Ärztin in den USA kämpft gegen Rassismus in der Medizin und verliert ihren Job

Um ihrer Universität systemischen Rassismus vorzuwerfen, setzen eine Schwarze Ärztin und ihre Student:innen in New Orleans sogar ihre Karriere aufs Spiel.
Nach Hurrikan Katrina schrieb Princess Dennar Geschichte als die erste Schwarze Frau, die ein Assistenzarztprogramm an der Tulane University (New Orleans) leitete. Im Jahr 2020 dann schon wieder, dieses Mal, indem sie die Universität wegen Diskriminierung aufgrund von „Race und Geschlecht“ verklagte. Ihre weißen, männlichen Chefs hätten ihre Führung jahrelang „zerrüttet“ und „aktiv untergraben“, „um sie zur Kündigung zu zwingen“, so die Ärztin. Darunter hätten vor allem ihre jungen, Schwarzen Schülerinnen gelitten.
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Rassismus ist tief in der Gesellschaft verankert
Als Demonstrant:innen nach dem Mord von George Floyd Gerechtigkeit verlangten, als in Städten die Statuen von Konföderierten gestürzt wurden, als Gesundheitsämter wie PEW zugaben, dass Rassismus tötet, hoffte Dennar, dass sie eine der ältesten medizinischen Hochschulen im tiefen Süden der USA dazu zwingen könnte, sich mit ihrer dunklen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Und vielleicht könnte sie darauf aufmerksam machen, dass ein Großteil der Leute, die Ärzt:innen behandeln, nicht in ihrem Berufsstand repräsentiert sind. Laut der Association of American Medical Colleges (AAMC) sind etwa fünf Prozent aller Ärzt:innen und 3,6 Prozent der Mitglieder der medizinischen Fakultäten im ganzen Land Schwarz. Im Vergleich zu 13 Prozent aller US-Amerikaner und 60 Prozent aller Bewohner von New Orleans.
Indem sie mit ihren gemeinsamen Erfahrungen an die Öffentlichkeit gehen, testeten Dennar und ihre Schüler:innen, ob die USA mit Rassismus wirklich abgerechnet haben. Sie lernten aus erster Hand, wie schwer es ist, institutionellen Rassismus zu beweisen und wie viel schwerer es ist, ihn zu beseitigen – denn er ist fest in der Gesellschaft verankert. Immer wieder gibt es in den USA auch Waffengewalt, so wie hier, als ein US-Polizist einen Schwarzen Mann erschoss, während er auf ihm kniete.
„Wenn Diskriminierung passiert, ist es meistens nicht so, dass jemand ein bestimmtes Wort sagt“, erklärt Ruqaiijah Yearby, eine Rechtsexpertin an der Saint Louis University, die sich mit Ungleichheiten im Gesundheitssystem aufgrund von Rassismus beschäftigt. „Es geht um die Macht, Leute in eine weniger gerechte Situation drängen zu können.“
Das ist rassistisch: Algorithmus schließt Schwarze Schüler:innen aus
Laut Dennar untergrub ihr Chef Jeffrey Wiese ihre Autorität, indem er die Stundenpläne ihrer Schüler:innen kontrollierte und drohte, ihr Assistenzarztprogramm zu verkleinern. Gleichzeitig verlangte er, dass ein Algorithmus verwendet wird, der Bewerber:innen von Schulen, mit einem historisch großen Anteil an Schwarzen Schüler:innen, ausschließt. Außerdem beschuldigte sie den Dekan Lee Hamm, dass er sie nicht vor der angeblichen Diskriminierung beschützt, unangebrachte Kommentare über ihre Race gemacht und sich für ihre Beschwerden gerächt hätte.
Sieben ihrer Schwarzen Assistenzärzt:innen, die den Spitznamen „die Tulane Seven“ tragen, berichteten der Universität, dass Wiese sie mit schwierigen Schichten überlastete und ihnen nicht dieselben Möglichkeiten zugestand, wie den weißen Assistenzärzt:innen. Eine der sieben reichte selbst eine Klage wegen rassistischer Diskriminierung ein, ebenso wie eine dritte Schwarze Frau.
In Deutschland werden ukrainische Geflüchtete bevorzugt, denn sie dürfen in einem Wohnheim wohnen, während farbige Flüchtlinge aus Afghanistan ausziehen müssen.
Universität Tulane nun wegen Diskriminierung auf Bewährung
Beunruhigt aufgrund der „ernst zu nehmenden Anschuldigungen des Rassismus und der Diskriminierung“ ist die Universität Tulane nun auf Bewährung – was die Ausbildungszulassung gefährdet. Eine Umfrage auf dem Campus ergab, dass viele andere die Vorstände der Universität für abgeschottet von „der Realität von Ungleichheiten aufgrund von Race und Geschlecht“, halten und dass sie dazu neigen würden, die Opfer von Belästigung und Rassismus zu bestrafen. Eine virale Social Media Kampagne sorgte dafür, dass Bewerber:innen die Universität boykottierten. All das machte den Schwarzen Frauen Hoffnung, dass Veränderungen anstehen könnten. Jetzt liegt es an Tulane, wie es weitergeht.

Wiese (52) und Hamm (69) (siehe oben) antworteten nicht auf mehrfache Bitten um eine Stellungnahme für diese Geschichte. Sie beruht auf Interviews mit mehr als einem Dutzend ehemaligen Bewohner:innen und sechs derzeitigen und ehemaligen Mitgliedern des Lehrkörpers sowie auf mehr als 1.000 Seiten Gerichtsakten, E-Mails und internen Dokumenten. In einer Gerichtsakte bestritt Wiese, dass er jemals jemanden aufgrund seiner Hautfarbe oder seines Geschlechts diskriminiert habe.
Als das Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung läuft, wird Dennar entlassen
„Wir sind uns bewusst, dass die medizinische Fakultät in Tulane noch viel Arbeit vor sich hat, um eine wirklich einladende, gerechte, diverse und inklusive akademische und klinische Gemeinschaft zu werden“, sagte der Pressesprecher der Universität, Michael Strecker. Zu den einzelnen Anklagepunkten könne er keine Aussage treffen. „Wir schätzen jedes Mitglied unserer Gemeinschaft und erkennen die Beiträge aller an, auch die von Schwarzen Ärztinnen, die die Qualität unserer medizinischen Ausbildung und Betreuung verbessern.“
Im Februar 2021, als das Gerichtsverfahren immer noch in der Schwebe war, entließ die Universität Dennar, die 46 Jahr alt ist, vom Direktorenposten, der einst ihr Traumjob war. Obwohl sie zurückgestuft worden war, erzählte sie mir im Oktober, als wir durch das French Quarter spazierten, dass sie immer noch eine Kraft des Guten sein könne. „Warum bleibe ich da? Weil ich glaube, dass es noch etwas zu tun gibt.“ Zwei Monate später verließ sie die Universität endgültig.
Jeffrey Wiese half dem Gesundheitswesen in New Orleans wieder auf die Füße

In dem Chaos und der Angst, die Hurrikan Katrina im Jahr 2005 in New Orleans hinterließ, schien die fragile Infrastruktur des Gesundheitswesens in New Orleans irreparabel. Während die Universität mit Schäden in Höhe von fast einer Milliarde Dollar zu kämpfen hatte, musste sie zusehen, wie ein Drittel der medizinischen Fakultät Tulane verließ – Teil einer stadtweiten Abwanderung von Ärzt:innen. Das Charity-Hospital Charity Hospital, ein öffentliches Krankenhaus, in dem sich jahrhundertelang um Leute, die in Armut und ohne Versicherung leben, gekümmert wurde, war vom Sturm zerstört worden. Die Medizinstudent:innen Tulane‘s mussten ihre Ausbildung an einem anderen Ort fortsetzen, eventuell sogar dauerhaft.
Wiese, der zu diesem Zeitpunkt dem Assistenzarztprogramm für innere Medizin vorstand, stieg mit einer Mission in seinen Chevy Silverado: Im Herbst 2005 machte er sich auf eine knapp 60.000 Kilometer lange Reise und besuchte alle 105 Schüler:innen persönlich, um sie davon zu überzeugen, an die Universität zurückzukehren. „Ich wollte ihnen in die Augen schauen können und sagen ‚ich glaube immer noch an euch‘“, erzählt er der Times-Picayune. Fünf Jahre zuvor wurde er Teil der Fakultät, gerade fertig mit dem Studium an der University of California, University of San Francisco und der „John Hopkins University“, weil er, wie er sagt, den Unterdrückten in New Orleans helfen wollte.
Bis auf fünf, kehrten alle seiner Schüler:innen zurück und die Universität erfuhr einen Aufschwung, an dem Wiese laut Tulane Medicine maßgeblich beteiligt war. Es gab wieder mehr Bewerbungen, die Ränge der Fakultät füllten sich und neue Hausärzt:innen eröffneten in der ganzen Stadt Praxen.
Arzt Jeffrey Wiese, der Mann mit den Cowboystiefeln
Wiese wurde Senior Associate Dekan der medizinischen Hochschule, was bedeutet, dass er alle Assistenzarztprogramme an der Universität betreut und dem „Accreditation Council for Graduate Medical Education“ (ACGME) untersteht. Diese private Non-Profit-Organisation bevollmächtigt Universitäten und Krankenhäuser zur Ausbildung von Medizinstudent:innen nach dem Studium. Dank ihm erhielt die Universität Subventionen in Höhe von mehr als 40 Millionen Dollar (37,3 Millionen Euro).
Außerdem wurde Wiese mehr als 50 Mal für seine Lehrtätigkeit ausgezeichnet, unter anderem, laut seines Lebenslaufes, sechs Mal an der Universität von Tulane. Auf dem Campus ist er eine unverkennbare Figur: ein Mann mit Cowboystiefeln, ursprünglich aus Oklahoma, der früher College Football spielte und sich selbst „Coach“ und seine Assistenzärzt:innen sein „Team“ nennt; ein im ganzen Land anerkannter Lehrer, dessen Empfehlungsschreiben die ein oder andere Tür öffnen können.
