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Unbekannte schänden KZ-Gedenkstätte Buchenwald und sägen Erinnerungsbäume ab

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Von: Robert Wagner

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Eine Collage zur Gedenkstätte Buchenwald mit abgesägten Erinneurngsbäumen.
Abgesägte Erinnerungsbäume nahe der Gedenkstätte Buchenwald, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Sie wurden nicht zum ersten Mal Opfer mutmaßlich rechtsextremen Vandalismus‘. © Martin Schutt/dpa/Twitter/Buchenwald_Dora

Unbekannte haben nahe der Gedenkstätte des KZ Buchenwald Bäume abgesägt, die an Opfer des NS-Konzentrationslagers erinnern. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art.

Das Internationale Auschwitz Komitee spricht laut der Deutschen Presse-Agentur (dps) von einer „hasserfüllten und kalkulierten Machtdemonstration von Neonazis“. Was war geschehen? Unbekannte haben mutmaßlich am 19. Juli auf dem Ettersberg bei Weimar nahe der Gedenkstätte Buchenwald sieben Bäume abgesägt, die an Opfer des NS-Konzentrationslagers Buchenwald erinnern sollen. Das machte der Träger der Gedenkstätte, die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, am Mittwoch auf Twitter publik.

„Wir sind entsetzt über den gezielten Angriff auf das Gedenken“, twitterte die Stiftung. Einer der erst vor wenigen Monaten gepflanzten und nun geschändeten Erinnerungsbäume war den 1.600 Kindern und Jugendlichen gewidmet, die ihre Haft und das Konzentrationslager Buchenwald nicht überlebten. Die anderen sechs galten einzelnen Häftlingen, die die Stiftung namentlich aufführt. Sie wurden ermordet, weil sie Kommunisten waren.

Die geschändeten Bäume sind Teil eines 1999 gestarteten integrativen Gedenkprojekts, das unter dem Namen „1000 Buchen“ entlang der ehemaligen Marschroute der KZ-Häftlinge Buchen pflanzt, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. So „entsteht seither Stück für Stück ein lebendiger Erinnerungsweg, versinnbildlicht durch Bäume, die Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam pflanzen und durch Baumpatenschaften finanzieren“, erklärt die Amadeu Antonio Stiftung (AAS), die das Projekt gefördert hat.

Schändung der Gedenkstätte Buchenwald sorgt für Empörung und Entsetzen

Die Empörung über diesen geschichtsvergessenen Akt ist über alle politische Lager groß. Besonders der Umstand, dass auch ein Baum zerstört wurde, der an ermordete Kinder und Jugendliche gedenkt, ekelt viele Menschen regelrecht an. Jens-Christian Wagner, einem Historiker der Gedenkstätten-Stiftung, fehlen die Worte, um sein Unbehagen auszudrücken. Er stellt fest, dass „es in Weimar offensichtlich ein Neonazi-Problem gibt.“

Emily Laquer, eine bekannte linke Aktivistin, schreibt auf Twitter kurz und knapp, dass es für die Täter „einen besonderen Platz in der Hölle“ gebe. Sie fasst damit das Stimmungsbild unter dem Tweet der Gedenkstätten-Stiftung ganz gut zusammen. Die Kommentare dort schwanken zwischen Fassungslosigkeit, Ekel und Wut.

Die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora, ein Zusammenschluss ehemaliger Häftlinge des KZ Buchenwalds, spricht von „politischem Vandalismus“, dem die Erinnerungsbäume von Buchenwald „zum wiederholten Mal“ zum Opfer gefallen seien. „Geschichtsvergessenheit und rechter politischer Vandalismus dürfen nicht das gesellschaftliche Klima prägen“, fordert sie. Der Verein erwartet nicht nur eine deutliche Verurteilung der Tat, sondern auch eine Wiederherstellung des Erinnerungszeichens, das die Bäume darstellen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, in dessen Bundesland sich die KZ-Gedenkstätte befindet, hat bereits angekündigt, sich an der Neupflanzung der getöteten Erinnerungsbäume zu beteiligen. „Wenn Bäume abgesägt werden, weil man die Erinnerung an die Gräueltaten auslöschen will, dann begeht man die Tat erneut“, schreibt er auf Twitter. Das sage viel über die Gesinnung der Täter, betont der einzige Regierungschef von der Linkspartei.

