Twitter-Userin fordert Schutzräume für Schwarze Menschen – und kassiert rassistischen Shitstorm

Auf Twitter trendete „Rassismus gegen Weiße“, weil eine Userin Schutzräume für Schwarze Menschen forderte.
Twitter kann manchmal äußerst toxisch sein. Diese Erfahrung musste gestern Maïmouna Obot machen, die sich als Theologin und Juristin für Menschenrechte einsetzt. Unter anderem leitet sie den Stuttgarter Verein Storychangers, der gegen Hexenverfolgung von Kindern in Nigeria vorgeht. In diesem Rahmen klärt sie die Menschen in Nigeria darüber auf, „was die Bibel wirklich über Kinder sagt“, wie sie auf Twitter erklärt. Der Kampf gegen Rassismus ist ein weiteres Thema, das ihr sehr am Herzen liegt, schließlich ist er für sie als „Schwarze Frau in Deutschland (...) überlebenswichtig.“ Wegen rassistischer Ressentiments musste sie bereits mehrfach den Job wechseln. Auch diese Ärztin in den USA kämpfte gegen Rassismus in der Medizin und verlor ihren Job.
Schwarze Menschen wie Obot, die den Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft tagtäglich am eigenen Leib erleben, brauchen Schutzräume. Das sind Räume, in denen sie keine rassistische Vorverurteilung durch Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft zu befürchten brauchen und so etwa gänzlich unbefangen über ihre Rassismus-Erfahrungen sprechen können. Ziel des Ganzen ist das Empowerment marginalisierter Menschen.
In diesen sehr rar gesäten Schutzräumen für Schwarze sind weiße Menschen konsequenterweise nicht willkommen. Dahinter steckt keine Abscheu gegenüber Weißen, sondern einzig der Wunsch, für eine kurze Zeit unter sich zu bleiben. Denn Weißen fehlt einfach grundsätzlich ein umfassendes Verständnis dafür, was es bedeutet, ein Leben lang Rassismus zu erfahren. So wie diese Fußballer, die Hassnachrichten erhalten – viele homophob oder rassistisch.
Über Obot ergießt sich ein Shitstorm von rechts
Der Wunsch nach eigenen Schutzräumen für Schwarze Menschen wird sehr oft bewusst oder aus purer Ignoranz als ein Ausdruck von „Rassismus gegen Weiße“ gedeutet. Ein Begriff, der von rechten Twitter-Accounts („Rechtstwitter“) gezielt verwendet wird, um den Diskurs zu verschieben und weiße Menschen als Opfer darzustellen. Leider gelingt ihnen das oft. „Rassismus gegen Weiße“ ist regelmäßig in den deutschen Twitter-Trends. So auch vom 30. Juni auf den 1. Juli. Anlass war diesmal ein Tweet von Maïmouna Obot, mit dem sie einfordert, dass Schutzräume oder Rückzugsorte Schwarzer Menschen von Weißen respektiert werden sollen.
In ihrem Beitrag beschwert sich Obot darüber, dass weiße Eltern ihre weißen Kinder zu einer Spielgruppe bringen, die eigentlich „Kids of Color“, also Schwarzen Kindern vorbehalten ist. Für Kinder, die sehr oft die einzigen Schwarzen Menschen etwa in ihrem schulischen Umfeld sind, ist es wichtig zu erfahren, dass sie nicht allein sind. Eine exklusiv Schwarze Spielgruppe ist daher durchaus sinnvoll, um kleinen Kindern zu vermitteln, dass ihre dunkle Hautfarbe keine Abweichung von der Norm ist. Wichtig ist ebenso anti-rassistisches Spielzeug wie Puppen, die auch mal Schwarze Haut haben und nicht immer nur blonde Löckchen.
Ganz oberflächlich betrachtet kann dieser Tweet aber auch als eine Forderung nach „Rassentrennung“ missverstanden werden, weshalb er für rechte Trolle ein gefundenes Fressen war. Sie griffen ihn sehr schnell auf, womit ein heftiger Shitstorm begann. Die rechtsradikalen Accounts nutzten Obots vermeintlichen „Rassismus gegen Weiße“, um sich in echtem Rassismus gegen Schwarze zu ergehen. Auch ein Multimillionär behauptete kürzlich, weiße männliche Autoren haben es schwer – dafür erntete er Kritik.
Ein Troll schreibt etwa, er suche für sein Kind „auch eine Kindergruppe, in der Schwarze verboten sind. Leider unmöglich. Nichtmal auf dem Land...“ Ein anderer pflichtet Obot scheinheilig bei: „Sollte ich mal Kinder haben, will ich auch nicht, dass sie mit schwarzen Kindern spielen.“ Ein weiterer rät ihr direkt nach Afrika zu ziehen, „wenn dich weiße Menschen stören.“
Obot wird nun selbst Rassismus vorgeworfen – vielfach von rechten Trollen
Wesentlich häufiger bzw. sichtbarer waren allerdings Beiträge, die in mehr oder weniger glaubwürdiger Empörung Obot „Rassismus gegen Weiße“ oder gar den Wunsch nach „Rassentrennung“ vorwarfen. Sie wolle „nach Rassen getrennte“ Schutzräume, sei eine „Hardcore Rassistin“ und sei eine „linke System-Agitatorin, die Weiße und Schwarze durch Provokation gegeneinander aufhetzen soll.“ Sie handle nach „verlogenen und woken Doppelstandards“ und wolle „Parallelgesellschaften aufbauen.“ Mit gespielter oder tatsächlicher Ahnungslosigkeit über die Hintergründe wurde ihr gar vorgeworfen, ihre Kinder „zum Rassismus (zu) erziehen.“
Solche Tweets waren so häufig, dass auch „Rassentrennung“ eine Zeit lang auf Twitter trendete. Demgegenüber deutlich in der Unterzahl waren Tweets, die Obot in Schutz nahmen und dem Rassismus-Vorwurf widersprachen. Besonders der vielfach geteilte Kommentar der Journalistin und Autorin Sarah Bosetti ist hier zu nennen. Sie macht auch auf einen entscheidenden Punkt aufmerksam: Das Vermögen, Anliegen wie die von Maïmouna Obot zu verstehen, ist auch eine Frage des Willens. Und eben daran mangelt es sehr vielen Menschen auf Twitter, wenn sie nicht selbst überzeugte Rassisten sind, die ihre Empörung lediglich heucheln.
Ähnlich ist es auch bei kultureller Aneignung von Dreadlocks: Natürlich dürft ihr sie tragen, aber nennt sie bitte nicht so!
Letztlich bestätigt der Shitstorm, den Obot über sich ergehen lassen musste, wie notwendig Schutzräume für von Rassismus betroffene Menschen sind. Zu dieser differenzierten Erkenntnis waren aber offenbar leider nur die wenigstens fähig. Es dominierte eine überwältigende Ignoranz weißer Menschen für die Anliegen marginalisierter Mitmenschen. Twitter kann eben sehr oft toxisch sein.