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„Sad Beige Moms“ wehren sich auf TikTok gegen Mom Shaming – Expertin gibt ihnen recht

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Von: Jana Stäbener

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Auf TikTok gibt es die „Sad Beige Moms“. Sie lassen ihre Kinder „angeblich“ nur mit traurig, beigem Spielzeug spielen. Der Kritik sind sie sich bewusst und wehren sich.
Auf TikTok gibt es die „Sad Beige Moms“. Sie lassen ihre Kinder „angeblich“ nur mit traurigem, beigem Spielzeug spielen. Der Kritik sind sie sich bewusst – und wehren sich. © Screenshots TikTok @homeoflemons @lex.delarosa

Beiges Kinderzimmer, Holzspielzeug und weiße Musselin-Hosen: Sind „Sad Beige Moms“ gefährlich für ihre Kinder? Eine Entwicklungspsychologin klärt auf.

Auf TikTok gibt es von Eltern und für Eltern interessante Inhalte – dort entstehen geradezu neue Erziehungstrends: Mütter zeigen auf TikTok zum Beispiel, wie sie ihre Kinder ohne Schimpfen erziehen. Der Trick hier lautet „Gentle Parenting“, angelehnt an die Montessori-Pädagogik, bei der man dem Kind auf Augenhöhe begegnet.

Neben diesem Trend geistert auf TikTok auch seit einiger Zeit der „Sad Beige Baby“-Trend herum. Mütter, deren Kinder „Sad Beige Babys“ sind, heißen „Sad Beige Moms“. Sie lieben alles, das beige, weiß, braun oder ockerfarben ist. Auch Pastellfarben sind ok, aber bitte kein quietschgelb, giftgrün oder knallpink.

Damit sind sie ein wenig wie die Vanilla Girls, nur eben mit Kind. Auch das Kinderzimmer, ja sogar das Spielzeug der Kleinen muss ihrer neutralen Ästhetik entsprechen (siehe TikTok unten). Aber ist das für die Kinder wirklich so „sad“? BuzzFeed News DE fragt genau das eine Entwicklungspsychologin.

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„Sad Beige Moms“ rächen sich auf TikTok mit Sarkasmus

Auf TikTok gibt es einen ganzen Account, der sich dem Thema „Sad Beige“ verschrieben hat. Befüllt wird @sadbeige von einer jungen Frau, der „Sad Beige Lady“. Ihr Name ist Hayley DeRoche und sie ist laut Todays Parent Bibliothekarin, Schriftstellerin und Mutter. Über ästhetisch ansprechende Spielsachen oder Kleidung macht sie sich in ihren TikToks lustig, indem sie mit deutschem Akzent vom Dokumentarfilmer Werner Herzog spricht. Der, so schreibt zumindest das Elternmagazin, sei für seine „öden“ Zitate bekannt.

Ihre Videos triefen vor Ironie. Trotzdem haben sie auf TikTok aber geradezu ein „Sad Beige Mom“-Shaming ausgelöst. Sobald eine Mutter (so scheint es) auch im Kinderzimmer Wert auf eine harmonische Einrichtung zu legt, anstatt auf Clutter-Core zu setzen, muss sie sich Kommentare anhören wie: „Dein armes Kind“, „Kinder brauchen farbige Zimmer“ oder „Sieht einfach traurig aus“. Manchen Müttern reicht das jetzt: Sie nutzen den Begriff „Sad Beige Baby“ als Empowerment und teilen ironische Videos, in denen sie zeigen, wie unglaublich traurig ihre Kinder (nicht) sind (siehe unten).

„Wie ich ihm sage, dass TikTok ihn für ein trauriges, beiges Baby hält“, schreibt die TikTokerin @homeoflemons unter ein Video, das sie mit ihrem Sohn (er trägt beige Klamotten) zeigt. Eine andere Mutter nutzt den Ausdruck, um andere „Sad Beige Moms“ auf ein schönes Spielzeug hinzuweisen, dass sie gesehen hat. Eine weitere zeigt ironisch, wie ihr Kind mit pastellfarbenen Steinen spielt. „Lasst uns gemeinsam mit meinem traurigen, beigen Baby Farben lernen“, schreibt sie dazu (siehe unten).