„Er ist einer dieser sehr charismatischen Anführer, der Leute anzieht“, sagte eine frühere Assistenzärztin der inneren Medizin, eine südasiatische Frau. „Er schien gerne bei uns zu sein und uns kennenlernen zu wollen. Er interessierte sich persönlich für uns alle.“
Wer ist die Schwarze Ärztin Princess Dennar?

Dennar kam 2008 an die Tulane University. Sie wurde in Brooklyn geboren, ihre Mutter war Nigerianerin, ihr Vater Afroamerikaner; sie war die Jüngste von vier Kindern und das einzige Mädchen, deshalb der Name Princess. In den 1970ern arbeitete ihr Vater bei einem internationalen Kulturfestival in Lagos, was bedeutet, dass die Familie zwischen Nigeria, den USA und Großbritannien unterwegs war, bevor sie sich schließlich im Südwesten von Philadelphia niederließ. Sie waren nicht auf der Flucht, erlebten aber immer wieder andere Kulturen. Momentan versuchen viele afrikanische Studierende verzweifelt, aus der Ukraine zu fliehen – die Schwarze Community hilft.
Eines Tages, als Dennar ungefähr sieben Jahre alt war, wurde vor ihrem Haus ein Junge auf einem Fahrrad von einem Auto angefahren. Bevor der Rettungsdienst ankam, beschloss sie, Ärztin zu werden. Zu ihrer Überraschung würde das nicht jeder verstehen. Die meisten nicht-weißen Menschen werden mindestens einmal in ihrem Leben rassistisch diskriminiert, wie der Marvel-Regisseur, der für einen Bankräuber gehalten und verhaftet wird. Als Dennar im ersten Jahr Medizin am „Haverford College“ studierte, sagte ihr ein:e Berater:in, sie solle erwägen, Krankenschwester zu werden. Ein:e andere:r Berater:in an der heutigen Drexel University empfahl ihr, das komplette Semester auszusetzen, nachdem sie eine Drei in einem Test gehabt hatte.
Es gibt immer diese Frage: ‚Willst du wirklich Ärztin werden?‘
Nach Hurrikan Katrina kommt Princess Dennar nach New Orleans
Während ihrer Zeit als Assistenzärztin in Newark, New Jersey, traten ihre Zweifel in den Hintergrund. Zum ersten Mal waren ihre Vorgesetzten ebenfalls Schwarz und Vorbilder, die sich selbst in ihr wiedersahen. Mithilfe ihrer Unterstützung spezialisierte sich Dennar nicht nur auf ein, sondern auf zwei Fachgebieten, innere Medizin und Pädiatrie, eine Kombination bekannt als „med-peds“. So könne sie Menschen „vom Bauch bis zum Grab“ helfen, wie sie sagt.
Am Ende ihrer Ausbildung waren die Bewohner:innen New Orleans‘ nach Hurrikan Katrina im ganzen Land verteilt. Einige kamen als Patient:innen in Dennars Praxis in Philadelphia und erzählten, wie dringend ihre Heimatstadt gute Ärzt:innnen benötige. Ein ähnliches Problem gibt es in Deutschland vor allem beim Nachwuchs. Hier verlieren immer mehr junge Ärzt:innen die Lust am Job. Als Dennar und ihr Mann, ebenfalls Arzt, sich entschlossen, in New Orleans nach Arbeit zu suchen, wollten sie eigentlich nur ein Jahr bleiben. Aber als Tulane die Direktoren-Stelle des "med-peds"-Programms ausschrieb, änderten sie ihren Plan.
Princess Dennar wird zuerst nur Co-Direktorin der Universität Tulane
Im August 2008 betrat Dennar das Büro von Lee Hamm für ihr Bewerbungsgespräch, das, wie sie erzählt, ein Ausblick für die nächsten mehr als zehn Jahre war. Hamm, ein Nierenspezialist, der in Alabama und Texas gelernt hatte, war zu diesem Zeitpunkt seit 16 Jahren Professor und seit drei Jahren Inhaber des Lehrstuhls für Medizin. Innerhalb der nächsten fünf Jahre würde er Dekan werden.
Laut Dennars Anklage sagte Hamm zu ihr „Ich glaube, dass weiße Medizinstudent:innen ein Programm mit einer Schwarzen Direktorin leider nicht auswählen oder gut bewerten würden. Wir wären dazu bereit, Ihnen eine Position als Co-Direktorin anzubieten“, mit Tracy Conrad, dem scheidenden weißen männlichen Direktor. Hamm von der Universität Tulane bestreitet, diese Aussagen je getroffen zu haben. Dennar erinnert sich, wie geschockt sie war und dass sie nur noch stammelte, dass sie dafür sorgen könne, dass mehr Student:innen ihre Prüfungen bestehen würde. Auf dem Weg nach Hause weinte sie.
Princess Dennar hat es von Anfang an schwer
Dennoch konnte sie das Angebot nicht ausschlagen. Es war ihre Chance, die Führungskraft zu werden, die sie sich selbst immer gewünscht hatte, eine Mentorin für eine neue und vielfältigere Ärztegeneration.
Es hätte mehr als ein Jahr gedauert, bevor sie alleinige Direktorin wurde, obwohl sie stets alles gegeben habe, sagt sie. (Conrad starb 2014). Aber der Machtkampf hatte gerade erst begonnen. Weil die „med-peds“ Assistenzärzt:innen ihre Zeit zwischen zwei Fachgebieten aufteilen mussten, wusste Dennar, dass sie mit den eigenständigen Programmen der inneren Medizin und der Pädiatrie zusammenarbeiten musste. Gleichzeitig musste sie sicherstellen, dass die individuellen Bedürfnisse und Ziele ihrer Auszubildenden nicht zu kurz kamen. Wiese war als Direktor des Programmes der inneren Medizin ein wichtiger Partner. Außerdem war er als Inhaber des Lehrstuhls Dennars Vorgesetzter.
Kurz nachdem Dennar die volle Kontrolle über das „med-peds“ Programm übernahm, forderte Wiese laut ihrer Anklage von allen Direktor:innen, ein von ihm entwickeltes Bewertungssystem, „Atlas“, zu verwenden, um Bewerber:innen in Punkten wie Testergebnisse, Klassenranking und der vermeintlichen Qualität ihrer medizinischen Hochschule zu bewerten.
Jeffrey Wieses „Atlas“-Programm bewertet historisch Schwarze Hochschulen schlechter
Laut einer „Atlas“-Tabelle von 2015, die ich einsehen konnte, war auf einer Liste mit 151 Hochschulen, Meharry Medical College auf Platz 104 die am höchsten eingestufte, historisch Schwarze medizinische Universität, gefolgt von Morehouse School of Medicine und Howard University College auf Platz 120 und 121. Jede:r Bewerber:in von einer Schule in den Hundertern hat laut den Formeln der Tabelle nur aus diesem Grund einen statistischen Nachteil.
Wiese hält „Atlas“ für ein „objektives“ Selektions-Werkzeug, wie aus einer im Prozess zitierten E-Mail hervorging. Dennar fand es diskriminierend. „Ich habe früh gelernt, dass ich sehr aufpassen musste, wie ich mit Wiese umging“, erzählt sie mir später.
„Jahrzehntelang verschwiegen“: 90 Prozent der Bevölkerung sieht Rassismus in Deutschland.
New Orleans hat seit jeher ein Problem mit Rassismus
In den 300 Jahren, die seit New Orleans Zeit als französischer Außenposten vergingen, sorgten eine rassistische Politik, rassistische wissenschaftliche Überzeugungen und Gesundheitssysteme für große gesundheitliche Ungleichheiten in der Stadt. Beamt:innen des öffentlichen Gesundheitswesens machten laut einer Studie des „Georgia College and State University“ einst die kriminelle Art nicht-weißer Menschen für das Gelbfieber und Tuberkulose verantwortlich. Wohngebiete, die vor allem von Schwarzen Leuten bewohnt waren, wurden in schlecht entwässerten Gegenden und auf giftigen Deponien gebaut, zeigt ein Paper aus dem Journal of Historical Geography und ein Artikel der The Times-Picayun. Auch Jahre, nach dem die Segregation aufgehoben worden war, wiesen Krankenhäuser in Louisiana immer noch Schwarze Patient:innen ab, zeigt das Paper „Professional and Hospital DISCRIMINATION and the US Court of Appeals Fourth Circuit 1956–1967“.
Das Medical College of Louisiana, gegründet im Jahr 1834 und finanziert durch Sklaverei, trug dazu bei, dass diese Ungerechtigkeiten immer mehr wurden, zeigt ein Paper der Georgetown University. Teil der Fakultät war unter anderem Rudolph Matas, ein Chirurg, nachdem auch die medizinische Bücherei der Universität benannt ist und ein heftiger Gegner von jeglicher Art von Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Hautfarben. Im Jahr 1884 wurde die öffentliche Universität, zu der die medizinische Hochschule gehörte, als die private Tulane University anerkannt, wodurch ein Wunsch des Einzelhandels-Tycoons Paul Tulane erfüllt wurde, der die „intellektuelle, moralische und industrielle Bildung der jungen weißen Leute in New Orleans“ fördern wollte.
Der Pädagoge Abraham Flexner veröffentlichte 1910 Vorschläge für eine standardisierte Ausbildung von Ärzt:innen und befand dabei, dass der Süden „überfüllt“ mit medizinischen Hochschulen unter der Führung veralteter Ärzte war. Die „Männer der modernen Ausbildung“ an der Tulane University machten sie „eine der wenigen Schulen im Süden“, die es zu retten galt, behauptete er. Aber das unterfinanzierte Flint Medical College, die einzige Schule in New Orleans für Schwarze Ärzt:innen, sei „hoffnungslos“. Fünf der sieben Schwarzen medizinischen Hochschulen im Land schlossen nach Flexners Gutachten, wodurch die Bevölkerung ungefähr 35.000 Schwarze Ärzt:innen beraubt wurde. In Tulane wurde die Segregation erst 1967 aufgehoben, drei Jahre nach dem Civil Rights Act.
Dreadlocks und kulturelle Aneignung: Natürlich dürft ihr sie tragen, aber nennt sie bitte nicht so!
