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4 Fälle entlarven, warum das Fahren ohne Ticket keine Straftat sein sollte

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Von: Felicitas Breschendorf

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Fahren ohne Fahrschein - weniger Fälle durch 9-Euro-Ticket
Polizist:innen stehen in der Dresdner Innenstadt an einer Straßenbahn-Haltestelle © Robert Michael/ dpa

Wer Geldstrafen für das „Schwarzfahren“ nicht bezahlt, kann ins Gefängnis kommen. Eine Änderung wäre nicht nur für armutsbetroffene Menschen eine Erleichterung.

Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger:innen finden die Idee gut, „Schwarzfahren“ künftig nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Das zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der Plattform Frag den Staat.

In der Regel wird eine Geldstrafe fällig, wenn jemand ohne gültigen Fahrschein erwischt wird. Die Meinungsforscher:innen hatten erst gefragt, ob die Teilnehmer:innen der Umfrage es richtig finden, dass Schwarzfahrer:innen, die die Geldstrafe nicht zahlen, eine Gefängnisstrafe antreten müssen. Hier ist die Bevölkerung gespalten: Die Hälfte der Wahlberechtigten findet das richtig. 45 Prozent der Bundesbürger:innen sind dagegen.

Du hast es schon mal bereut, ohne Fahrschein zu fahren? Hier sind noch weitere teure Fehler, die Leute lieber nicht gemacht hätten.

Ersatzfreiheitsstrafe für armutsbetroffene Menschen sei „unverhältnismäßig und sinnlos“

Die Initiative „Freiheitsfonds“ setzt sie sich dafür ein, dass Menschen nicht mehr für das Fahren ohne Ticket ins Gefängnis kommen können. Diese Gefängnisaufenthalte kosten den Angaben der Initiative zufolge viele Millionen jährlich. Das Geld soll stattdessen in günstigeren Nahverkehr und soziale Angebote investiert werden, fordert Arne Semsrott, der Gründer der Initiative.

Er startete eine Petition gegen die Ersatzfreiheitsstrafe, die bereits 100.000 Unterschriften hat (Stand 14. April 2023) . „Die Bestrafung vor allem armer Menschen ist entwürdigend, unverhältnismäßig und sinnlos“, heißt es darin.

Hier sind vier Erlebnisse von Fahrgästen, die zeigen, warum das Fahren ohne Ticket nicht mehr als Straftat behandelt werden sollte:

1. Diskriminierung von Menschen mit Behinderung:

2. Die Strafen wegen „Schwarzfahren“ sind teilweise völlig willkürlich:

Weil das Ticket in der App erst nach zwei Minuten gültig wird, ein Mann aber schon nach einer Minute kontrolliert worden sei, habe er 60 Euro Strafe zahlen müssen.

3. Menschen, die sich das Bahn-Ticket nicht leisten können, werden bestraft

Im Gegensatz zu den meisten Menschen können sich Armutsbetroffene oft nicht leisten, die Strafen für das Fahren ohne Ticket zu zahlen. Sie sind es, die später im Gefängnis landen, heißt es in einem Instagram-Post der ehrenamtlichen Organisation youngcaritas Mainz. „Armutsbetroffene Menschen fahren ohne Ticket, weil sie kein Geld haben, um ein Ticket zu kaufen, und müssen dann ins Gefängnis, weil sie die Strafe nicht zahlen können.“

Ein Beispiel:

Die Initiative „Freiheitsfonds“ hilft Menschen aus dem Gefängnis, die dort aufgrund von Fahren ohne Fahrschein einsitzen. Einen ähnlichen Einsatz zeigt auch eine weitere Initiative: Der „9 Euro Fonds“ zahlt Mitglieder:innen die Strafen fürs Fahren ohne Ticket.

4. Diskriminierung von obdachlosen Menschen:

So realistisch ist es, dass „Schwarzfahren“ bald wirklich keine Straftat mehr sein kann

Tatsächlich berät der Bundestag aktuell über eine Reform des Sanktionenrechts, die unter anderem kürzere Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht. Am kommenden Montag (17. April) soll es dazu eine Anhörung von Sachverständigen im Rechtsausschuss geben.

Wer eine Geldstrafe nicht zahlt, sitzt die Summe alternativ im Gefängnis ab. Die Zahl der Tage, die Betroffene dann hinter Gitter verbringen müssen, entspricht aktuell den Tagessätzen, zu denen sie verurteilt wurden. Der Entwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht künftig eine Halbierung der Zahl der Hafttage vor.

Die von Politiker:innen der SPD, der Linken und der Grünen vorgeschlagene Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ ist nicht Teil dieser geplanten Reform. Erste Vorschläge dazu, wie man künftig mit der sogenannten Beförderungserschleichung umgehen will, sollen aber bald kommen.

Wer schon jetzt wegen „Schwarzfahrens“ nicht ins Gefängnis möchte, bekommt Unterstützung: Die Initiative zahlt deine Mahnungen, die du fürs Schwarzfahren bekommst.

Warum der Begriff „Schwarzfahren“ problematisch ist

Auf Twitter fragt sich der Nutzer @, warum es „Schwarzfahren“ und nicht „Falschfahren“ heißt, genauso wie man auch von „Falschparken“ spricht. Er ist mit seiner Verwirrung nicht alleine. Der Begriff „Schwarzfahren“ steht schon länger in der Kritik.

Nach den Verkehrsbetrieben in Berlin, München, Hamburg und Hannover, erklärten zuletzt der Nordhessische Verkehrsverbund (NVV) und die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG, dass sie „Schwarzfahren“ aus ihrem Wortschatz streichen wollen, wie das Kassler Stadt-Magazin Mittendrin Kassel berichtet. Das heißt, dass auf keinen Plakaten oder sonstigen Hinweisen mehr von „Schwarzfahren“ die Rede sein soll.

„Der Ursprung des Begriffes ‚Schwarzfahren‘ hat zwar keinen rassistischen Hintergrund, der Begriff verbindet aber das Wort schwarz mit Kriminalität und Illegalität. Den Begriff schwarz mit etwas Negativem zu verbinden, hat durchaus eine Jahrhunderte alte Tradition in der Geschichte des Rassismus und Kolonialismus“, begründete die Pressesprecherin der KVG Mittendrin Kassel ihren Entschluss.

Wie rassistisch Wörter sein können, ist nicht immer eindeutig. Der Schwarze TikToker Josevelli erklärte BuzzFeed News DE zum Beispiel, dass man „Mohrenapotheke“ nicht umbenennen sollte. (Mit Material der dpa)

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