Gedenkstätte Buchenwald ist nicht zum ersten Mal Opfer von Vandalismus

Wer hinter der Tat steckt, ist bisher unklar. Die Gedenkstätte Buchenwald ist nicht zum ersten Mal Opfer (mutmaßlich) rechtsextremer Zerstörungswut geworden. Bereits in der Vergangenheit habe es in der Gedenkstätte Beschädigungen von Gedenktafeln und Hinweisschildern oder Hakenkreuz-Schmierereien gegeben, sagte ein Sprecher gegenüber der dpa. Auch Bäume des Projekts „1000 Buchen“ seien schon zuvor zerstört worden, so der Sprecher. Im Juni 2019 berichtete unter anderem die Süddeutsche Zeitung von einer ganz ähnlichen Schändung dreier Erinnerungsbäume und der Zerstörung von Gedenktafeln in der Gedenkstätte Buchenwald.

Auch dieses Mal beschränkte sich der Vandalismus nicht auf Bäume. Auch ein Wegweiser in der Gedenkstätte wurde beschädigt, indem der Hinweis zu den Aschegräbern zerkratzt wurde. Eine banal wirkende Tat, die in diesem Kontext einen politischen Hintergrund nahelegt. „Solche Attacken sind auch ein Resultat der erinnerungspolitischen Wende, zu der Rechtsextreme in der AfD immer wieder aufrufen“, sagte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, gegenüber der dpa. Seine Organisation würde die Tat „als direkten Angriff gegen alle in den Lagern ermordeten Menschen und als Angriff gegen die deutsche Erinnerungskultur“ werten.

KZ-Gedenkstätten sind zunehmend häufig Ziel rechtsextremer Agitation

Neu sind Schändungen von KZ-Gedenkstätten nicht. In den letzten Jahren sind sie zunehmend häufig zum Ziel rechtsextremer politischer Agitation geworden. So besuchte beispielsweise der berüchtigte Neonazi und Holocaustleugner Nikolai Nerling im Mai 2018 die Gedenkstätte Buchenwald, wo er während einer Führung antisemitische Parolen äußerte und den Holocaust leugnete. Für eine ähnliche rechtsextreme Störaktion vor der KZ-Gedenkstätte Dachau im Februar 2019 wurde Nerling laut der Süddeutschen Zeitung im November 2020 rechtskräftig als Holocaustleugner verurteilt. Die taz hat viele weitere Vorfälle dieser Art gesammelt.

Erst Mitte Juli 2022 wurde der thüringische AfD-Landtagsabgeordnete Torsten Czuppon vom Amtsgericht Erfurt zu einer Geldstrafe über 30.000 Euro verurteilt. Er hatte im November 2017 in der Gedenkstätte Buchenwald ein T-Shirt der einschlägig bekannten Nazi-Marke Thor Steiner getragen, was als Verstoß gegen die Hausordnung gewertet wurde. Der sich daraus ergebende Rechtsstreit führte dazu, dass Czuppon wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt wurde. Der damalige Polizeibeamte hatte Zeugen des Vorfalls angezeigt und die Verfahren selbst bearbeitet.

In das Konzentrationslager Buchenwald hatten die Nazis 280.000 Menschen verschleppt. Etwa 56.000 von ihnen wurden ermordet oder starben an Hunger, Krankheiten und medizinischen Experimenten. Am 11. April 1945 befreiten US-Truppen das Lager. Tausende Häftlinge waren zuvor noch auf sogenannten Todesmärschen ums Leben gekommen.

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