Rassismus in der Medizin kann für Schwarze Menschen tödlich sein
Schaut man hinter den Vorhang von New Orleans‘ Charmes, scharfe Meeresfrüchte, Jazz, feuchtfröhliche Nächte mit Mardi Gras, dann werden die Konsequenzen der Geschichte der Stadt deutlich. Heutzutage sterben laut dem New Orleans Health Department Schwarze Bewohner sehr viel öfter an Diabetes, Krebs und Herz- und Nierenkrankheiten, als ihre weißen Nachbarn. Auch in Deutschland gibt es ein Rassismusproblem in der Medizin. Nicht-weiße Menschen bekommen oft nicht die gleiche Behandlung wie weiße Deutsche, was schnell gefährlich werden kann. Die Einwohner New Orleans‘ sind zu 60 Prozent Schwarz und zu 35 Prozent weiß, aber drei Monate nach Beginn der Pandemie machten Schwarze Menschen laut Nola 77 Prozent der Corona-Toten aus und weiße Menschen weniger als 20 Prozent. Hier findest du Prognosen zur aktuellen Pandemielage.
Frühere Assistenzärzt:innen erzählen, dass sie an die Tulane University gekommen seien, um gegen diese Ungerechtigkeiten zu kämpfen, was auch Dennar immer an erste Stelle stellte. Sie glaubte fest daran, dass Ärzt:innen sich in jeder Hinsicht um ihre Gemeinschaft kümmern sollten, weshalb sie ihre Schüler:innen ehrenamtlich in Obdachlosenheimen helfen und bei Gesundheitsmessen in Supermärkten Kund:innen informieren ließ.
Kaum People of Colour in den Abschlussklassen der medizinischen Hochschule
Als Ocheowelle Okeke nach ihrem Abschluss an der medizinischen Hochschule in Mississippi begann, nach einem Assistenzarztprogramm zu suchen, hinterließ Dennar einen bleibenden Eindruck. Okeke, die mittlerweile Mitte 30-jährige nigerianische Amerikanerin, die ursprünglich aus Mississippi kommt, erinnert sich, dass sie dachte „das ist eine sehr starke und intelligente, nicht nur nigerianische Frau, sondern auch eine herausragende Lehrmeisterin.“ Tulane war deswegen ihre Nummer eins während des jährlichen „Match“, bei dem Bewerber:innen ihre persönlichen Top-Programme ranken und, wenn alles gut läuft, einem davon zugewiesen werden.
Hier sind 27 Schwarze Charaktere in Serien, die Leuten das Gefühl geben, gesehen zu werden.
Alle sechs Assistenzärztinnen im „med-peds“ Programm, die ihren Abschluss 2018 machten, waren Women of Colour, das erste Mal, dass dies an der medizinischen Hochschule der Fall war. Vier davon, darunter Okeke, waren Schwarz. Im Gegensatz dazu waren laut Daten, die Tulane im Prozess zur Verfügung stellte, keine der Absolvent:innen 2018 der Pädiatrie und innere Medizin Programme Schwarz. Sechs Assistenzärzt:innen in der Pädiatrie waren weiß und zwei asiatisch. Auch asiatische Menschen erleben Rassismus: Dieser TikToker macht auf Klischees gegen Asiaten mit lustigen Videos aufmerksam. In der inneren Medizin waren 26 der 29 Schüler:innen weiß.
Viele Student:innen werden rassistisch oder sexistisch diskriminiert
Das sogenannte „Residency-Program“ ist oft eine schreckliche Erfahrung, sagen Kritiker laut statnews. Junge Ärzt:innen werden immer wieder überlastet, verdienen im Durchschnitt 64.000 Dollar (ca. 59.600 Euro) im Jahr und haben kaum Verhandlungsmöglichkeiten, berichtete das AMA Journal of Ethics. Auch in Deutschland ist die Zeit als Assistenzärzt:in sehr belastend, sodass ein Drittel aller angehenden Mediziner:innen schon zu Beginn ihrer Laufbahn die Lust an der Arbeit verlieren. Aber besonders für Frauen und People of Colour (PoC) kann diese wichtige Lernphase, bevor sie unabhängige, zertifizierte Ärzt:innen werden, hart sein. Eine Studie unter fast 7.700 Assistenzärzt:innen in der Notfallmedizin in den USA ergab, dass 60 Prozent der Frauen aufgrund ihres Geschlechts und 35 Prozent der nicht-weißen Teilnehmer:innen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert worden waren. In einem Artikel beschrieben Schwarze, lateinamerikanische und indigene Assistenzärzt:innen 2018 Erlebnisse mit Patient:innen, die sie für Hausmeister:innen hielten, und Kolleg:innen, die ihre Haare anfassten und sie Diversity-Probleme beheben ließen.
Als Kind, das es liebte, so zu tun, als ob sie ihre Freund:innen behandeln würde, schaute Okeke zu Onkeln auf, die Ärzte waren und nahm an, dass sie das eines Tages auch werden könne. Aber Schwarze Patient:innen in Tulane waren oft überrascht, wenn sie ins Zimmer kam, was sie wiederum ebenso überraschte. „Ernsthaft, wir sind im Herzen von New Orleans, wo die meisten Patient:innen aussehen wie ich“, sagt sie. „Warum gibt es kaum Ärzt:innen, die aussehen wie ich?“
Hohe Kinder- und Müttersterblichkeit, niedrige Lebenserwartung
In den USA ist, laut dem US Department of Health, die Kindersterblichkeit bei Schwarzen Babys und die Müttersterblichkeit bei Schwarzen Frauen am höchsten. Schwarze Männer haben laut dem National Center for Health Statistics die geringste Lebenserwartung. Schwarze Patient:innen erhalten eher eine Krebsdiagnose in einem späteren Stadium und es ist weniger wahrscheinlich, dass sie eine nötige Schmerzbehandlung erhalten oder an eine:n Spezialist:in überwiesen werden. Bei Bemühungen, diese Ungleichheiten zu überwinden, gelten Schwarze Ärzt:innen und Pflegekräfte als entscheidend. Untersuchungen zeigen, dass eine vielfältige Belegschaft der Schlüssel zur Verbesserung der Kommunikation mit Patient:innen ist und dass Schwarze Männer eher medizinische Vorsorge erhalten und Schwarze Babys eher überleben, wenn sie von einer Schwarzen Ärztin oder einem Schwarzen Arzt behandelt werden.
Aber sich um Patient:innen der gleichen Race zu kümmern kann eine einsame Bürde sein. „Vielleicht kommt es so rüber, dass einige Leute in deinem Team diese Patient:innen nicht als ganze Menschen sehen“, sagt Damon Tweedy, ein Associate Professor der Psychiatrie an der Duke University School of Medicine und Autor von „Black Man in a White Coat: A Doctor‘s Reflection on Race and Medicine“. „Wie gehe ich damit um, wenn mein:e Vorgesetze:r Dinge sagt, die ich für problematisch halte, aber ich bin jünger und versuche mich nach oben zu arbeiten?“
Rassismus ist an der Universität Alltag
Okeke erzählt, dass sie sich von einigen Kolleg:innen ausgeschlossen gefühlt habe. Ein weißer Vorgesetzter habe Fragen gestellt, wie „Wer von uns bekommt am wahrscheinlichsten Sarkoidose?“, eine Krankheit, unter der unverhältnismäßig viele Afro-Amerikaner:innen leiden, und hätte dann in einem Raum voller Auszubildender auf sie gezeigt: „Das bist du.“ Das gleiche sei bei Patient:innen mit Sichelzellenanämie passiert. „So lange die Krankheit vor allem bei Afroamerikaner:innen vorkam, pickte er immer mich heraus und sagte ‚Du bekommst das.‘“ (Okeke nannte den Namen des Arztes nicht. Eine andere „med-peds“ Assistenzärztin erinnert sich, dass Okeke ihr von diesen Vorfällen erzählt hatte.)
Melissa Watts, eine weitere Klassenkameradin, erinnert sich an einen Arzt der inneren Medizin, der sich sicher war, dass er zwei Wochen vorher bereits mit ihr gearbeitet hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass er sie mit einer anderen Schwarzen Assistenzärztin verwechselte. „Ihr könnt Michael von Bill und Sean unterscheiden, ernsthaft“, sagt Watts.
Sie und andere Schwarze Frauen sind sich sicher, dass ihre weißen Kolleg:innen sie anders behandelten und versuchten dies zum Teil zu beweisen, indem sie die Ungleichheiten in ihren Schichtplänen ermittelten. Aber systemischen Rassismus in Kalendern zu finden würde schwerer sein, als sie erwarteten.

Schwarze Assistenzärzt:innen wurden bei der Schichtplanung benachteiligt
Wie die Frauen erzählen, fingen die Probleme jeden Frühling mit dem Meeting zur Schichtplanung der Abteilung für innere Medizin an, bei dem die Assistenzärzt:innen abwechselnd ihre Wunschschichten und Urlaubstage aussuchten. Die Stationsärzt:innen machten laut der Aussage eines früheren Leiters und laut Interviews mit anderen Teilnehmer:innen dieser Meetings auf einem Whiteboard Notizen. Mit gedrückten Daumen warteten die Auszubildenden darauf, dass die Pläne verschickt wurden.
Zermürbende Schichten in den Belegabteilungen der Krankenhäuser, vor allem nachts, und auf der Intensivstation bedeuteten, dass das Privatleben über Wochen vorbei war. Aber heiß begehrte Wahlkurse in Teilbereichen wie Kardiologie oder Infektiologie rundeten das Training am Ende ab und, am allerbesten, sorgten für freie Nächte und Wochenenden, an denen man für das alles entscheidende Examen lernen konnte. All diese Wünsche mussten mit den Bedürfnissen von den Krankenhäuser, die mit Tulane zusammenarbeiteten, koordiniert werden.
Für „med-peds“-Assistenzärzt:innen war die Planung besonders kompliziert, da sie sowohl den Anforderungen der inneren Medizin, als auch denen der Pädiatrie gerecht werden mussten, ein Puzzle, bei dem sie sich kaum Fehler erlauben durften, wenn sie in vier Jahren fertig werden wollten.
Wer macht die Dienstpläne?
