Sozialverband fordert Abschaffung von Minijobs – „Tafel muss ein ‚Extra‘ bedeuten“

Der Sozialverband Deutschland zeigt sich bestürzt über die starke Belastung der Tafeln. „Der Staat hat die Verantwortung, das Existenzminimum abzusichern.“
Angesichts eines beispiellosen Andrangs sehen sich die Lebensmittel-Tafeln in Deutschland an ihrer Belastungsgrenze. Die Helfer:innen seien „psychisch und physisch am Limit“, sagte der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafeln, Jochen Brühl, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. „Es ist keine Lösung, dass alle zu den Tafeln kommen.“ Die Einrichtungen könnten nicht auffangen, was der Staat nicht schaffe. „Es ist genug da, nur nicht gerecht verteilt.“
Einige Tafeln verhängen Aufnahmestopp wegen hoher Zahl an Bedürftigen
„Die Tafeln unterstützen aktuell etwa zwei Millionen Menschen, so viele wie nie zuvor in unserer 30-jährigen Geschichte“, sagte Brühl. Nach seinen Angaben haben im vergangenen Jahr 32 Prozent der Tafeln einen Aufnahmestopp verhängt, weil etwa Lebensmittel zum Verteilen an Bedürftige fehlten.
„Im bundesweiten Durchschnitt kamen im vergangenen Jahr 50 Prozent mehr Menschen zu den Tafeln. Das sind Zahlen, die die momentane Lage verdeutlichen“, sagte der Vorsitzende. Als einen Grund für den Zulauf nannte Brühl die hohe Zahl Geflüchteter aus der Ukraine.
Sozialverband nennt Situation der Tafeln „erschreckend“
„Die Berichte von den Tafeln sind erschreckend: In Zeiten von Rekordinflation und Preisexplosion können sich viele Menschen nicht einmal mehr das Essen leisten“, sagt Peter-Michael Zernechel, Sprecher des Sozialverbands Deutschland (SOVD) gegenüber BuzzFeed News DE. Er bezieht sich dabei nicht nur auf Bürgergeld-Empfänger:innen, sondern auch auf Millionen Geringverdienende, sowie Rentner:innen. Laut Dachverband der Tafeln sind auch Studierende darunter. Einer Studie zufolge sind junge Erwachsene die Altersgruppe mit dem höchsten Armutsrisiko.
„Die Arbeit der Tafeln überall in Deutschland verdient unser aller Respekt und Anerkennung“, sagt Zernechel. Er macht jedoch deutlich: „Der Staat hat die Verantwortung, das Existenzminimum abzusichern – und nicht die Tafeln. Das ehrenamtliche Engagement der Tafeln muss ein ‚Extra‘ für Betroffene bedeuten.“
13 Euro Mindestlohn und Abschaffung der Minijobs
„Menschen mit kleinem Geldbeutel leiden unter der derzeitigen Lage ganz besonders“, sagt Zernechel gegenüber BuzzFeed News DE. Damit die Tafeln nur noch eine zusätzliche Unterstützung werden, muss sich demnach die finanzielle Lage von armutsbetroffenen Menschen verbessern. Dafür braucht es laut dem Sozialverband: „Löhne und Renten, von denen man auch leben kann.“
Der Verband fordert einen Mindestlohn von mindestens 13 Euro und die Abschaffung der Minijobs vor. Zudem sei eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro notwendig. Denn nur mit Sozialversicherung gäbe es für die Betroffenen „eine armutsfeste Rente“.
Auch beim Bürgergeld wünscht sich der Sozialverband Veränderungen. Expert:innen befürchten, dass das Bürgergeld nicht ausreicht. Vor allem die Stromkosten seien kaum zu stemmen. Der Sozialverband fordert deshalb: „Wer übergangsweise keine Arbeit hat, braucht ein Bürgergeld, bei dem realistische Regelsätze auch ein würdevolles Leben ermöglichen.“ (mit Material der dpa)