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Instagram-Konkurrenz? Ich habe die neue Social-Media-App „BeReal“ ausprobiert

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Kelsey Weekman © Kelsey Weekman

Ich habe die neue Social-Media-App „BeReal“ ausprobiert. Sie soll Apps wie Instagram und Twitter Konkurrenz machten und ist bei Generation Z sehr beliebt.

BeReal ist eine „nur-ein-Post-pro-Tag-App“, die wegen ihres „Anti-Instagram-Ethos“ gerade bei der Generation Z ganz schön beliebt ist. Ziemlich langweilig ist sie aber auch. Wie bei Wordle kann man BeReal nur einmal am Tag nutzen, den genauen Zeitpunkt kann man sich dabei nicht aussuchen. Stattdessen muss man warten, bis zufällig eine Vorankündigung erscheint. Dann hat man zwei Minuten Zeit, etwas zu posten.

Screenshot der BeReal-App.
Diese Benachrichtigung erhalten User:innen, wenn sie die BeReal App nutzen sollen. © Kelsey Weekman

Sobald Nutzer:innen auf die Benachrichtigung klicken, nimmt BeReal ein Foto mit der vorderen und hinteren Kamera des Smartphones gleichzeitig auf. Die Fotos werden dann automatisch im Feed gepostet, damit deine Freund:innen es sehen können. Ziel ist es, Social Media authentischer zu machen. Darum dreht es sich auch beim TikTok-Sound „The Internet isn‘t real life“, zu dem TikToker die Wahrheit hinter der Scheinwelt zeigen. Anders als bei Instagram geht es hier nicht darum, aus 40 Fotos, die aus drei Blickwinkeln aufgenommen wurden, das Beste auszuwählen (am besten noch extrem bearbeitet und inszeniert). Das bedeutet jedoch nicht, dass die BeReal-Nutzer:innen keine Leistung erbringen – oder dass die Inhalte nicht ansprechend sind.

BeReal-App: „Ich habe mich schlechter als auf Instagram gefühlt“

Der Mangel an Kontrolle bedeutet manchmal, dass man Neuigkeiten erfährt, die man eigentlich gar nicht wissen wollte. Kelly P., eine 25-jährige Fotografin aus Ohio, die ihren Nachnamen aus Angst vor noch mehr Drama nicht nennen wollte, erzählte BuzzFeed News US, dass sie durch die App erfahren hatte, wie sich alle ihre Freund:innen ohne sie getroffen hatten.

„Gestern Abend habe ich auf der App gesehen, dass ein paar unserer Freunde die Verlobung einer meiner besten Freund:innen ohne mich gefeiert haben“, erzählte Kelly. „Ich habe mich schlechter als auf Instagram gefühlt“, sagt Kelly, „Ich dachte mir: Was ist das für eine alternative Realität, in der ich lebe?“ Auf Instagram müssen dagegen vor allem Frauen oft Hass-Nachrichten ertragen: Die Plattform geht dagegen so gut wie nie vor. Das Foto hatte keine Bildunterschrift, die gibt es auf BeReal nämlich nicht. Dennoch verspürte Kelly Eifersucht, gegen die sich nicht anzukämpfen wusste.

Wer BeReal nutzen will, muss einige Regeln beachten

Als jemand, der bereits damit kämpft, seine tägliche Bildschirmzeit auf unter 12 Stunden zu reduzieren, erscheint mir der Gedanke, meine Benachrichtigungen aktiviert zu lassen und mein Telefon ständig in Reichweite zu haben, um sofort authentisch zu wirken, geradezu selbstzerstörerisch.

Es gibt außerdem viele weitere Regeln auf BeReal: Keine Filter, keine im Vorhinein geplanten Beiträge, keine Entwürfe, keine zurückgestellten Posts in deinem Profil, keine Hashtags und keine Chance, mehr als einmal pro Tag einen Beitrag zu wiederholen. Du musst etwas posten, um die Beiträge deiner Freund:innen an dem Tag zu sehen. Du kannst auch spät posten, aber dann werden alle darüber benachrichtigt.