Wie die Dienstpläne schlussendlich gemacht wurden, war für einige unklar und sorgte für Empörung. Die „Tulane Seven“, die ihre Ausbildung von 2014 bis 2020 absolvierten, behaupteten, dass Jeffrey Wiese ihnen selbst „schwierigere und intensivere“ Krankenhauspläne mit „übermäßig vielen Schichten in Stationen mit hohem Serviceanspruch“ zugeteilt oder andere dazu angewiesen hätte.
Wiese und die Universität behaupten weiterhin, dass Assistenzärzt:innen aus allen Programmen gleichermaßen auf anspruchsvolle Stationen eingeteilt würden, auch wenn ihre Dienstpläne nicht identisch seien. Wiese sagte, dass andere, nämlich die Stationsärzt:innen, die Pläne machten und mit Dennar korrespondieren würden. „Ich hatte nichts mit individuellen Schichtplänen zu tun“, so Wiese in seiner Aussage.
Seine einzige Aufgabe hier sei, die Pläne jährlich „aus finanzieller Sicht zu überprüfen.“ Beim Planen müssten, sagt Wiese, die Bedürfnisse der Krankenhäuser an erster Stelle stehen. „Den Krankenhäusern, die für diese Positionen zahlen, gehören die Positionen“, schreibt er in einer E-Mail. „Die Universität hat lediglich die Verantwortung dafür, wie diese verteilt werden.“
Systematische Benachteiligung Schwarzer Assistenz:ärztinnen
In Interviews und Aussagen vor Gericht erinnert sich Dennar, dass Wiese an der Erstellung der Dienstpläne beteiligt gewesen sei. Jedes Mal, wenn sie beide sich bei einem Plan einig gewesen seien, sagt sie, hätte er einen anderen verschickt, wobei sie die E-Mail nicht erhalten hätte. Danach hätte er sich geweigert, jegliche Änderungen, um die sie bat, vorzunehmen. In einer weiteren Aussage erzählte ein:e medizinische:r Verwaltungsangestellte:r, dass Wiese und die Chef:innen der einzelnen Abteilungen der Krankenhäuser die Schichtpläne verbessert hätten.
Es hätte so funktionieren sollen, erzählt Dennar mir, wie in der Pädiatrie: Sie habe die Pläne an Direktor:in und Chef:innen geschickt und gemeinsam hätten sie Fehler korrigiert und sie an die Bedürfnisse der Krankenhäuser angepasst, bevor sie die Dienstpläne verschickten. Wieder und wieder wären ihnen Wunschschichten weggenommen worden oder sie wären öfter auf Station gebraucht worden, so sagen die Schwarzen „med-peds“-Assistenzärzt:innen.
Egal, wie oft du für dich selbst eingetreten bist, es ging nie zu deinen Gunsten aus.
Schwarze Assistenzärzt:innen müssen mehr arbeiten
Der ACGME gibt den Institutionen große Entscheidungsfreiheit bei der Erstellung der Schichtpläne. „Med-peds“-Assistenzärzt:innen und ihre Mitstudent:innen der inneren Medizin müssen die gleichen Anforderungen erfüllen, wobei erstere das in zwei Jahren machen, wofür letztere drei Jahre Zeit haben und außerdem zwei Jahre in der Pädiatrie verbringen müssen. Laut Dennar müssen Assistenzärzt:innen der inneren Medizin 45 Wochen auf den Stationen arbeiten.
Die 17 männlichen, weißen Absolventen im Jahr 2018 kamen nah dran, mit einem Durchschnitt von 46,5 Wochen, wie aus einer Analyse von Kalendern hervorgeht, die im Prozess veröffentlicht wurde. Aber die vier Schwarzen „med-peds“ Trainees des Jahrgangs 2018, die laut Dennar etwa 30 Wochen auf den Stationen verbringen sollten, übertrafen diese Vorgabe mit einem Durchschnitt von 41,5 Wochen.
Einige von ihnen sagen, dass diese ungleiche Verteilung der härtesten und längsten Schichten ihnen in anderen Gebieten Zeit geraubt hätte, auch Zeit zum Lernen. Von 2012 bis 2020 betrug die Erfolgsquote der „med-peds“-Assistenzärzt:innen bei der Examensprüfung, laut dem American Board of Internal Medicine, durchschnittlich 82 Prozent. Bei der inneren Medizin betrug sie durchschnittlich 91 Prozent. Dennar erzählt mir, dass Hindernisse für das Bestehen geschaffen werden, wenn Direktor:innen nicht genügend Ressourcen bekommen, um ihre Schüler:innen zu unterstützen. (Die pädiatrische Ärztekammer verweigerte die Veröffentlichung gleichwertiger Daten.)

Schwarze Assistenzärzt:innen bekommen weniger Möglichkeiten
Okeke, Watts und Rachel Clark, eine dritte Schwarze Auszubildende, sagen, dass sie einen vorgeschriebenen „Monat in der Notaufnahme während dem ersten oder zweiten Jahr“ nicht vollständig machen konnten. Sogenannte „ED“ und „ER“-Schichten sind auf ihren Plänen erst in der Mitte ihres letzten Jahres zu finden und keine von ihnen hatte vier Wochen in diesem Teilbereich.
Tulane und Wiese behaupten, dass sie die volle Zeit bekommen hätten, nur teilweise in anders benannten Schichten, in denen es darum ging, Patient:innen der Notaufnahme in andere Teile des Krankenhauses zu verlegen. Aber Dennar und die jetzige Leiterin des Programms für innere Medizin argumentieren, dass das kein echtes Notfalltraining gewesen sei, weil die Ärztinnen dabei zum Beispiel nicht triagieren mussten. Dennar sagt, dass sie Okeke aus Respekt gegenüber Wiese für den Abschluss zertifiziert habe, aber „ich habe Bedenken, dass sie nicht die gleiche bildende Erfahrung wie ihre weißen Kolleg:innen machen konnte“, sagt sie in einer Aussage vor Gericht.
Wiese weigerte sich, Student:innen entgegen zu kommen
Im Frühling 2017 versicherte Dennar ihrem Team, dass jede:r, die/der noch keine vier Wochen in der Notaufnahme hatte, diese im Laufe des letzten Jahres absolvieren könnte. Hinter den Kulissen jedoch habe Wiese zu ihr gesagt, dass die Notaufnahme eine „nutzlose Station“ sei, so Dennar in einer Aussage, und, dass „sie das nicht für ihre Prüfung brauchen.“ Dennar wehrte sich und, nachdem eine Umfrage bestätigte, dass die Trainees in die Notaufnahme wollten, „stimmte [Wiese] zu, dass die Assistenzärzt:innen standardmäßig vier Wochen in der Notaufnahme als Wahlfach bekommen würden“, schrieb sie später in einer E-Mail, in der sie die Diskussion nacherzählte.
Aber als die Pläne herauskamen, war Watts außer sich vor Wut: Sie hatte nur eine Woche in der Notaufnahme.
„Ich bitte darum, dass drei weiter Wochen zu meinem Dienstplan hinzugefügt werden, da es eine Voraussetzung für meinen Abschluss ist und ich das Modul bis jetzt nicht abschließen konnte“, schrieb sie in einer E-Mail an den Chef der inneren Medizin. Sie hatte eine Woche auf der Intensivstation bekommen, aber da sie bereits 16 Wochen dort gearbeitet hatte, war sie an ihrem Limit. Könnte sie stattdessen in die Notaufnahme?
„Ich kann Ihre Bedenken verstehen“, antwortete ihr Vorgesetzter. Aber er müsse Wiese fragen, weil „wir auf ihn angewiesen sind, uns zu helfen, die Anforderungen und Regeln des ACGME zu verstehen.“
Wieses Urteil: „Ich bin mit mehr Zeit einverstanden, aber diese wird von der Zeit für Wahlkurse abgezogen, nicht von der Zeit auf der Intensivstation.“ Daraufhin machte er Dennar klar, dass er genug von ihrem Widerstand habe.
„Sie entwickeln sich zu einem echten Problem“, so Wiese in einer E-Mail an Dennar am 07. Mai 2017. Außerdem schrieb er „Wenn „med-peds“ Assistenzärzt:innen nicht ihren Teil [der Arbeit] beitragen können, müssen wir vielleicht die Programmgröße überdenken.“

„Er hat meine Existenz nie zur Kenntnis genommen“
Am Anfang ihrer Zeit als Assistenzärztin, sagt Okeke, nahm sie eine Gruppe Bewerber:innen mit zu einer Feier in Wieses Villa im Garden District. Nachdem der Gastgeber die Tür öffnete, stellte er sich den Kandidat:innen vor, auch ihr.
„Er hat angefangen, meine Hand zu schütteln“, erzählt Okeke. Da Wiese sie nicht zu erkennen schien, schloss sie daraus, dass er nicht wusste, dass sie zu der Zeit Assistenzärztin war. Sie erinnert sich, dass sie versuchte, die Befangenheit, die sie verspürte, weg zu lachen: „Dr. Wiese, Sie sind so lustig.“
Schwarze „med-peds“-Assistenzärzt:innen hatten meistens einen von zwei Eindrücken von Wiese, wie sieben von ihnen, die über einen Zeitraum von 13 Jahren an der Tulane University studierten, berichten. Einige sagten, dass sie kaum mit ihm interagiert hätten oder, dass Gespräche mit ihm kurz und positiv gewesen wären: Ein:e hatte ihn als „sehr herzlich und freundlich“ in Erinnerung. Aber andere erinnern sich, dass Wiese sie nie beim Namen genannt hätte, sodass es beleidigend gewesen sei. „Er hat meine Existenz nie zur Kenntnis genommen“, sagt Chioma Udemgba, die ihren Abschluss 2020 machte. „Es ist kein großes Ding, aber es sagt viel aus.“
In ihrer Klage zitierte Okeke den Händedruck und andere, ähnliche Vorkommnisse als Beweis dafür, dass Wiese sie aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligte. Wiese bestreitet, dass er sie diskriminiert habe. Tulanes Anwält:in argumentierte, dass „objektiv nichts an diesen Ereignissen diskriminierend“ gewesen wäre.
