Hilton (was??) die Queen dafür, dass sie die „erste Girl-Boss“-Ikone ist, dass sie sich von Männern nichts gefallen lässt, während, sagen wir mal, britische Soldaten in den 50er Jahren Tausende von Kenianer:innen folterten und töteten. Wir fangen gerade erst an, die Misshandlungen durch das britische Empire zu verstehen; verloren geglaubte Dokumente, die 2011 wieder aufgetaucht sind, enthüllen so viel Schreckliches. Zu ihren Lebzeiten hat sich die Queen nie für diese in ihrem Namen begangenen Verbrechen entschuldigt. Als Oberhaupt der Familie hat sie die grausame Geschichte Englands nicht einmal zugegeben.

„Erster Girl-Boss. Eine der inspirierendsten Frauen. Das Ende einer Ära. RIP.“

In den letzten zwei Wochen war ich zu Besuch bei meiner Familie in Kanada – ein perfekter Zeitpunkt für einen Besuch im Commonwealth. Meine Eltern stammen aus Indien; sie sind gebürtige Kaschmiris, eine Gemeinschaft, die noch immer unter den Auswirkungen der Teilung des indischen Subkontinents leidet. Mein Vater wurde drei Jahre nachdem die Briten das Land verlassen hatten geboren, kein Wunder also, dass die Queen in meiner Familie nicht gerade ein hohes Ansehen genießt.

Als mein Vater von ihrem Tod erfuhr, reagierte er kaum – wenn es jemanden interessieren sollte, dann vielleicht einen indischen Kanadier mit einem Napoleon-Komplex, der vergoldete Stühle und unnachgiebige Treue zu einer Sache mag. Stattdessen murrte er, sie solle den Koh-i-Noor-Diamanten posthum an Indien zurückgeben. „Ich weiß, dass sie das nicht tun wird“, gab er resigniert zu, während er etwas Falooda herunterschluckte. Er hat recht – anscheinend wird der Diamant an Camilla gehen, denn ich schätze, die Royals wollen, dass mein Vater einen Herzinfarkt bekommt und meine Mutter zwei Wochen lang schreit, warum weiße Frauen in auffälligem Schmuck gar nicht erst gut aussehen.

Die britische Monarchie ist veraltet

Wenn du über die Königin traurig bist, unabhängig von deiner Nationalität, musst du tief in dich gehen. Worüber bist du traurig? Was glaubst du, haben wir verloren? Ein Stück Geschichte, das bereits so gründlich dokumentiert wurde? Eine Erinnerung daran, wie der Imperialismus damals aussah, als weiß-sein, Reichtum und europäische Vorherrschaft noch stärker ausgeprägt waren als heute? Ist es die Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Dinge einfacher waren – für dich?

Die Monarchie ist nicht mehr existent, ihre Mitglieder sind institutionell machtlos, und die Queen ist jetzt tot. Die Welt hat das, was die Monarchie uns gegeben hat, hinter sich gelassen, oder besser gesagt, was die Monarchie uns genommen hat. Diana ist tot, Meghan macht Podcasts in Palo Alto, und ich soll traurig sein, dass die Queen gestorben ist? Ich passe. Spar dir deine Tränen für etwas, das wirklich wichtig ist.

Autorin ist Scaachi Koul. Der Artikel erschien am 09. September 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Friederike Hilz.

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