„Unsozial“: Jusos und Junge Liberale gegen Rente mit 70 - sie schlagen Alternativen vor

Ökonomen fordern die Rente ab 70 - um gegen die Inflation zu kämpfen. Die Jugendorganisationen der SPD und FDP sind dagegen.
Im Kampf gegen die hohe Inflation fordern Ökonomen jetzt eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre. Der Wirtschaftsforscher Gunther Schnabl sagte der Bild: „Das Renteneintrittsalter muss steigen. Deutschland hat schon heute ein riesiges Fachkräfteproblem, Hunderttausende Stellen sind unbesetzt.“ Das führe dazu, dass unter anderem die Löhne in den nächsten Jahren kräftig steigen müssten und damit Waren und andere Leistungen noch viel teurer würden, sagt Schnabl in dem Gespräch, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet.
Der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sagte Bild: „Der Mix aus alternder Gesellschaft, hoher Verschuldung und Energiewende wird in den nächsten Jahren zu einer steigenden Gefahr für die Preisstabilität.“ Immer mehr Rentner:innen stünden immer weniger Beschäftigte gegenüber. Das könne zu weiter steigenden Preisen führen.
Jusos und Junge Liberale kritisieren den Vorschlag, das Renteneintrittsalter zu erhöhen
Von einem steigenden Renteneintrittalter wären vor allem die jüngeren Generationen betroffen. Von seitens der Jugendorganisationen der SPD und FDP kommt Kritik an dem Vorschlag der Ökonomen. „In körperlich anstrengenden Berufen, wo der Arbeitskräftemangel besonders hoch ist, können jetzt schon die wenigsten Menschen bis 67 arbeiten. Eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters ist eine Rentenkürzung durch die Hintertür und das lehnen wir als unsozial ab“ heißt es von Philipp Türmer, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jusos, gegenüber BuzzFeed News Deutschland. Die derzeitige Inflation habe nichts mit der Rente, dafür aber mit Rohstoffpreisen und Lieferkettenproblemen zu tun. Die Verbindung beider Debatten sei laut Türmer „unwissenschaftlich und neoliberaler Aktivismus.“
„Wir fordern ein flexibles Renteneintrittsalter“ heißt es von der Vorsitzenden der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann. Ein starres Renteneintrittsalter werde individuellen Lebensentwürfen nicht gerecht. „Viele Menschen wollen auch im Alter gerne arbeiten, wenn auch weniger als zuvor. Das muss einfacher möglich sein und sich auch finanziell lohnen. Wer hingegen früher in Rente gehen möchte, soll dies ab 60 Jahren tun können, wenn seine gesetzlichen, betrieblichen und privaten Rentenansprüche mindestens die Grundsicherung abdecken“, so Brandmann gegenüber BuzzFeed News Deutschland.
Vermögenssteuer, Integration und Überführung von Carearbeit in Erwerbsarbeit soll gesetzliche Rente stärken
Statt das Renteneintrittsalter zu erhöhen, wollen die Jusos die gesetzliche Rente stärken. Durch effektive Besteuerung von Vermögen wollen sie Kapitaleinkommen stärker an der Finanzierung des Sozialsystems beteiligen. „Als Zweites brauchen wir ein modernes Einwanderungsrecht und eine schnellere und bessere Integration von Eingewanderten und Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Dafür braucht es aber ein gutes Ausbildungssystem und die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen“, so Türmer. Außerdem werde besonders von Frauen derzeit viel unbezahlte Carearbeit verrichtet. „Durch eine Überführung von Carearbeit in Erwerbsarbeit wird sowohl der Gleichstellung geholfen als auch die gesetzliche Rente gestärkt.“
Junge Liberale fordern eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild
Die Jungen Liberalen kritisieren indes das derzeitige System der gesetzlichen Rente: „Schon heute lässt sich die Rente nur noch durch eine jährliche Umlage in dreistelliger Milliardenhöhe finanzieren“, sagt Brandmann. Wenn die Zahl der Beitragszahlenden abnehme, während die Zahl der Rentenempfänger:innen steige, werde die Rente in Zukunft schlicht nicht finanzierbar sein. Während eine Erhöhung des Renteneintrittsalters das Problem nur in die Zukunft verschiebe, fordern sie „eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild“, so die Vorsitzende der Jungen Liberalen. „Ein Teil der Rentenbeiträge fließt dann in einen unabhängig verwalteten Fonds, der über die Jahre an Wert gewinnt und so das Rentensystem nachhaltig stabilisiert.“
Als Alternative zur Rente ab 70, um Inflation und Renteneintrittsalter auszugleichen, nennt Brandmann ebenfalls eine Änderung des Einwanderungsgesetz: „Die Bundesregierung muss so schnell wie möglich ein Einwanderungsgesetz mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild auf den Weg bringen.“ Und die Inflation? Die lasse sich am nachhaltigsten durch solide Haushaltspolitik bekämpfen. „Deshalb ist es richtig, dass der Bundesfinanzminister Christian Lindner ab 2023 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will“, so Brandmann.