Princess Dennar ist kein Einzelfall
Nicht-weiße Ärzt:innen verlassen einen Job sehr viel öfter, als weiße Ärzt:innen, wegen Diskriminierung. An akademischen medizinischen Zentren, die klinische Versorgung, Forschung und Lehre miteinander verbinden, werden Fakultätsmitglieder, die Teil einer Minderheit sind, laut dem Journal of the Association of American Medical Colleges kaum gefördert. Sie berichten von rassistischen Vorurteilen und haben weniger Chance auf eine Beförderung, wie Studien zeigen.
Notärztin Uché Blackstock, ehemals Fakultätsmitglied an der medizinischen Hochschule der New York University (NYU), sagte, dass Rassismus und Sexismus sie dazu trieben, die Universität 2019 zu verlassen. (Ein:e Sprecher:in der NYU sagte, „Wir sind bestrebt, einen inklusiven Arbeitsplatz zu schaffen und nehmen jegliche Anschuldigungen des Rassismus und Sexismus sehr ernst.“) Kinderarzt Benjamin Danielson kündigte 2020 bei einem Krankenhaus in Seattle, wobei er Rassismus in der Muttergesellschaft als Grund nannte. Eine Untersuchung fand heraus, dass dies ein begründeter Vorwurf war. (Ein:e Vertreter:in des Seattle Children‘s Hospital gab bekannt, dass das Krankenhaus aus diesem Grund eine neue Strategie zur Förderung von Fairness verfolgen würde.)
Im selben Jahr behauptete Aysha Khoury, dass sie an der medizinischen Hochschule von Kaiser Permanente erst suspendiert und dann entlassen wurde, nachdem sie eine Diskussion unter Student:innen zu Rassismus in der Medizin geleitet hatte. Laut ihrer Anklage hieß es in einer E-Mail an sie, dass ihre Suspendierung „aufgrund einer Beschwerde über gewisse Aktivitäten im Klassenzimmer veranlasst [wurde]“. (Ein:e Sprecher:in von Kaiser sagte, „wir lehnen Dr. Khourys Darstellung der Ereignisse, sowie jegliche Behauptung, dass sie aufgrund von Race oder Rassismus entlassen wurde, entschieden ab“ und dass Kaiser seine Mitarbeiter:innen ermutigt, über ihre Erfahrungen mit diesem Thema zu sprechen. Man könne nicht mehr über Khourys Behauptungen sagen, da der Prozess noch nicht abgeschlossen sei.)
Rassistische Diskriminierung: Es gebe keinerlei Beweise
Wir sitzen nicht mit am Tisch. Wir werden nicht gleich behandelt. Wir werden nicht so beschützt, wie unsere Kolleg:innen.
Während Okeke an der Tulane University war, so erzählt sie, sei sie ständig von ihren Schichten abgezogen worden oder wäre gefragt worden, für andere Schichten zu übernehmen. „Jedes Mal, wenn sie jemanden brauchten, haben sie mich abgezogen.“ Okeke behauptet, dass der Chef der inneren Medizin ihren Antrag auf freie Zeit, um eine Forschungskonferenz zum Thema Rheumatologie zu besuchen, nicht genehmigte, während Assistenzärzt:innen der inneren Medizin dies problemlos tun konnten. Außerdem hätte sie selbst Ersatz für ihre Schichten finden müssen. Als sie für einen Monat an einem anderen Krankenhaus lernen wollte, wäre ihr gesagt worden, dass sie Urlaub nehmen solle, um weiterhin bezahlt zu werden, obwohl ihr ein weißer Assistenzarzt der inneren Medizin erzählt habe, dass er das nicht musste, als er das Gleiche tun wollte.
Tulanes Anwalt argumentierte, dass es keinerlei Beweise für rassistische Diskriminierung gebe, also dass „irgendeine dieser ‚Kränkungen‘ etwas mit ihrer Race oder ihrem Geschlecht“ zu tun habe und dass Okeke andere Faktoren ignorieren würde, die diese Unterschiede erklären würden. Es gäbe keine Beweise, dass sie besonders häufig einspringen musste, Dienstpläne, die während des Prozesses öffentlich gemacht wurden, zeigen solche kurzfristigen Änderungen nicht, und dass sie „nur ein Mal“ schwer Ersatz für ihre Schicht gefunden hätte. Zudem wiesen sie darauf hin, dass der Assistenzarzt der inneren Medizin ein „global health track“ Stipendium hatte, das ihn für Forschung im Ausland bezahlte und dass die Hälfte ihrer Abwesenheit schließlich finanziert wurde.
Nicht jede:r PoC Medizinstudent:in teilt diese Beschwerden. „Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich persönlich fand, dass ich anders behandelt wurde, weil ich Schwarz bin“, sagt Darlonda Harris, eine „med-peds“ Assistenzärztin, die 2017 ihren Abschluss machte. Gifty-Maria Ntim, Absolventin des Jahrgangs 2011, berichtet, dass sie die wenigen Probleme mit ihrem Schichtplan leicht lösen konnte. Christopher Salmon, ein bi-racial Assistenzarzt der inneren Medizin, der das Programm 2019 abschloss, erzählt, dass Wiese ihn bei seinem Wunsch, Kardiologe zu werden, unterstützte. „Er war ein großer Grund für mich, hier herzukommen.“
Wiese: „Ich habe das Sagen über die Dienstpläne“
An einem Montag im Mai 2017, kurz nachdem die Dienstpläne verschickt worden waren, versammelten sich dutzende Assistenzärzt:innen, darunter auch aus dem „med-peds“ Programm, in einem Klassenraum für ihre wöchentliche medizinische Vorlesung, die an diesem Tag von Wiese gehalten wurde.
Laut Okeke, Watts und Clark, fing Wiese an, sich über bestimmte Assistenzärzt:innen zu beschweren, wobei er aber keine Namen genannt hätte. Jeder hätte gewusst, dass er sie drei meinte, weil sie sich über die Zeit in der Notaufnahme beschwert hatten. Er sagte, Leute müssten „Team Player“ sein und forderte die Student:innen heraus, ihn dem ACGME zu melden – er würde eine Verwarnung hinnehmen. Dies geht aus Unterlagen der Anklage, eidesstattlichen Erklärungen und Befragungen von drei weiteren Assistenzärzt:innen hervor. Watts erinnert sich, dass er gesagt habe: „Das hat ein Ende. Ich habe das Sagen über die Dienstpläne.“ Clark erzählte mir: „Es kam wie aus dem Nichts, komplett aus dem Nichts. Wir waren geschockt.“
Wiese sagt, er hätte versucht zu betonen, dass „jeder“ seinen/ihren Teil beitragen muss und bestreitet, irgendjemanden herausgefordert zu haben, den ACGME zu kontaktieren. „Ich glaube, in diesem Meeting wurde vermittelt, dass wir diese speziellen Anforderungen auf verschiedene Arten gerecht werden“, so Wiese in seiner Aussage.
Weitere Diskriminierungsbeschwerde an der Tulane University
Kurz nachdem Trenell Smith Anfang 2016 begonnen hatte, als Sachbearbeiterin für das „med-peds“-Programm zu arbeiten, berichtete sie, dass eine weiße Angestellte von Wiese, Temple Byars, sie schikanierte. Byars, Smiths Vorgesetzte, schloss sie von Meetings aus, an denen sie eigentlich teilnehmen sollte, machte sich über ihre Frisur lustig und sagte gegenüber anderen, dass sie „ghetto“ wäre, erzählt mir Smith. (Byars verweigerte einen Kommentar und sagte nur, dass sie „die letzten vier Jahre versucht [habe], ein besserer Mensch zu werden.)
Byars kündigte, nachdem eine Untersuchung der Universität bestätigt hatte, dass sie Smith rassistisch diskriminiert hatte. Aber die verbleibenden Vorsitzenden der einzelnen Abteilungen, darunter auch Wiese, nahmen Smith Pflichten und Aufgaben weg, als Rache für ihre Beschwerde, wie sie in einer Anklage 2019 behauptete, wobei der Fall noch nicht abgeschlossen ist. (In einem Gerichtsdokument bestreitet Tulane, dass sie Vergeltung erfahren habe). Seitdem wurden bei Smith laut ihrer Patientenakte Depression, allgemeine Angststörung und eine Panikstörung festgestellt. Im März 2020 erhielt sie einen Brief, in dem Tulane ihr mitteilte, dass sie das Arbeitsverhältnis beenden würden, da sie für längere Zeit wegen Arbeitsunfähigkeit beurlaubt worden war. Sie könne sich wieder bewerben, wenn sie gesund ist.
„Tulane ist definitiv eine rassistische Institution und ich glaube nicht, dass irgendetwas das ändern kann“, sagt Smith mir. „Das Gute ist, dass ich nichts mehr mit diesen Leuten zu tun habe, aber ich werde immer daran erinnert, was ich erlebte.“
Wiese beginnt einen Rachefeldzug gegen Princess Dennar
Am 16. Juni 2017 sagte Dennar als Zeugin für Smith in der Untersuchung der Universität aus und beschrieb, was für sie „dreiste Diskriminierung“ gewesen wäre, erzählt sie mir. Das, behauptet sie, habe das Fass für Wiese zum Überlaufen gebracht. Laut ihrer Anklage, „begann [er]“ von da an „einen Rachefeldzug“ gegen sie und ihre Schüler:innen.
Ab Anfang 2018 sprach Wiese offen darüber, Dennars Programm zu verkleinern. „Ich glaube, dass es unser langfristiges Ziel für nächstes Jahr ist, ‚med-peds‘ auf vier Stellen pro Jahr zu reduzieren“, schrieb er in einer E-Mail am 03. Februar 2018 an den Lehrstuhl der Medizin. Wiese erklärte, dass es die zweiteiligen Dienstpläne der Student:innen schwer machen würden, den Personalanforderungen in einem der neuen Krankenhäuser gerecht zu werden.
