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„Wendepunkt“ bei Kinderbüchern: Die „Wilden Hühner“ wären heute nicht mehr alle weiß, sagt Autorin Funke

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Von: Jana Stäbener

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Wilde Hühner von Cornelia Funke und ein durchgestrichenes Bild der Charaktere im Film „Die Wilden Hühner und die Liebe“.
Heute wären die „Wilden Hühner“ nicht mehr alle weiß, sagt Cornelia Funke. © Wilhelm-Busch-Museum/Constantin Film/Collage

Die „Wilden Hühner“ wären heute nicht mehr alle weiß gewesen, sagt Cornelia Funke in einem Interview. Eine Expertin für diverse Kinderbücher lobt sie dafür.

Bei TikTok „Wilde Hühner“ zu suchen fühlt sich an wie ein wohlig warmer Sprung in die eigene Jugend und Kindheit – vor allem für die späten Millennials oder Angehörige der Generation Z, über die wir hier die verbreitetsten Vorteile im Faktencheck prüfen. Denn auf der App teilen einige Nutzer:innen, wie die „Wilden Hühner“ von Cornelia Funke heute leben würden, welche „Ästhetik“ ihre Outfits oder ihre Instagram-Accounts hätten.

Für alle, die mit den Büchern und Filmen um Sprotte, Melania, Frieda, Wilma und Trude aufgewachsen sind, lassen die TikToks nostalgische Gefühle über Zeiten zu, in denen man sich mittags noch mit Freund:innen über das Festnetztelefon verabredete, und wie die „Wilden Hühner“ durch die Natur zog. Hier sammeln wir 7 nostalgische Gründe, warum das Festnetztelefon nicht verschwinden sollte.

„Wilde Hühner“ but make it 2022: Cornelia Funke über Diversität in ihren Büchern

Sprotte zum Beispiel sei eine Hardcore-Feministin mit „unrasierten Beinen“, die in einem Esoterik-Shop arbeitete, erzählt eine TikTokerin (siehe TikTok unten). In einem Interview fragen Redakteurinnen von Zett Cornelia Funke, was sie davon hält, dass die Geschichte ihrer „Wilden Hühner“ auf TikTok weitererzählt wird. „Wie fantastisch ist das denn?“, antwortet die Kinderbuchautorin. So was verpasse sie leider, denn auf TikTok sei sie nicht – dafür habe sie keine Zeit.

Dass sie mit der lesbischen Wilma (sieh TikTok oben) damals eine der ersten Personen der LGBTQIA+-Bewegung in einem Jugendbuch verpackt hat, habe sie damals nicht bewusst geplant. „Wen man liebt, ist mir so egal“, sagt Funke zu Zett. Trotz dieser Vorreiterrolle für „Queerness“ reflektiert sie auch, dass ihre Bücher der „Wilden Hühner“, die 1993 erschienen, beim Thema Diversität nicht so breit aufgestellt waren, wie sie es heute im Jahr 2022 wären.

Denn als Zett Funke fragt, ob ihre Bücher anders wären, wenn sie sie heute noch einmal schreiben würde, sagt sie: „Ja, ganz anders. Als ich sie geschrieben habe, gab es eine andere soziale Realität in Deutschland. Die Geschichte spielte auf dem norddeutschen Land. Das war kein bisschen multikulturell. Heute würden nicht alle weiße Hautfarbe haben, nicht alle würden einen norddeutschen Hintergrund haben.“ Auch Handys und Instagram hätten wohl alle. TikToker:innen zeigen in ihren Videos (siehe unten), wie der Instagram-Account von den „Wilden Hühnern“ Sprotte und Wilma aussehen würde.

Auf TikTok dreht es sich jedoch nicht nur um die „Wilden Hühner“. Auch der Trend „Cluttercore“ ist dort ein Thema: Die Generation Z zeigt auf Tiktok vollgestellte Zimmer.

Wir sind bei „Diversität in der Kinder- und Jugendliteratur“ an einem „Wendepunkt“

Die Literaturbloggerin Carla Heher von Buuuch ist Expertin, was diverse Kinderbücher anbelangt. Sie freut sich, dass Cornelia Funke im Interview so offen auf die Diversität in ihren Büchern zu sprechen kommt, und auch Kritik an sich selbst übt. „Ich finde es lobenswert, dass die Autorin Cornelia Funke sich so offen gibt und Bereitschaft zum Verlernen von Sozialisierung signalisiert“, so Heher gegenüber BuzzFeed News Deutschland.

„Ich habe definitiv das Gefühl, dass wir uns seit kurzem an einem Wendepunkt befinden, was Diversität in der Kinder- und Jugendliteratur betrifft. Immer mehr Bücher spiegeln unsere vielfältige Gesellschaft mit ihren diversen kulturellen und sozialen Hintergründen wider“, sagt die Kinderbuch-Influencerin. Lange habe es hier eine große Leerstelle gegeben, die sich nun mit einiger Verzögerung langsam schließe. Auch beim Spielzeug gibt es zu wenig Diversität – eine Kulturwissenschaftlerin erklärt, wann Spielzeug sogar rassistisch ist.

Trotzdem sei auch noch viel zu tun. Gerade auch wer diverse Kinderbücher schreibe und aus welcher Perspektive, wer also an den Büchern verdiene – „da stehen wir noch ganz am Anfang“, so Eher gegenüber BuzzFeed News Deutschland. Nicht nur in der Kinderbuchliteratur ist das ein Thema. Vor kurzem erregte ein weißer Autor aus den USA Aufsehen, als er behauptete, weiße Autoren hätten es schwer – dabei ist er Multimillionär.

Noch besser als „Wilde Hühner“: Positivbeispiele für diverse Kinder- und Jugendbücher

Wir fragen Carla Eher, ob es Bücher gibt, die genau das, was Cornelia Funke heute anders machen würde, schon tun. Natürlich hat sie darauf nicht nur eine Antwort, sondern gleich mehrere – die Bloggerin beschäftigt sich schließlich andauernd mit dem aktuellsten Stand des Kinderbuchmarkts und schreibt am liebsten über „inklusive, intersektionale, vielfältige und klischeefreie #diversekinderbücher“ – so steht es auf ihrer Website. Inklusiv sind auch die neuen „diversen Barbies“, die auch mal ein Hörgerät tragen.

Aktuelle Positivbeispiele wären laut der Expertin für diverse Kinder- und Jugendbücher die Autorin Chantal-Fleur Sandjon, die „eine Schwarze und queere Stimme in der deutschsprachigen Jugendliteratur ist“ oder Ayşe Bosse, die in „Pembo“ ganz ohne Klischees über eine deutsch-türkische Migrationsgeschichte schreiben würde. Außerdem fallen ihr noch die Bücher von Andrea Karimé ein, in denen es um Hochsensibilität oder Trauer geht, bei denen aber auch Interkulturalität immer ganz nebenbei mit erzählt werde.

Diverse Kinderbücher sollen verhindern, dass Kinder überhaupt erst rassistisches Verhalten erlernen. Doch nicht nur Menschen, sondern sogar Roboter können rassistisch und sexistisch sein, zeigt Studie

Immer wieder finden sich auf TikTok übrigens auch Videos zu Fred und Sprotte – der Teenager im damaligen „Wilde Hühner“-Film sei der Grund, warum Generation Z heute Trust Issues habe, sagt diese Userin.

Und hier noch eine Outfit-Inspiration: Das würde Sprotte (die auf TikTok definitiv am beliebtesten ist) heute tragen...

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