„Weil nie jemand darüber redet“ – Podcasterin spricht offen von Problemen beim Schwanger werden

Eine Podcasterin erzählt auf Instagram von ihren Problemen, schwanger zu werden. Ein Experte erklärt, was dahinter stecken könnte.
Für viele in der Millennial-Generation ist Kinderkriegen aktuell ein großes Thema. Auf Social Media sieht man hier und da, wer (schon wieder) schwanger geworden ist, wer gerade trotz hoher Immobilienkosten und Handwerker:innen-Mangel ein Haus renoviert oder wer gerade sein erstes Kind bekommen hat. Dabei ist natürlich weder die Schwangerschaft nur eitel Sonnenschein, noch die ersten Monate mit einem Neugeborenen.
Trotzdem sieht es in den sozialen Medien oft so aus, als ob Kinder zu haben immer nur toll ist. Oder als ob schwanger zu sein (und zu werden) die leichteste Sache der Welt ist. „Nicht mit mir“ denken sich manche, wie zum Beispiel Hazel Brugger, die Menschen mit Depressionen klarmacht, dass auch sie damit zu kämpfen hat. Auch die Podcasterin und Radiomoderatorin Ariana Baborie, bekannt aus „Herrengedeck“ und „Endlich normale Leute“ zeigt auf Instagram die weniger schönen Dinge des Lebens.
Sie teilt Ende November 2022 ein Instagram-Reel (siehe unten) mit dem Titel „50 shades of Kinderwunsch“. In diesem Video zeigt sie sich bei Untersuchungen im Kinderwunschzentrum, filmt sich dabei, wie sie Hormontabletten nimmt, LH-Tests und HCG-Tests macht und trotzdem immer wieder mit negativen Schwangerschaftstests belohnt wird. Ihr Fazit: „Schwanger werden und ‚einfach so‘ liegen sehr oft am jeweils anderen Ende der Skala.“
Schwanger werden: Fünf Wecker am Tag für Hormontabletten
Vor eineinhalb Jahren habe sie noch gedacht „Ja cool let‘s do it, dann werden wir wohl bald Eltern“. Das habe die Gesellschaft einem ja 30 Jahre lang „eingeprügelt“, dass man einmal nicht verhüte und dann sofort schwanger werde – „LOL“. Ihre eigenen Erfahrungen hätten sie besseres gelehrt. Die 34-jährige Podcasterin schreibt auf Instagram, sie sei sauer. Weil sie sich das doch ihr halbes Leben lang gewünscht und ganz anders vorgestellt habe.
Manchmal sei es auch deswegen ermüdend, weil es so viele mögliche Gründe gebe, warum es nicht klappt. „Und selbst wenn alle Werte optimal sind, kann es sein, dass es trotzdem nicht funktioniert. Und keiner kann so richtig sagen, warum.“ Ob sie schwanger sei oder nicht, erfahre sie jeden Monat am Telefon durch einen Anruf vom Labor, bei dem sie vorher Blut abgezapft bekommen habe. Je nach Zyklusphase klingelten am Tag fünf Wecker für all die verschiedenen Tabletten.
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„Weil nie jemand darüber redet, dachte ich immer, das passiert auch niemandem“
„In jedem scheiß Film kaufen Frauen in der Drogerie einen Test und starren zu Hause mit ihrer besten Freundin auf den angepinkelten Streifen, schreien hysterisch, wenn der zweite Strich erscheint“, so Baborie. Doch das sei für viele, nicht die Realität. „Ich glaube, genau das ist das Problem. Weil nie jemand darüber redet, dachte ich immer, das passiert auch niemandem. Spoiler: ist nicht so.“ Irgendwie wolle sie zwar auch nicht darüber reden, aber es „auch nicht mehr verstecken“.
Volker Ziller würde ihr da sicher zustimmen: Nicht für alle ist es leicht, Kinder zu bekommen. Er ist außerplanmäßiger Professor an der Universität Marburg und leitet dort den Schwerpunkt gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Frauen wie Baborie seien ein typischer Fall bei ihnen im Kinderwunschzentrum, sagt er BuzzFeed News DE. Frauen, die mit Mitte dreißig die Kinderplanung starten, ein Alter, ab dem langsam die Wahrscheinlichkeit für Probleme beim Schwanger werden steigt – allein schon, weil Eizellen und Spermien altern.