Wiese schrieb weiter „außerdem gibt es ein paar kulturelle Probleme, die vom ‚med-peds‘-Programm kommen, die, glaube ich, von ein paar viel zu hohen Erwartungen herrühren (und, wenn diese viel zu hohen Erwartungen nicht erfüllt werden, sind Leute nicht glücklich).“ Diese Probleme könne man mit einer „überschaubareren Anzahl“ an Student:innen angehen. In einer Aussage vor Gericht sagte Wiese, dass „Kultur“ sich auf die „Lehrphilosophie“ beziehe und „nichts mit Race zu tun hat“.
Wiese ignorierte Regeln der Universität
Im März 2018 wechselten zwei „med-peds“ Assistenzärzt:innen zur inneren Medizin. Dennar sagt, sie habe in einer Gruppen-E-Mail erfahren, dass sie ein Drittel ihrer Schüler:innen verlieren und sie auch nicht ersetzen können würde, obwohl Tulanes Richtlinien besagen, dass ein Transfer nur möglich ist, wenn beide Programmdirektor:innen dem zustimmen.
„Das ist bedauerlich“, schrieb Dennar Wiese laut einer E-Mail, die in der Gerichtsakte veröffentlicht wurde. „Sie und ich haben nie darüber gesprochen, da [der ACGME Kontakt] und ich gerne Teil der Entscheidung gewesen wären und es auch hätten sein sollen.“
„Ich verstehe Ihre Frustration“, antwortete Wiese, aber er verteidigte seine Entscheidung, in dem er erklärte, dass das Auffüllen der Plätze ein „Nullsummenspiel“ wäre.
Dennar: „Ich glaube, es ist zu 100 Prozent Rassismus und Sexismus“
Von den dutzenden Fällen, in denen Dennar Wiese der Diskriminierung beschuldigte, ging es in keinem davon um Kommentare über ihre Hautfarbe. Könnte es sein, dass hier zwei gegensätzliche Persönlichkeiten aufeinander prallten? Die Meinungen darüber, was Rassismus ist und was nicht, gehen auch in Deutschland weit auseinander. Dennoch sind sich 90 Prozent der Bevölkerung einig, dass es ihn im Land gibt.
seinetwegenMary Beth Alvarez, eine ehemalige Studentin an der medizinischen Hochschule Tulanes, die später das Kombinationsprogramm der internen Medizin und der Psychiatrie leitete, erzählt mir, dass sie Wiese als „einen meiner meist geschätzten Mentor:innen und Lehrer:innen“ ansehe. „Ich wurde wahrscheinlich seinetwegen Internistin“, sagt Alvarez, die halb lateinamerikanisch ist. „Ich bin seinetwegen an der Universität.“
Aber sie glaubt auch, dass sein Verhalten gegenüber Dennar rassistisch war. Genau wie „med-peds“ teilen auch Auszubildende des „med-psych“ Programmes ihre Zeit zwischen innerer Medizin und ihrem Zweitfach. Und wie Dennar, sei auch Alvarez immer wieder mit Wiese aneinandergeraten, wie sie sagt, wenn es um die Dienstpläne ging. Sie bezeichnet das als „Wieses Lehensherrschaft“. Dennoch schien er eher bereit zu sein, ihr den Vortritt zu lassen, im Gegensatz zu Dennar, wie Alvarez sagt, wahrscheinlich, weil sie beide bereits lange befreundet seien und auch, weil sie auf den ersten Blick weiß scheinen würde.
„Ich glaube, ich habe sie im Stich gelassen“
„Es stimmt, dass ihr Schwarz-Sein im Weg stand, wenn es um Akzeptanz und einen Platz am Tisch ging“, sagt Alvarez, „wohingegen mein Weiß-Sein mir mehr Zugang verschafft hat, glaube ich.“ Seitdem sie 2016 die Tulane University verlassen habe, bereue sie, dass sie Dennar nicht verteidigt hätte, erzählt mir Alvarez. „Ich fühle mich wirklich schrecklich deshalb, weil ich ihr hätte helfen können, einen sichereren Ort für sich zu schaffen, ich hätte ihr helfen können, damit sie sich nicht so alleine fühlt. Ich glaube, ich habe sie im Stich gelassen.“
Wiese sieht keinerlei Schuld bei sich
Im Januar 2018 überflutete eine schwere Grippewelle die Krankenhäuser in Louisiana und der Ärger unter den „med-peds“ Student:innen kochte über. Udemgba, die zu diesem Zeitpunkt die Hälfte ihrer Ausbildung geschafft hatte, erinnerte sich später, dass die Krankenhäuser so überwältigt waren, dass Patient:innen stundenlang warten mussten. Via der Emailliste der internen Medizin schlug sie vor, dass jeder seine Gedanken und Sorgen bei einer offenen Gesprächsrunde teilen könne. „Das scheint nicht sehr effektiv, um als Team eine Lösung zu finden“, antwortete Wiese.
„Andererseits gibt es vielleicht die Meinung, dass einige Assistenzärzt:innen der Leitung des Teams nicht trauen können, aus Angst vor Vergeltung“, schrieb er außerdem, ohne dabei Udemgba persönlich zu nennen. „Ich kann mich einfach wirklich nicht an irgendetwas erinnern, dass ich vielleicht getan habe, dass auch nur ansatzweise an Rache erinnern würde.“ Er beteuerte, dass „trotz der Frustration, die ihr vielleicht bei Planänderungen und so weiter verspürt habt, die Leiter:innen der Krankenhäuser ihre Arbeit machen, indem sie sicherstellen, dass wir [die Anforderungen des ACGME und des nationalen Akkreditors für Assistenzartprogramme] einhalten.“
Tulane University findet nur „unzureichende Beweise“ für Verstöße
Bei dem eigentlichen Meeting behielt Wiese, laut Udemgba und einer weiteren Studentin, Natasha Lee, einen entschlossenen Ton. „Er saß nur da, hielt eine Rede und sagte im Endeffekt, wir haben Katrina geschafft, wir schaffen auch das‘. Danach ließ er kein Gespräch und keine Fragen zu und verließ den Raum“, erzählt mir Udemgba.
Voller Wut und ohne weitere Möglichkeiten schickten sie und sechs weitere „med-peds“ Assistenzärzt:innen im April Beschwerden an den ACGME und an das Office of Institutional Equity der Universität. „Wir finden, dass die Leitung des Programms für interne Medizin allgegenwärtig unangebracht, fast schon illegal handelt“, schrieben sie in einem Brief und nannten es ein „System des institutionalisierten Rassismus“. In ihren eigenen Hilferufen schrieb ihre Direktorin Dennar, dass sie sich „gefangen“ und „gemobbt“ fühle. Sie sei sich bewusst, dass diese Worte „eines Tages zu einer Kündigung führen oder alle Hoffnungen auf Beförderung zunichtemachen können.“
Sechs Monate später teilte Tulane den Frauen mit, dass keine rassistische oder sexistische Diskriminierung feststellte werden konnte, wobei die Universität diese Erkenntnis nicht weiter erklären oder ihre Ergebnisse veröffentlichen wollte. Ein:e Vertreter:in schrieb, dass ein:e externe:r Ermittler:in alle Anschuldigungen untersucht, Dokumente überprüft und Befragungen durchgeführt hätte, dabei aber nur „unzureichende Beweise“ für irgendwelche Verstöße gefunden habe.
Die Untersuchung des „Accreditation Council for Graduate Medical Education“
Der ACGME allerdings, fand Grund zur Beunruhigung. Sowohl das Programm für innere Medizin, das „med-peds“-Programm, als auch Tulane als Sponsor der Programme, wurden abgemahnt. Wieses Doppelrolle sei ein „Interessenkonflikt“, laut Gerichtsdokumenten aus dem Herbst 2018, die die Ergebnisse der ACGME-Untersuchung darlegen.
Ein:e „med-peds“ Direktor:in sollte „über ausreichend Autorität und Ressourcen verfügen, um alle nötigen Veränderungen zu veranlassen, in Zusammenarbeit“ mit anderen Direktor:innen. Dennars und Wieses Beziehung sei jedoch „nicht gemeinschaftlich und gesund“. Letzterer „scheint die Entscheidungsherrschaft an sich genommen zu haben.“ Wiese sagte gegenüber dem ACGME, dass es „Differenzen“ seinerseits mit dem „med-peds“ Lehrplan bereits vor Dennars Zeit gegeben hätte und dass er sich bis dato nicht gewusst hätte, dass es Bedenken wegen Rassismus und Sexismus gibt, wie aus dem investigativen Bericht, den ich einsehen konnte, hervorging.
Weiterhin bestätigte der ACGME, dass Absolvent:innen des „med-peds“ Programms „Defizite“ in ihrer Zeit in der Notaufnahme, in Teilbereichen und in Wahlkursen aufwiesen. Den Auszubildenden sei klar gewesen, dass Dennars „verhältnismäßige Machtlosigkeit“ bedeutete, dass es so „scheint, als ob [sie] keine guten Lösungen“ für ihre Probleme „finden kann“, so der Bericht. Aber zu der alles entscheidenden Frage, ob Diskriminierung die Behandlung der Assistenzärzt:innen beeinflusste, sagte der Akkreditor der Universität in einem Brief, der die Ergebnisse zusammenfasst, dass „keine Beweise, die solche Behauptungen unterstützen [gefunden wurden].“ Gleichzeitig erklärte der Bericht auch, dass „mehr PoC“ im „med-peds“ Programm sind, als in dem für innere Medizin und „ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden konnte.“
Tulane University versucht sich an Princess Dennar zu rächen
Als ihre Klassenkamerad:innen nach dem Abschluss 2018 getrennte Wege gingen, hoffte Okeke auf einen Neuanfang mit einem Rheumatologie-Fellowship in St. Louis. An der Tulane University, die jetzt auf dem Prüfstand war, war derweil ein Personalwandel im Gange. Funktionär:innen informierten Dennar, dass Wiese einen Assistenten bekommen würde, Paul Gadden, ein Schwarzer Orthopäde, der für das „med-peds“ Programm beim ACGME Bericht erstatten würde. Im Jahr 2019 übergab Wiese die Leitung des Programms für innere Medizin an Deepa Bhatnagar, eine südasiatische Frau.
