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7 Dinge, die du über das Bürgergeld wissen solltest

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Von: Robert Wagner

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Union und Ampelkoalition haben im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss gefunden, der Weg zum Bürgergeld ist frei. Was bedeutet das nun konkret für bedürftige Menschen?

Die SPD spricht laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) von einem „System- und Kulturwandel“ für Arbeitslose, der Bund der Steuerzahler warnt vor „teuren Überraschungen“, die es mit sich bringe. Am 23. November einigten sich die Ampelkoalition und die CDU/CSU-geführten Bundesländer im Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss beim Bürgergeld. Diese Vermittlung zwischen Bundestag und Bundesrat war notwendig geworden, weil die Union das Bürgergeld im Bundesrat blockiert hatte. Nach nur eineinhalb Stunden segneten die 16 Vertreterinnen und Vertreter beider Häuser eine Vorlage ab, die Union und Ampel-Koalition zuvor bereits in internen Beratungen erzielt hatten.

Seit Monaten wird über die Änderungen des Bürgergelds als Reform des Hartz-IV-Systems diskutiert, viele bedürftige Menschen warten sehnsüchtig auf die Erhöhung der Leistungen. Der Union gingen die Änderungen zu weit in Richtung Fördern und verlangte eine Neujustierung in Richtung Fordern. Nachdem nun über den Bundesrat und dessen Vermittlungsausschuss ein Kompromiss erzielt werden konnte, steht dem Bürgergeld würde ab 1. Januar 2023 theoretisch nichts mehr im Wege. SPD-Politiker:innen wie Cansel Kiziltepe zeigen sich gegenüber BuzzFeed News stolz auf den Kompromiss.

Doch was wurde nun eigentlich beschlossen? Hier sieben Dinge, die du über das kommende Bürgergeld wissen musst.

1. Wie viel Geld bekommen Arbeitslose künftig?

Bisher bekamen alleinstehende Erwachsene im Rahmen der Grundsicherung durch das Arbeitslosengeld II, besser bekannt als Hartz IV, einen Regelsatz in Höhe von 449 Euro. Mit dem Bürgergeld als Hartz-IV-Nachfolger wird dieser Regelsatz auf 502 Euro erhöht. Jugendliche sollen künftig 420 Euro erhalten, statt bisher 376 Euro, wie die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg erklärt.

2. Wie viel Schonvermögen dürfen die Betroffenen dann (vorerst) behalten?

Der Union war besonders wichtig, das Schonvermögen zu überarbeiten, das die Ampelkoalition in den ersten zwei Jahren der Arbeitslosigkeit unangetastet lassen wollte. Der Regierungsentwurf sah eine Summe von 60.000 Euro an Erspartem vor, die die leistungsberechtigte Person behalten durfte, plus 30.000 Euro für jede weitere mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebende Person (etwa Kinder). Der Kompromissentwurf aus dem Vermittlungsausschuss schlägt hingegen vor, dieses Schonvermögen auf 40.000 beziehungsweise 15.000 Euro zu reduzieren, wie aus einer Pressemitteilung des Bundesrats hervorgeht. Wer mehr besitzt, muss zunächst von seinen Ersparnissen leben, bevor das Bürgergeld gezahlt wird.

3. Wie lange dürfen Leistungsbezieher:innen ihr Erspartes behalten?

Die ursprünglich im Entwurf der Ampelkoalition vorgesehenen Grenzen von 60.000 beziehungsweise 30.000 Euro an Schonvermögen sollten in den ersten zwei Jahren der Arbeitslosigkeit gelten. In dieser „Karenzzeit“ sollten auch die Kosten für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe und die Heizkosten in angemessener Höhe vom Staat übernommen werden. Der Union war diese Karenzzeit zu lang. Deswegen soll es laut Vermittlungsausschuss jetzt nur ein Jahr „Karenzzeit“ geben.

4. Übernimmt der Staat die Miete?

In der Karenzzeit sollen auch die Kosten für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen werden, unabhängig von der „Angemessenheit“ der Wohnung. Das bedeutet, Leistungsbezieher:innen können zunächst in ihrer alten Wohnung bleiben, ohne dass der Staat prüft, ob deren Größe angemessen ist.

5. Müssen Leistungsempfänger:innen Sanktionen befürchten?

Ursprünglich vorgesehen war auch eine sogenannte „Vertrauenszeit“ von sechs Monaten, in der gegen die Leistungsbezieher:innen keine Sanktionen verhängt worden wären. Die Union setzte durch, dass diese Schonfrist gestrichen wurde. Stattdessen sollen von Beginn an Sanktionen angedroht und verhängt werden können, um die Leistungsbezieher:innen zur Mitwirkung zu zwingen. Der Vermittlungsausschuss schlägt ein dreistufiges Modell vor. Nach der ersten Pflichtverletzung, etwa wenn keine Bewerbungen geschrieben werden, soll das Bürgergeld für einen Monat um zehn Prozent gekürzt werden, nach der zweiten für zwei Monate um 20 Prozent und nach der dritten für drei Monate um 30 Prozent.

Der im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss sieht allerdings auch vor, auf Sanktionen zu verzichten, sollten sie im konkreten Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen. Schon vor einiger Zeit, merkten die Jobcenter an, dass ein Bürgergeld ganz ohne Sanktionen wahrscheinlich nicht funktioniere.

6. Dürfen Arbeitslose künftig Wohneigentum behalten?

Neu im Vermittlungsausschuss hinzugekommen ist eine Härtefallregelung, die Wohneigentum betrifft. Aktuell zählt ein selbst genutztes Haus mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern zum Schonvermögen. Besteht der Haushalt aus mehr als vier Personen, erhöht sich die geschützte Wohnfläche für jede weitere Person um 20 Quadratmeter. Der Kompromissvorschlag schlägt nun vor, bei einer drohenden besonderen Härte auch größere Häuser und Wohnungen zum Schonvermögen zu rechnen.

7. Was ändert sich noch mit dem Bürgergeld?

Vom Vermittlungsausschuss weitgehend unangetastet bleiben die Teile der Reform, die zu einem stärkeren Kümmern der Jobcenter führen sollen. Der Vermittlungsvorrang, bei dem es vor allem darum ging, möglichst schnell eine neue Arbeit zu finden, soll abgeschafft werden. Mit dem Bürgergeld soll der Fokus stattdessen auf Weiterbildung und Berufsqualifizierung liegen, wie Zeit Online berichtet. Individuell soll künftig ausgelotet werden, welche Qualifizierung oder Umschulung Betroffene machen müssen, sodass sie wieder auf eigene Beine kommen. Auf diese Weise soll der viel kritisierte „Drehtüreffekt“ von Jobcenter zum Helferjob und zurück beendet werden.

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