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Reproduktionsmediziner: „Über den Faktor Alter muss mehr aufgeklärt werden“
Natürlich gebe es auch 20-Jährige mit hormonellen Störungen, die es schwer hätten, schwanger zu werden. Aber: „Das Alter beim ersten Kind wird immer höher und das bringt automatisch die Fruchtbarkeitsprobleme mit sich.“ Daten des Statistischen Bundesamts bestätigen: Mütter in der ganzen EU sind bei ihrem ersten Kind älter als vor 20 Jahren. In Deutschland sind sie im Schnitt 30 Jahre alt.
„Über den Faktor Alter muss mehr aufgeklärt werden“, findet der Mediziner. Wenn er in seinen Vorlesungen herumfrage, ab welchem Alter die Fruchtbarkeit abnehme, merke er, dass selbst unter Medizinstudent:innen das Bewusstsein fehlt, wie die Kurve zu Fruchtbarkeit und Alter genau verlaufe. Ziller kann also gut verstehen, dass Baborie das Gefühl hat, niemand rede über diese Probleme beim Schwanger werden.
Schwierigkeiten bei der Familienplanung würden heute immer noch zu sehr tabuisiert. Man rede eben nicht gern darüber, dass die eigenen Spermien oder Eizellen altersschwach seien. Gerade bei den Männern müsse sich hier etwas ändern, denn oft seien es die Frauen, die zum Arzt gingen, obwohl in 50 Prozent der Fälle der Mann die Ursache mitbringe. Ein Spermiogramm müsse ja nicht peinlich sein – es sei eben eine ganz normale Untersuchung, so Ziller gegenüber BuzzFeed News DE.
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„Ab einem gewissen Alter kann auch die Reproduktionsmedizin das nicht mehr auffangen“
Ist Verhütung schuld, dass wir zu lange mit der Kinderplanung warten? Ziller sieht das nicht so. „Jeder will heute eine bewusste Lebensplanung und Freiheiten, die ja erst durch die Verhütung möglich werden. Aber diese Freiheiten bringen eben auch mit sich, dass man die Biologie schnell vergisst. Ab einem gewissen Alter kann auch die Reproduktionsmedizin das nicht mehr auffangen.“
Wir fragen den Reproduktionsmediziner, wie lange es denn normalerweise dauere, bis man schwanger werde. Gar nicht so einfach zu beantworten, da es erstaunlich wenige gute Studien dazu gebe, sagt Ziller. Er versucht es trotzdem: „Wenn man es vereinfacht darstellt, dann kann man sagen, nach sechs Monaten sollten etwa 70 Prozent schwanger sein, nach einem Jahr etwa 80 Prozent. Bei Jüngeren sind es vielleicht ein wenig mehr, bei 40-Jährigen weniger.“
Das bedeute, sechs Monate dauere es meistens. Wer über 35 Jahre alt sei, sollte nach dieser Zeit dann aber schon abklären lassen, ob alles passe. Wer jünger ist, kann sich bedenkenlos auch mal ein Jahr Zeit geben. „Aber nach einem Jahr ohne Schwangerschaft ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man zu den 15–20 Prozent gehört, die ein Fertilitätsproblem haben“, erklärt Ziller BuzzFeed News DE.
Passen Biologie und Kinderplanung heutzutage nicht mehr zusammen?
Wir fragen ihn danach, ab wann man (wenn man möglichst keine Kinderwunschbehandlung möchte) mit der Kinderplanung starten sollte. „Rein biologisch ergibt es Sinn, während des Studiums (also bis Mitte zwanzig) schwanger zu werden. Aber das passt eben bei vielen nicht in die Lebensplanung. Deswegen würde ich sagen: bis etwa 35 hat man statistisch gesehen noch wenig Probleme zu erwarten“, sagt Ziller.
Ob er das Gefühl habe, dass unsere Gesellschaft und unsere Biologie beim Thema Kinderplanung heutzutage nicht mehr zusammenpassen? Ziller überlegt. Er könne natürlich verstehen, dass es rein finanziell für viele eine große Herausforderung ist, früh Mutter oder Vater zu werden. Ein Kind ist für viele Luxus – bis zum Studium kostet es 230.000 Euro. „Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass wir es gar nicht möglich machen, der Biologie den Vorrang zu geben. Wenn es besser vereinbar wäre, Kinder und Karriere zu haben, dann gäbe es vielleicht auch wieder früher Schwangerschaften.“
Vor allem für Frauen sind Kind und Karriere oft nicht einfach zu stemmen, sagt Transgender CEO Caroline Farberger, die die Arbeitswelt aus beiden Perspektiven gesehen hat.