Aber, so behauptete Dennar später in ihrer Anklage, die Universität begann Vergeltung zu üben. Sie sagt, dass ihr Zugang zu Software abwechselnd gesperrt und wieder freigegeben und sie von der Emailliste der Hochschule entfernt worden wäre, dass jede:r Direktor:in eines Programms ein eigenes Büro in einem neuen Gebäude bekommen hätte, außer sie und dass sie nie weiter als „Assistant Professor“ befördert worden wäre. Ein weiterer angeblicher Racheakt: Tulane unterzog das „med-peds“ Programm einer speziellen Überprüfung. Laut Vertreter:innen war die Verwarnung seitens des ACGME der Auslöser.
Tulane University hat ein Diskriminierungsproblem
Als die Überprüfung Ende Mai 2020 begann, gingen die Menschen in New Orleans zu Tausenden auf die Straßen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. „Ich will, dass diese Botschaft der Leitung der School of Medicine glasklar ist: Black Lives Matter“, so Hamm in einer Nachricht an alle Student:innen am 19. Juni (nationaler Feiertag „Juneteenth“, an dem das Ende der Sklaverei in den USA gefeiert wird). Doch zwei Jahre später sind Minderheiten in den USA „immer noch Zielscheiben“.Okeke und Dennar nannten in ihren Anklagen, die sie beide im Sommer 2020 stellten, zusammen knapp ein dutzend Mitglieder der Fakultät. Die Gerüchteküche an der Universität brodelte. Als Dennar forderte, dass über Rassismus, zum Beispiel, bei Abteilungsmeetings gesprochen werde, habe der Inhaber des Pädiatrie-Lehrstuhls Samir El-Dahr, so behauptet sie, gesagt, er hätte „keine Lust mehr, über Rassismus zu reden, weil er davon Kopfschmerzen bekommt.“ (El-Dahr ignorierte Anfragen für ein Statement.)
Im Frühling 2021 untersuchte ein Beratungsunternehmen das Diversitäts-Klima an der Hochschule. Die Ergebnisse waren erschreckend. Mehr als 170 Fakultätsmitglieder, Angestellte und andere hielten die Führung für undurchsichtig und widersprüchlich und glaubten, dass Tulanes Mangel an Diversität die Möglichkeiten und Fähigkeiten einschränken würde, Patienten zu behandeln. Wenn „sexistische und rassistische Mikroangriffe, sexuelle Belästigung, offensichtlich rassistische Bemerkungen, rassistisches Verhalten und willkürliche Anwendung von Regeln und Maßnahmen“ intern gemeldet wurden, mussten Mitarbeiter:innen vor allem mit „unsensiblen und oft kontraproduktiven“ Antworten und „Vorwürfen, Vergeltung und Versuchen, sie zum Schweigen zu bringen“, rechnen, wie aus einer internen Präsentation der Resultate der Untersuchung hervorging.

Rassismus und Sexismus kommen immer wieder vor
Mindestens zwei weiße Frauen, beide Mitglied der Fakultät, haben der Führungsebene der School of Medicine seit 2019 Sexismus vorgeworfen. Lesley Saketkoo, ehemalige außerordentliche Professorin der Medizin, unterstellte der Universität in einer Anklage wegen Sexismus, dass ihr Arbeitsumfeld feindlich gewesen sei und dass Tulane sie gekündigt hatte, weil sie sich gewehrt habe. Clarissa Hoff, Direktorin des Programms für Präventivmedizin, behauptete in einer internen Beschwerde letztes Jahr, dass Wiese und Hamm Finanzierung und Unterstützung für ihr Programm, in dem vor allem Women of Colour sind, nicht zugelassen hätten. In beiden Fällen gewann Tulane: Die Universität fand keinerlei rassistische oder sexistische Diskriminierung in Hoffs Fall und ein Richter entschied gegen Skatekoo. Beide Frauen haben Berufung eingelegt.
Schwarze Frauen, die an der Tulane University studiert hatten, konnten sich selbst in den Geschichten aus dem „med-peds“ Programm wieder erkennen. In einem anonymen Brief schrieb eine ehemalige Assistenzärztin, sie habe „institutionalisierten und persönlichen Rassismus“ erlebt, während sie in einem zugehörigen Krankenhaus gelernt hatte. Unter anderem hätte sie ein benutztes Kondom in ihrer Handtasche gefunden. (Dennar sagt, sie habe mit der Studentin über den Vorfall gesprochen.)
Diese Kultur bringt rassistisches und sexistisches Verhalten hervor und normalisiert es.
Princess Dennar bewies mit ihrer Anzeige Mut
Als Tami Chrisentery-Singelton, die bis 2019 Tulanes hämatologische und onkologische Abteilung der Pädiatrie leitete, erfuhr, dass Dennar die Universität verklagt hatte, hätte sie sich geschämt, wie sie mir erzählt, weil „ich nie den Mut dazu hatte.“ Sie glaubt, dass ihr, weil sie eine Schwarze Frau ist, besonders auf die Finger geschaut wurde, auch wenn sie sich bewusst sei, dass „das sehr schwer zu beweisen ist.“ Einmal, erinnert sie sich, sei eine Angestellte in ihr Büro gestürmt, weil sie sauer gewesen sei, dass sie mit einem:r Vorgesetzten über ein Projekt gesprochen hatte. „Hätte sie je mit einem anderen Arzt oder einer anderen Ärztin so geredet?“

Princess Dennar erfuhr in einem Zoommeeting von ihrem Schicksal
Am 11. Februar 2021, fünf Monate, nachdem Dennar die Universität angeklagt hatte, erfuhr sie in einem Zoommeeting, dass sie nicht mehr Leiterin des „med-peds“ Programm war. Die Führung Tulanes sagte gegenüber der Presse, dass ihre Pflichten als Direktorin „suspendiert“ worden seien, aber eine Berufung möglich wäre und dass sie Dozentin bleiben würde. Dennar sagt, die Entscheidung sei ihr gegenüber als „Kündigung“ dargestellt worden.
Laut der Leitung der Universität wurde ihre Kündigung von einem internen Komitee, dass das „med-peds“ Programm überwacht, empfohlen. Weder die Ergebnisse, noch die Namen der Mitglieder wurden veröffentlicht, wobei die Führung Tulanes sagt, es sei ein „vielfältiges Gremium mit 15 Kolleg:innen“ der Universität und der zugehörigen Krankenhäuser. In ihrer Anklage schrieb Dennar, dass der Bericht des Komitees „keine Kritik“ an ihrer „Leistung als Dozentin, Forscherin oder Ärztin“ übe, eine Behauptung, der Tulane bis jetzt nicht widersprach.
Der Präsident der Universität, Michael Fitts, schrieb in einem Brief an Student:innen und Angestellte, er sei „überzeugt, dass die Verfahren gründlich waren und mit dem Umgang ähnlicher Fälle in der Vergangenheit übereinstimmen.“ Hamm, einer der Teilnehmer des Zoommeetings, schrieb in einem offenen Brief, dass er nichts zu Dennars Anklage sagen könne, betonte aber das Engagement der Hochschule für „eine faire und inklusive Gemeinschaft“.
Student:innen verlangen eine Erklärung für die Entlassung von Princess Dennar
In einer Vielzahl an Briefen, Tweets und Petitionen verlangten hunderte Absolvent:innen, Student:innen, Mitglieder der Fakultät, Assistenzärzt:innen und andere eine Erklärung dafür, dass eine der wenigen Schwarzen Direktorinnen der Universität von ihrer Position verdrängt wurde. Jessica DeBoard, eine weiße Frau, wurde als Nachfolgerin ernannt. Auf die Frage, wieso beide Stellvertreterinnen Dennars, beide Women of Colour, übergangen wurden, erklärte Hamm in einem Meeting mit Student:innen, dass eine der beiden vor Kurzem ihren Abschluss gemacht und die andere „genügend Pflichten“ habe.
Eine Gruppe Absolvent:innen und Unterstützer:innen drängten auf eine externe Untersuchung von „Atlas“, Wieses Bewertungssystem für Bewerber:innen. In einer E-Mail schrieb die Organisation, die für die Zuordnung der Programme zuständig ist, ihnen, dass Atlas an der Tulane University „nur bei vier von 45 Programmen“ verwendet und sowieso schrittweise eingestellt werden würde. Die Gruppe gab sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden und merkte an, dass eines dieser vier Programme, innere Medizin, so groß sei, dass „Atlas“ die Demografie der Universität beeinflusst haben könnte. Ein Gruppenmitglied erzählte mir, dass sie nie eine Antwort bekamen.
„Dies ist ein schwerer Verlust für Tulane“
Am 01. März 2021 teilte Hamm Dennar mit, dass er, nach „sorgfältiger Überlegung“, bereit wäre, sie wieder einzustellen, unter der Bedingung, dass sie ein Coaching machen müsse, um „sicherzustellen, dass die Probleme, die im Bericht angesprochen werden, nicht wieder auftreten“, wie er in einem offenen Brief schrieb. Aber Dennar fand es „erniedrigend“, dass sie, nach mehr als zwölf Jahren harter Arbeit, dieser zusätzlichen Überprüfung ausgesetzt sein würde. „Ich kann so ein ‚Angebot‘ nicht annehmen“, antwortete sie.
In Berichten lobten 14 von Dennars Absolvent:innen, dass sie stets Spitzenleistungen erwartete, ihnen Tag und Nacht half und sogar kurz nach der Geburt ihres Kindes ein Empfehlungsschreiben abgab. „Dies ist ein schwerer Verlust für Tulane, zukünftige Auszubildende und die Gemeinschaft New Orleans“, schreibt Leah Bruno, eine der nicht-Schwarzen Absolventinnen 2018. Während Spenden in ein GoFundMe Konto für Dennars Anwaltskosten flossen, begann mit der bevorstehenden Programmauswahl für Student:innen ein Boykott, #DNRTulane oder Do Not Rank Tulane (Rankt Tulane nicht), auf Twitter.
Austin Oslock, der weiß ist, hält Dennar für eine „phänomenale“ Direktorin und sagt „Ich wollte an eine Universität gehen, die Vielfalt begrüßt, in einer Zeit, in der es so wichtig ist, Ärzt:innen zu haben, die aussehen wie ihre Patient:innen und sie repräsentieren können.“ Farrah -Amoy Fullerton, eine Schwarze Person, sagte gegenüber Tulanes Pädiatrieprogramm, dass sie nur an einer Universität gehen würden, die überzeugt anti-rassistisch wäre. Hier haben wir ein Neopronomen genutzt, das wir hier erklären.
