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Russen fliehen ins Ausland - und bekommen Retourkutsche für ihren Rassismus 

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Von: Jana Stäbener

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Wegen der Teilmobilmachung fliehen Russen nach Kasachstan. Auf dem Wohnungsmarkt sollen sie es genauso schwer haben wie „wir in Russland“, finden Kasach:innen auf Social Media.

Aus Russland fliehen seit der Teilmobilmachung Wladimir Putins viele Männer im wehrfähigen Alter ins Ausland. Es sollen wohl schon 260.000 Rekruten außer Landes sein. Wie Merkur.de berichtete, hinterlässt Putins Teilmobilmachung Chaos und Wut in Russland. Neben Ländern wie der Türkei und Georgien, vor dessen Grenzen sich kilometerlange Schlangen bilden, fliehen viele auch in das zentralasiatische Land Kasachstan. Eine absurde Situation, denn noch 2021 wanderten viele junge Kasach:innen nach Russland aus und erlebten dort Diskriminierung – vor allem auf dem Wohnungsmarkt. Der Spieß drehe sich aktuell wohl um, witzeln sie nun trocken auf Social Media.

Diskriminierung von Kasachen in Russland: In Mietanzeigen steht „nur für Slawen“

In einem Artikel von Juni 2021 beschreibt das Magazin Diplomat ein großes Problem, das Kasachstan noch vor dem Ukraine-Krieg hatte: Gerade viele junge kasachische Musiker:innen, Künstler:innen oder andere Kreative verließen Kasachstan damals, um in Russland Karriere zu machen. Im Jahr 2016 waren es rund 33.000 Menschen, von denen 29.000 in Richtung Russland ausreisten, berichtete Eurasia.net. Laut dem politischen Analyst Bolat Sultanov, der von Eurasia.net zitiert wird, erlebte Kasachstan zu dieser Zeit seine zweite historische Auswanderungswelle.

Menschen, die aus Ländern wie Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan oder Kirgisistan nach Russland einwanderten, sahen und sehen sich dort immer wieder Diskriminierung ausgesetzt. So erzählte Alena El-Hussein in einem BBC-Artikel, wie es ist, russischer und sudanesischer Herkunft zu sein und in Moskau zu leben. Ihr ganzes Leben lang hatte sie das Gefühl, „anders“ auszusehen. „Russische Männer und Frauen identifizieren sich mit weißen europäischen Kolonisatoren. Die Unkenntnis der Geschichte verleitet sie zu einem Überlegenheitswahn“, sagt El-Hussein der BBC. Gerade Menschen aus Zentralasien seien deswegen Ziel von Rassismus.

Besonders in Moskau erleben Menschen, die zum Beispiel einen anderen Namen haben, immer wieder Diskriminierung auf dem Mietmarkt. In allen Mietanzeigen stand „nur für Slawen“, erzählt Isabel Castilio, die in Juschno-Sachalinsk [im russischen Fernen Osten] geboren ist der BBC. „Als die Vermieter meinen Namen am Telefon hörten, glaubten sie nicht, dass ich die Miete zahlen könnte, obwohl ich eine Aufenthaltserlaubnis für Moskau hatte. Ich musste mich mit ihnen persönlich treffen, damit sie sehen konnten, dass ich eine normale Person mit einem normalen Job bin.“

Reservisten aus Russland fliehen nach Kasachstan – Kasachen drehen Spieß um

Dass jetzt aufgrund der Teilmobilmachung viele Russ:innen zum Beispiel aus Moskau in östliche Länder fliehen, dreht für Menschen aus Zentralasien den Spieß um. Sie teilen auf Social Media (zum Beispiel auf TikTok) Videos, in denen sie Vermieter:innen und Wohnungssuchende nachspielen. Nicht nur Kasachen, sondern auch ein paar Russen selbst, die dem Ukraine-Krieg kritisch gegenüberstehen, äußern mit diesen Videos Kritik am Rassismus.

