1. BuzzFeed
  2. News
  3. Rassismus & Rechtspopulismus

Rassistische Hetze gegen Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern wächst – „wie 2016“

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Robert Wagner

Kommentare

Ein Teilnehmer des Bürgerdialogs in Loitz am 26. Januar.
Ein Teilnehmer des Bürgerdialogs in Loitz am 26. Januar. Der NDR spricht von einer „aufgebrachten Stimmung“, die in der Gesprächsrunde herrschte. © Screenshot/NDR

Laut Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern „steigert die rechtsextreme Szene“ ihre Hetze gegen Geflüchtete.

In Mecklenburg-Vorpommern kam es zu zwei Vorfällen im Zusammenhang mit den Unterkünften für Geflüchtete, an denen Rechtsextremisten beteiligt waren. In Loitz lud der Landkreis Vorpommern-Greifswald am 25. Januar 2023 zu einem Bürgerdialog ein, der rege besucht wurde. Gegenstand des Gesprächs war die Nutzung einer ehemaligen Grundschule im Ort als Gemeinschaftsunterkunft, die für viel Unmut sorgt. Es entwicklete sich eine hitzige Diskussion in „aufgebrachter Stimmung“, wie der NDR berichtet. Unter den rund 200 Teilnehmenden waren offenbar viele Angehörige der rechtsextremen und Querdenker-Szene.

In Grevesmühlen im Westen des Bundeslandes kam es einen Tag später zu tumultartigen Szenen vor dem Sitzungsgebäude des Kreistags von Nordwestmecklenburg, als aus einer Demonstration heraus Versuche unternommen wurden, in das Kreistagsgebäude einzudringen. Die Polizei war mit massiven Kräften im Einsatz und machte „eine auffallend hohe Anzahl an Rechtsextremen, Neonazis, Reichsbürgern und Fußball-Hooligans“ unter den Teilnehmenden aus, wie die Bild einen Polizeisprecher zitiert.

Mehr zu Reichsbürger:innen: Die machten kürzlich Schlagzeilen, weil sie einen Putschversuch geplant hatten.

Innenministerium bestätigt Steigerung der rechtsextremen Hetze

Auf Anfrage von BuzzFeed News DE teilt das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern mit, dass für die Demonstration in Grevesmühlen, die beinahe zu einer Erstürmung des Kreistags ausgeartet wäre, „über Kanäle in den sozialen Medien (...) mobilisiert wurde“. Es bestätigt, dass Rechtsextremisten unter den Demonstrationsteilnehmer:innen gewesen sind. Auch am Bürgerdialog in Loitz nahmen laut Ministerium Personen teil, „die den Phänomenbereichen Rechtsextremismus, Reichsbürger oder Delegitimierer zuzuordnen sind.“

Eine Sprecherin des Innenministeriums schreibt uns: „Mit der steigenden Zahl an Asylsuchenden beziehungsweise Flüchtlingen, die insbesondere Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit offen sichtbar wird, steigert die rechtsextremistische Szene, wie auch in den Jahren 2015 und 2016, ihre rassistisch motivierte Agitation gegen Zuwanderung.“ (Agitation: aggressive Tätigkeit zur Beeinflussung anderer, vor allem in politischer Hinsicht, Hetze). Eine generelle Zunahme fremdenfeindlicher Straftaten für Mecklenburg-Vorpommern könne jedoch nicht festgestellt werden.

Solche rechtsextremen Aktionen seien immer verbunden mit der Hoffnung, „ihre Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft zu erhöhen. Sie missbrauchen jedoch Sorgen und Ängste der Zivilbevölkerung für ihre Zwecke und bieten vermeintliche Lösungswege an, die allerdings mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind“, sagt die Sprecherin. Sie betont, dass auch Personen aus dem Reichsbürgermilieu solche fremdenfeindlichen Themen aufgriffen.

Loitz: „So einen Bürgerdialog habe ich noch nie erlebt“

Dem Bürgerdialog in Loitz vorangegangen war ein offener Brief an Stadt und Landkreis, in dem wegen der 33 Syrer, die in der ehemaligen Grundschule untergebracht sind, verschärfte Sicherheitsmaßnahmen gefordert werden. Sie drohen laut NDR mit Selbstjustiz, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. In der Gesprächsrunde selbst trugen mehrere Personen dann Kleidung mit den Symbolen rechtsextremer Gruppierungen.

Die Kreisverwaltung findet die im offenen Brief erhobenen Vorwürfe, zum Beispiel den, dass es an Sicherheit mangle, „nicht nachvollziehbar“, wie der NDR berichtet. Es habe in Loitz bisher keine bedenklichen Vorfälle gegeben, die besondere Sicherheitsmaßnahmen erforderlich machen würden. Offenbar waren manche Teilnehmenden nicht an einer Diskussion mit dem Kreistag interessiert, wie der NDR-Reporter Matthes Klemme berichtet.

Ein kleiner, aber sehr lauter Teil der Teilnehmenden habe gezielt provozieren wollen. „Einige wollten da sicherlich nur ihre Botschaft äußern, die manchmal nicht ganz so schmackhaft war“, sagte Klemme dem NDR. Neben Querdenkern seien auch knallharte Neonazis der „Arischen Bruderschaft“ zugegen gewesen. „So einen Bürgerdialog habe ich noch nie erlebt“, kommentiert Klemme den Abend.

Gute Nachrichten: Die Mehrheit der geflüchteten Ukrainer:innen fühlt sich trotz solcher Bürgerdialoge wohl.

Grevesmühlen: Erstürmung des Kreistages „in allerletzter Sekunde“ verhindert

Anlass für die angemeldete Demonstration war der geplante Bau einer Geflüchtetenunterkunft in dem kleinen Dorf Upahl, über den der Kreistag an diesem Abend abstimmte. Brenzlig wurde die Lage, als ein Demonstrant sich Zugang zu dem Gebäude verschaffen konnte, woraufhin weitere Personen versuchten in das Sitzungsgebäude einzudringen. Die rund 120 Polizeibeamt:innen konnten eine Erstürmung des Kreistags verhindern, es wurden laut NDR mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet.

„Wir haben uns in allerletzter Sekunde dazwischengeschoben, sonst hätten die Demonstranten das Gebäude gestürmt“, sagte ein Polizeisprecher der Bild. Eine NDR-Reporterin, die zu diesem Zeitpunkt im Gebäude war, nannte die Situation „bedrohlich“ und sprach von einem „abgekarteten Spiel“. Der Kreistag stimmte schließlich dennoch der Errichtung der Geflüchtetenunterkunft in Upahl zu, gegen die es bereits zuvor Proteste gegeben hatte.

Mehr zum Thema: Auch beim Sturm auf den Kongress in Brasilien waren rechte Personen beteiligt – sie akzeptieren den neuen Präsidenten Lula nicht.

Auch interessant

Kommentare