Eine andere deutsche Mutter nimmt ihre Kritiker:innen auf die Schippe und setzt einige „quietschbunte“ Spielsachen in ihr trauriges beiges Kinderzimmer. „Damit mein Baby nicht mehr traurig sein muss“, sagt sie im Voice-Over sarkastisch (siehe unten).

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Entwicklungspsychologin hält „Sad Beige Baby“-Debatte für „völlig absurd“

Aber wie ist das denn: Ist es wirklich schlecht für Babys und Kleinkinder, wenn sie nicht mit knallbuntem Spielzeug überhäuft werden? Das fragen wir von BuzzFeed News DE die Entwicklungspsychologin Marlena Mayer von der Universität Hamburg. Dafür bräuchte es erst einmal eine Studie, in der eine Gruppe Babys nur in einer strikt-monotonen Umgebung aufwächst, die andere in einer bunten. „Dies ist natürlich völlig absurd und ethisch undenkbar – weshalb es auch keine konkreten Beweise gibt, die für oder gegen eine bestimmte Kinderzimmerästhetik sprechen“, sagt sie.

Außerdem sehe die Lebensrealität der „Sad Beige Babies“ komplett anders aus. „Auch wenn bestimmte Dinge wie Spielsachen, Möbel, Kleidungsstücke oder Raumfarben nur ein ganz bestimmtes Farbspektrum abdecken, sind Babys und Kleinkinder in ihrem alltäglichen Leben reichlich farblicher Sättigung und Abwechslung ausgesetzt.“ 

Zum Beispiel, wenn sie in Kontakt mit Alltagsgegenständen oder Menschen kommen, in der Natur seien, oder die Kita besuchten. „Deshalb schätze ich es persönlich als extrem unwahrscheinlich ein, dass die beige Ästhetik einen besonderen Effekt auf die Entwicklung der Babys hat, oder dass die Kinder deshalb besonders traurig sind.“

„Beige Babys nehmen ausreichend Farben in ihrer Umwelt wahr“

„Also sind bunte Spielsachen nicht unbedingt wichtig, damit Babys Farben lernen?“, fragen wir Mayer. Sie glaubt nicht, sagt sie. Es stimme, dass Kinder in den ersten sechs Monaten ihres Lebens Farben lernen – und das vor allem über ihre Umwelt. Auch zeigte eine Studie, dass Babys gesättigte Farben wie blau, lila und rot besonders mögen. „Da aber auch beige Babys im Großen und Ganzen ausreichend Farben in ihrer Umwelt wahrnehmen, gehe ich nicht davon aus, dass sich das bei ihnen unterschiedlich verhält.“ Generell werde die Bedeutung von Spielzeug oft überbewertet, so die Entwicklungspsychologin.

Mayer ist Expertin für Objektverständnis bei Säuglingen und promoviert zu diesem Thema. „Babys lernen zwar über Objekte und ihre Eigenschaften, indem sie Gegenstände beobachten und erkunden, aber ob diese Gegenstände aus der Spielwarenbranche kommen oder nicht, macht keinen nennenswerten Unterschied“, erklärt sie. Oft spielten Babys lieber mit Brillen, Socken oder Kugelschreibern, als mit buntem Plastikspielzeug.

Ob eine Mutter oder ein Vater sich also für eine beige Inneneinrichtung und neutrales Spielzeug entscheide, mache ihn oder sie nicht zu einem schlechteren Elternteil. Den Farbton „Sad Beige“ zu mögen, sei wirklich keine Erziehungsentscheidung. „Es würde auch niemand hinterfragen, ob Eltern, die buntes Geschirr zu Hause haben, irgendetwas besser machen, als Eltern mit weißem Geschirr“, so Mayer. „Ich finde die Diskussion deshalb ein wenig überzogen – oder vielleicht auch beispielhaft für die vorherrschende Mom-Shaming-Kultur.“

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