„Hallo, ist die Wohnung noch frei?“, fragt ein Mann in einem Video per Telefon. „Ja, aber nur für Personen mit asiatischem Aussehen“, antwortet er sich selbst (mit einer Decke über dem Kopf, die vermutlich Haare darstellen soll). Das Video wurde am 25. September auf dem Twitter-Profil von Yakutsk News geteilt und von der ARD-Korrespondentin Ina Ruck weiter verbreitet. Es greift die ernste Diskriminierungsproblematik auf lustige Art und Weise auf, ähnlich wie lustige Memes über Russland im Ukraine-Krieg.

Mehr zum Ukraine-Krieg? So spionieren ukrainische Hacker russische Soldaten mit Frauen-Fake-Profilen aus.

„Als Moskauer kamen, um eine Wohnung zu mieten, selbst aber früher nur an ‚Slawen‘ vermieten wollten.“

Auf TikTok finden wir von BuzzFeed News DE weitere Videos, die sich zu dieser Thematik äußern. Dieser User (siehe TikTok unten) schreibt in sein Video, dass er am 23. September teilte: „Als Moskauer kamen, um eine Wohnung zu mieten, selbst aber früher nur an ‚Slawen‘ vermieten wollten.“

Mittlerweile scheint auch Russland für das Einwandern werben zu müssen – anders erklärt sich nicht dieses skurrile Video, in dem für schöne Frauen und billiges Gas in Russland geworben wird.

„So ihr Russen. Jetzt drehen wir den Spieß um.“

Dieser User hat in seiner BIO stehen, er sei in Russland gesperrt. Es ist denkbar, dass er selbst aus Russland kommt und an seinem eigenen Land auf diese Art Kritik übt. Er spielt in seinem TikTok eine Art Rollenspiel und betitelt es mit den Worten „Nun, das Leben wird heute vorbei sein #Humor #Kasachstan #Russland #Mobilisierung“.

Es klingt in etwa so:

Person 1 (Vermieter in Kasachstan): „So, ihr Russen. Wisst ihr noch, als ihr Wohnungen nur an Slawen vermietet habt? Jetzt drehen wir den Spieß um.“

Person 2 (Russe): „Sei doch nicht so beleidigt, es gibt auch Anzeigen, die schon immer nur Frauen und Familien nahmen.“

Person 1: „Das ist etwas anderes. Finger weg von Kasachstan!“

Person 2: „Okay, dann gehe ich nach Istanbul.“

„Moskau hat nicht für alle Platz“

Frau aus Kasachstan auf TikTok über Diskriminierung bei der Wohnungssuche in Russland.
Auf TikTok und Co. teilen Menschen aus Kasachstan Videos, in denen sie von Diskriminierung bei ihrer Wohnungssuche in Russland berichten. Mit den Flüchtigen von Russland nach Kasachstan drehe sich das Blatt nun um, finden einige Kasachen auf Social Media. ©  Igor Kovalenko/dpa/Screenshot TikTok/Collage

Diese TikTok-Userin schreibt in ihrer BIO, dass sie aus der Hauptstadt Kasachstans, Astana, kommt. Sie postet ein schadenfrohes Video, das sie 2021 zu Tode betrübt und 2022 gut gelaunt zeigt. Noch 2021, bevor der Ukraine-Krieg ein Thema war, sagte man ihr in Moskau: „Moskau hat nicht für alle Platz. Mädchen, ich vermiete meine Wohnung nur an Slawen.“ Sie habe sich sogar Beleidigungen wie „Ohne das zaristische Russland würdest du noch in einer Jurte wohnen“ anhören müssen. Heute, 2022, wo so viele Russ:innen aufgrund der Teilmobilmachung nach Kasachstan wollen, könne sie darüber nur lachen. Zum Abschluss zwinkert sie ironisch in die Kamera.

„Ich erinnere mich, wie ich vor sechs Jahren als Studentin eine Wohnung in Tscheljabinsk [Großstadt in Russland] suchte – in allen Anzeigen stand ‚für Slawen‘“, schreibt diese Frau in ihr TikTok-Video.

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