Ich muss kein Märtyrer für dieses Programm sein.
#DNRTulane – Ist das die Lösung?
Ein Problem anzusprechen ist leichter, als eine Lösung zu finden. Russle Ledet, Medizin- und Masterstudent in Tulane und ein Unterstützer Schwarzer Ärzt:innen, erzählt mir, er habe geweint, als seine geschätzte Mentorin entlassen worden war. Aber bis zu einem gewissen Grad würde es Tulanes Probleme überall geben, argumentiert er, und diverse und talentierte Ärzt:innen würden mehr als nur der Institution schaden, indem sie sich für #DNRTulane einsetzen würden.
„Wer wird am Ende am meisten darunter leiden, dass [Student:innen] nicht nach New Orleans kommen?“, fragt Ledet, der aus Lake Charles, Louisiana kommt. „Die Menschen in New Orleans.“
Keine Gerechtigkeit für Ocheowelle Okeke
„Rassismus und Sexismus haben keinen Platz in dieser Welt. Als eine ehemalige Absolventin des Tulane „med-peds“ Programm, die traumatischen Erfahrungen und Mikroangriffe, die ich erleben musste, waren unermesslich. Ich war vier Jahre und kann mir nicht vorstellen, das für mehr als zehn Jahre durchzumachen. #DNRTulane #DrDennar“
Okeke sagt, sie würde keinen unbefristeten Boykott unterstützen, aber „ich hoffe, dass diese Bewegung dafür sorgte, dass Tulane Verantwortung übernimmt.“ Ihre eigenen Versuche hingegen, Tulane University vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen, waren erfolglos.
Obwohl Okeke argumentierte, dass sie und andere Schwarze Frauen im Programm wegen Wieses „subjektiver“ Entscheidungen benachteiligt worden waren, erklärte Susie Morgan, Richterin am US-Bezirksgericht für den östlichen Distrikt von Louisiana, dass sie es versäumt habe, Ungleichheiten in ihrem Dienstplan aufzuzeigen. Außerdem seien Wieses angebliche Handlungen zu allgemein, um als „ein bestimmter Umgang am Arbeitsplatz“ gemäß dem Bürgerrecht zu gelten. Beispiele für spezifische Maßnahmen aus anderen Fällen von Diskriminierung am Arbeitsplatz waren „schriftliche Eignungstests“ und „Größen- und Gewichtsvoraussetzungen“, schrieb Morgan in ihrem Urteil im späten Juni 2021.
Rassismus: „Man kann nicht wirklich gewinnen“
Auch Okekes Berufung gegen Rassismus am Arbeitsplatz wurde abgewiesen. Das höhere Gericht stimmte Tulane zu, dass sie nicht nachweisen konnte, dass ihr Arbeitsplatz feindselig, diskriminierend oder karriereschädigend war. Es stellte fest, dass sie weder degradiert noch ihr Gehalt gekürzt worden war und dass sie in das Fellowship-Programm „ihrer Wahl“ aufgenommen wurde, nachdem sie ihren Abschluss innerhalb der vorgesehenen Zeit gemacht hatte.
„Wenn ich meine Prüfung nicht geschafft hätte oder wenn ich nicht innerhalb der vorgesehenen Zeit meinen Abschluss gemacht hätte, hätte es geheißen, ‚Wie ich dir sagte, sie war von Anfang an keine gute Assistenzärztin‘, man kann nicht wirklich gewinnen“, sagt Okeke, die mittlerweile Rheumatologin in Mississippi ist. „Wenn man einen Marathon läuft und durch das Ziel kommt, heißt das nicht, dass deine Muskeln nicht wehtun.“
Tulane reagiert auf die Bewährung
Am 02. Juli 2021 ließ die Tulane School of Medicine diese Bombe platzen: Die Universität war nun auf Bewährung und bis der ACGME diesen Status aufhob, konnte sie keine neuen Assistenzarzt- und Fellowshipprogramme beginnen und mussten alle derzeit eingeschriebenen Student:innen und Bewerber:innen informieren. Von den landesweit knapp 900 akkreditierten Einrichtungen waren in diesem akademischen Jahr nur acht auf Bewährung.
Die Organisation machte die Standards, die Tulane nicht erfüllte, nicht öffentlich. In ihrer Antwort verpflichtete sich die medizinische Fakultät jedoch, darauf hinzuarbeiten, „sicherzustellen, dass unser Lern- und Arbeitsumfeld inklusiv, fair und frei von Diskriminierung und Misshandlung ist“, sowie „unsere stationären klinischen Dienstverpflichtungen und die Arbeitsbelastung der Assistenzärzt:innen bei stationären Krankenhausaufenthalten mit hohem Patient:innen-Aufkommen zu reduzieren“. Gladden, der Chirurg, der zuvor zur Unterstützung von Wiese eingestellt worden war, wurde befördert, um ihn als ACGME-Verbindungsperson zu ersetzen.
Die medizinische Hochschule in Tulane unternimmt nun „einen schulweiten kulturellen Wandel“, wie es ein:e Sprecher:in bezeichnet. Die Universität schreibt jetzt Schulungen zum Thema Vielfalt vor, führt Leadership-Programme mit Schwerpunkt Anti-Rassismus ein und veranstaltet Events, um unterrepräsentierte Medizinstudent:innen mit den Direktor:innen der Programme zusammenzubringen. Ausschüsse, die für wichtige Einstellungen zuständig sind, durchlaufen eine Schulung zu impliziter Voreingenommenheit und haben, unter anderem, einen neuen stellvertretenden Dekan für Gleichberechtigung, Vielfalt und Integration als Mitglied.
Wie sieht die Zukunft an der Universität aus?
Die medizinische Fakultät der University of Missouri ist ein Beispiel dafür, wie der Weg in die Zukunft aussehen könnte. Als die Hochschule Gefahr lief, ihre Zulassung zu verlieren, unter anderem, weil sie jahrelang kaum bis keine PoC Student:innen und Fakultätsmitglieder hatte, entwickelte sie sich vom Jahrgang 2007 ohne ein:e einzige:n Schwarze:n Student:in, zum Jahrgang 2021, in dem 20 Prozent der Student:innen PoC waren.
Michael Strecker, Sprecher der medizinischen Hochschule Tulanes, sagt, dass sie „sich verpflichtet hat, mehr Schwarze und afroamerikanische Student:innen, Assistenzärzt:innen, Dozent:innen, Stipendiaten und Mitarbeiter:innen zu rekrutieren.“ Von 2020 bis 2022, so Strecker, sei der Anteil Schwarzer Assistenzärzt:innen von knapp acht Prozent auf neun Prozent gestiegen, der Anteil Schwarzer Fakultätsmitglieder von vier Prozent auf fünf Prozent. „Die Behauptung, dass wir uns nicht voll und ganz auf diese Probleme konzentrieren und keine Fortschritte machen, wäre eine falsche Darstellung“, so Strecker.
Dennar blickt hoffnungsvoll in die Zukunft
Dennar kündigte am 01. Januar, zwei Tage nach dem ihr Fall Berichten zufolge unter nicht genannten Bedingungen beigelegt wurde. Als sie die Neuigkeit mit ihren Twitterfollowern teilte, schrieb sie, dass sie „diesem neuen Kapitel“ hoffnungsvoll gegenüber stehe. „Ich bin das Geschenk meiner Vorfahren, ich bin der Traum und die Hoffnung des Sklaven“ schloss sie mit den Worten der Dichterin Maya Angelou. „And so I rise!“
Ist das also, wie wir das System reparieren? Indem wir die Person bestrafen, die diese Probleme angesprochen hat?
Müssen Wiese und Hamm mit Konsequenzen rechnen?
Wiese und Hamm sind immer noch an der Universität. Wiese, der im Zuge der Klagen eine Pause einlegte, kehrte am 31. Januar zur Betreuung von Assistenzärzt:innen und Krankenhauspatient:innen zurück, wie aus internen Kalendern hervorgeht.
In diesem Frühjahr baten neun Professor:innen ihre Kollegen um Spenden als „Überraschungswürdigung“ von Hamms „Engagement, Wissen und Widerstandsfähigkeit in den letzten 24 Monaten“, während der die Coronapandemie, Hurrikan Ida und „soziale und politische Unruhen“ alle vor Herausforderungen stellte, wie es in dem Schreiben heißt. Mit dem Geld sollen die vom Dekan und seiner Frau neu geschaffenen Stipendien für Student:innen finanziert werden, die „zur Vielfalt der medizinischen Hochschule beitragen“.
Dieser Vorschlag verfehlt in den Augen einiger das Wesentliche. „Es waren unverhohlene rassistische, engstirnige und ignorante Handlungen der Leitung von Tulane, einschließlich Dekan Hamm, die zu den genannten öffentlichen, sozialen und politischen Unruhen innerhalb der School of Medicine führten“, schrieb eine Gruppe Absolvent:innen. „Dieses Stipendium nach Dekan Hamm zu benennen, würde bedeuten, sein Erbe zu ignorieren. Jeder Versuch, Tulane in eine neue Ära zu führen, die Vielfalt und Inklusion wirklich begrüßt und unterstützt, scheiterte an ihm.“
Die Zukunft ist ungewiss
Bei einem Campus-Meeting im letzten Herbst wurde Hamm zu seinem Engagement für diese Werte befragt. „Wie können wir glauben, dass die versprochenen Veränderungen tatsächlich kommen“, fragte ein:e Teilnehmer:in laut einer Aufnahme, „wenn die öffentliche Aufmerksamkeit für die Tulane School of Medicine nachlässt?“ Der Dekan versicherte allen, dass ihre Zukunft in guten Händen sei. „Sie werden lernen, zu vertrauen, weil Sie wissen, dass sie uns zur Verantwortung ziehen können.“
Autorin ist Stephanie M. Lee. Der Artikel erschien am 19. Mai 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Friederike Hilz.