Screenshot der Social-Media-App BeReal.
Zesha Saleem und einer ihrer BeReal Posts. © Zesha Saleem

„Wenn ich mal nichts auf BeReal poste, schreiben mir alle direkt“

Zesha Saleem, eine 20-jährige Schriftstellerin, findet die „Dringlichkeit“ der App unerträglich. Sie sagte gegenüber BuzzFeed News US, das alles gäbe ihr einen „2016 Snapchat Streak Vibe“. „Wenn ich mal nichts poste, schreiben mir alle meine Freund:innen direkt: ‚Warum postest du nicht? Wo bist du?‘. Bei Instagram und Twitter kann ich mich wenigstens auch mal zurückziehen, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen“, so Zesha. „Bei BeReal poste ich einfach nur um zu posten“.

Und dennoch sind Millionen von Menschen von der App begeistert. Einem Bericht der App-Datenplattform Data.ai zufolge, der BuzzFeed News US zugesandt wurde, haben seit Januar 2022 weltweit 3,2 Millionen Nutzer:innen die App heruntergeladen, womit sich die Gesamtzahl auf 5 Millionen erhöht hat. Die App wurde zunächst in Frankreich eingeführt, verzeichnete aber in den letzten drei Monaten einen starken Anstieg der Downloads in den USA, Großbritannien, Spanien, Dänemark und Mexiko.

App „BeReal“ ist mehr Gruppenchat als Social-Media-Plattform

Der 22-Jährige Michael Meares aus North Carolina, erzählte BuzzFeed News US, dass er seit einem Monat keinen einzigen Tag auf der App verpasst habe und darauf auch weiterhin nicht verzichten wolle. Die zeitlich zufälligen Benachrichtigungen und das kleinere Netzwerk, das er auf der App hat, lassen es für ihn eher wie ein Gruppenchat erscheinen und verringerten den Druck, etwas Tolles posten zu müssen. Für ihn sei der Einsatz so gering, dass die App ein Gewinn in seinem Leben sei.

„Ich habe so sieben bis acht Freunde auf der App und war gerade letztes Wochenende mit ihnen in New Orleans, also waren unsere BeReal-Posts immer im Hintergrund der anderen“, erzählte Michael. „Es dauert nur etwa 10 Sekunden, und ich habe nicht so viele Freund:innen, dass ich in den Strudel der App zu lange hereingezogen werde.“ Sein Feed – wie auch die „Explore“-Seite der App – besteht hauptsächlich aus Fotos von Menschen, die arbeiten oder lernen. Er freute sich also sehr, als er am 4. April beim NCAA-Basketball-Meisterschaftsspiel der Männer war, und die Benachrichtigung in der App aufploppte.

Screenshot der App BeReal.
So sieht die App BeReal bei Michael Meares aus. © Michael Meares

Für die 28-jährige Elle Harrigan ist die App ein „süßer kleiner täglicher Check-in mit den besten Freunden“. Viele von ihnen sieht sie im wirklichen Leben nicht so oft, und sie genießt die unaufdringlichen Baby- und Haustier-Updates. „Ich liebe es, kleine Stücke aus ihrem täglichen Leben zu sehen“, sagte sie gegenüber BuzzFeed News US. „Ich benutze die App oft dann, wenn ich im Bett liege, was mich bei anderen Apps vielleicht schlecht fühlen lässt. Aber meine Freund:innen liegen auch super oft einfach nur im Bett.“

„Erst wenn ich nichts anderes mehr auf meinem Handy zu tun habe, überprüfe ich diese dumme App“

Matt Wisner, ein 23-jähriger Schriftsteller und professioneller Läufer, erzählte BuzzFeed News US, dass das „Mädchen in [seiner] Freundesgruppe mit dem niedrigsten Instagram-Follower-Konto“ vorschlug, dass sich alle die App herunterladen sollten. Matt willigte ein, obwohl er schon wusste, dass er die App hassen würde.

„Wir schreiben uns alle gegenseitig diese langweiligen und leidenschaftslosen Beiträge“, sagte er. „Ich versuche, während des zweiminütigen Countdowns, der mir zur Verfügung steht, so interessant wie möglich auszusehen, aber inzwischen ist es mir einfach komplett egal, ob ich zu spät bin.“"Ich klicke erst auf die Benachrichtigung, wenn... ich nichts mehr auf meinem Handy zu tun habe, außer diese dumme BeReal-App zu überprüfen", so Wisner.

Wisner ergänzte, dass er sich „keine Sorgen darüber macht, hässlich auszusehen“. Was er gar nicht möge, sei die Tatsache, dass sich die Selfie-Funktion anfühlt wie „der Tag in der Schule, an dem der Fotograf bis drei zählt, aber das Foto bei zwei macht“. In seinem letzten Post hatte er dann die Augen zu.

Screenshot BeReal App.
Matt Wisner zeigt auf BeReal des Öfteren, wie er für ein Rennen trainiert. © Matt Wisner

Es gibt auf der Plattform BeReal keine Möglichkeit, viral zu gehen

Im Moment ist mein „Explore“-Feed mit Beiträgen gefüllt, die mit Island und Finnland getaggt sind, mit einer Menge Fotos von Schlafzimmern und Computerbildschirmen, die mit dem Hinweis versehen sind, dass sie „27 Stunden zu spät“ dran sind. Es gibt keine Belohnung für Beliebtheit, keinen auf Interessen basierenden Algorithmus, und das Feed wird ständig aktualisiert. Das macht es schwierig (wenn nicht gar unmöglich), auf der Plattform viral zu gehen. Somit gibt es auch keine Influencer:innen, mit denen man sich vergleichen könnte.

Der Drang sich zu vergleichen ist aber immer noch da, nur intimer. Für einige werden FOMO (Fear of Missing Out) und die Eifersucht, die es auch auf Instagram gibt, auf BeReal nur noch schlimmer. Denn hier ist es schwieriger, strategisch zu posten oder Dinge zu fälschen. Wir haben uns damit abgefunden, dass Instagram eine Art Highlight-Reel ist. Bei BeReal dagegen ist ein neues Minenfeld, das Authentizität verspricht, und durch das wir mit Selbstdarstellung und unseren Beziehungen steuern müssen –nicht ohne gleichzeitig Leistung zu erbringen.

„Zeitverschwendung im Internet, mit weniger interessanten Inhalten.“

Die in Georgia lebende Schriftstellerin Maeve Browne sagte gegenüber BuzzFeed News US, dass die „gefälschte Authentizität schlimmer sei als die Anerkennung der Kontrolle auf Apps wie Instagram“. Laut ihr fühle es sich „unecht tiefgründig“ an und lasse dabei das Beste daran, sich mit seinen Freund:innen auszutauschen, außen vor – zu wissen, dass sich gerade jemand Zeit für dich genommen hat.

„Im besten Fall ist es desinteressierter Voyeurismus, im schlimmsten Fall anhängliche Grenzüberschreitung“, sagte sie. „Es ist ein Cosplay als Lösung für die Zeitverschwendung im Internet. Aber die Alternative, die es bietet, ist Zeitverschwendung im Internet, mit weniger interessanten Inhalten.“

Screenshot BeReal.
Unsere Autorin Kelsey Weekman findet BeReal ist keine Gegenmittel zu Social Media. © Kelsey Weekman

BeReal ist kein Gegenmittel zu Social Media

Einmal war ich ein bisschen zu schnell, um meinen Beitrag rechtzeitig zu veröffentlichen, dass ich versehentlich ein Foto mit einer vollständigen Bildunterschrift teilte, was für meinen Geschmack etwas zu authentisch war.

Nach einer Woche BeReal, war das Spannendste was passiert ist, dass ich mich vor meinen fünf meiner besten Freund:innen entblößt habe. Ich hatte gehofft, dass BeReal mich dazu inspirieren würde, öfter herauszugehen und interessantere Dinge zu tun, aber die Benachrichtigungen kommen mitten während meines Arbeitstages. Da fällt es mir schwer, die Banalität meines Alltags zu beschönigen. Die Feeds meiner Freund:innen sahen aus wie meine – Aufnahmen von Google Docs und YouTube-Videos.

Authentisch und im Moment posten zu müssen ist für mich weitaus demütigender als inspirierend – die meiste Zeit ist das Leben einfach langweilig und unbedeutend. Gepostet wird nur, damit meine Freund:innen sich bei mir melden. BeReal ist kein Gegenmittel zu Social Media. Stattdessen verlässt es sich nach wie vor auf diese kleinen Dopamin-Schübe, die uns dazu animieren, die App weiterhin zu benutzen. Aber falls irgendwann eine App einen Weg finden sollte, sich selbst zu überlisten, indem sie erforscht, was uns überhaupt dazu bringt, unser Leben zu posten und zu teilen, werde ich die Erste sein, die sich dort anmeldet.

Mit anderen Apps wie Tinder, kannst du im Ukraine-Krieg nun helfen, Russlands Zensur zu umgehen.

Autorin ist Kelsey Weekman. Dieser Artikel erschien zunächst am 12. April 2022 auf buzzfeednews.com. Aus dem Englischen übersetzt von Aranza Maier.

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