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Keine Maskenpflicht mehr: Euer Freedom Day ist für uns der absolute Horror

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Von: Jana Stäbener

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Die Maskenpflicht fällt ab diesem Wochenende weg. Risikogruppen sind davon enorm betroffen.
Schon bald könnten Masken im Supermarkt Geschichte sein – für Menschen der Risikogruppe ist das ein herber Schlag. © YAY Images/IMAGO, Frank Rumpenhorst/dpa (Collage)

Für Menschen der Hochrisikogruppe ist die Maskenpflicht ein Grund, warum sie überhaupt noch rausgehen können. Was halten Betroffene davon, dass sie jetzt wegfällt?

Ab Samstag fällt bundesweit die rechtliche Grundlage für Corona-Schutzmaßnahmen wie 2G, 3G oder die allgemeine Maskenpflicht weg. Seit dem „Freedom Day“ am 20. März 2022 waren die Maßnahmen bereits immer mehr gelockert worden – und das trotz stetig steigender Infektionszahlen, momentan über 300.000 Neuinfektionen am Tag. Für Angehörige der Risikogruppe ist diese Entscheidung ein Schlag ins Gesicht. BuzzFeed News Deutschland hat mit zwei Frauen gesprochen, die sich einig sind: Die Maske muss aufbleiben! Die Mehrheit der Deutschen ist neben der Maskenpflicht auch für eine Impfpflicht.

Keine Maskenpflicht mehr: Lauterbach wirbt für die Hotspot-Regelung

„Die Pandemie ist bei Weitem nicht vorbei. Von einem Freedom Day kann keine Rede sein“, sagt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am vergangenen Freitag in Berlin. Er wirbt für die Hotspot-Regelung, mit der die Bundesländer strengere Corona-Maßnahmen verordnen können, wenn beispielsweise die Krankenhäuser überlastet sind oder eine neue Variante bevorsteht. Diese Regelung stößt jedoch auf viel Kritik – ein ganzes Bundesland zum Hotspot zu erklären, ist rechtlich unmöglich, sagten mehrere Landesminister:innen gegenüber der ARD.

Also heißt es ab sofort so gut wie überall: Maske nur noch in Bus, Bahn und Flugzeug sowie in medizinischen Einrichtungen. Ohne rechtliche Grundlage wollen die meisten Unternehmen, so auch Edeka, Ikea, Thalia keine Maskenpflicht mehr durchsetzen. „Klar werden ein paar die Maske weiterhin aufziehen, aber das reicht nicht – nicht für mich“, sagt Melanie* vom Niederrhein. Sie hat eine besondere Form der Autoimmunerkrankung MOG und zählt zur Risikogruppe für eine Ansteckung mit SARS-CoV-2.

Wenn eine Impfung nicht infrage kommt – Wer schützt uns dann?

Melanie ist verzweifelt: Im Gespräch erzählt sie uns, dass sie seit Beginn der Pandemie fünfmal zum Einkaufen das Haus verlassen hat. Entdeckt wurde die Krankheit der 43-Jährigen 2015. „Meine eine Gesichtshälfte war auf einmal komplett taub“, erzählt sie uns. Die Diagnose damals noch Multiple Sklerose (MS). Seit 2021 weiß Melanie: Sie hat eine spezielle Form einer Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) namens MOG. In ihrem Gehirn entstehen immer wieder Entzündungsherde, weil in ihrem Blut sogenannte MOG-Antikörper sind, die Zellen und Nerven angreifen.

Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 kommt für Melanie nicht infrage: Sie würde weitere Schübe auslösen und noch mehr Entzündungsherde entstehen lassen. Eine Covid-19-Infektion ist für sie ebenfalls lebensgefährlich, denn das Virus löst bekanntermaßen selbst bei gesunden Menschen Autoimmunreaktionen aus. „Ich nehme seit zwei Jahren Schlafmittel, weil mich die Situation so belastet“, erzählt Melanie. Dann Anfang 2021, als die Impfung zugelassen wurde, sah sie das erste Mal Licht. Jetzt, ein Jahr später sieht sie nur noch schwarz für die kommenden Monate.

Maskenpflicht muss bleiben: „Ich will einfach mal zu Lidl oder Real, ist das zuviel verlangt?“

Im Sommer 2021 war Melanie das letzte Mal einkaufen und konnte das so richtig genießen. Niedrige Inzidenzen, trotzdem Maskenpflicht im Supermarkt – so fühlte sie sich einigermaßen sicher. Kein Wunder, denn FFP2-Masken senken die Ansteckungsgefahr bei 20-minütigem Kontakt im Innenraum auf 0,1 Prozent, wie die wissenschaftliche Zeitschrift Proceedings berichtete. „Es gibt Schöneres, als eine Maske, na klar. Aber wenn es hilft, dann trag ich die doch“, sagt die 43-Jährige.

Dass die Regierung keinerlei Anstalten unternimmt, die Risikogruppen mit einer so einfachen Maßnahme zu schützen, findet sie unfassbar. Und noch schlimmer, dass die Gesellschaft überhaupt nichts dagegen unternimmt. „Die, die keine Maske mehr tragen wollen: Was sind das für asoziale Leute? Wenn die Maskenpflicht wegfällt, dann ist das für uns eine Katastrophe!“

Ich will doch gar nicht viel. Ich will nicht ins Kino, nicht in irgendeine Bar – aber einfach mal zum Lidl oder Real im Sommer, ist das zuviel verlangt?

Melanie*, Angehörige der Hochrisikogruppe

Als Hochrisikopatientin sei es schon schwer genug. „Du hast keine Chance, irgendwo hinzukommen und wahrgenommen zu werden, du bist nur am Kämpfen“, sagt sie. Jeder wisse, dass Masken die beste und einfachste Maßnahme gegen Ansteckung sind. „Ich will doch gar nicht viel. Ich will nicht ins Kino, nicht in irgendeine Bar – aber einfach mal zum Lidl oder Real im Sommer, ist das zu viel verlangt?“, fragt Melanie und kann nur schwer die Tränen unterdrücken.

Mehr Solidarität mit Risikogruppen: Die Maske muss aufbleiben!

Silke setzt sich für Menschen wie Melanie ein. Sie selbst ist „moderat vorerkrankt“, wie sie es nennt, und hat Eltern, die zur Hochrisikogruppe gehören. Besonders die aufgehobene Masken- und Testpflicht in Schulen findet sie unverantwortlich und hat bereits eine Petition unter dem Motto „Die Maske bleibt auf!“ gestartet. Ihre beiden Kinder und sie sind auf die Unterstützung der Großeltern angewiesen und gerade das Testen und Maske-Tragen hätte eine gewisse Sicherheit gegeben.

„Ich empfinde es gerade so, als ob die Politik es meinen Kindern als Bürde auferlegt, sich und ihre verwundbaren Familienmitglieder zu schützen.“ Silke fühle sich wütend und hilflos, sagt sie. Trotzdem gibt sie nicht auf und hofft, dass die Maskenpflicht so schnell wie möglich wieder eingeführt wird. Auch in Österreich war das der Fall. Bis dahin sammelt sie weiterhin Stimmen für ihre Petition und ruft auf Twitter zu mehr Solidarität mit vorerkrankten Menschen auf, die nicht einfach alle ihre Masken abreißen können, nur weil irgendwer ganz laut „Freedom Day“ schreit.

*Um Melanie zu schützen, nennen wir in diesem Text nicht ihren richtigen Namen. Ihr voller Name ist der Redaktion bekannt.

Mehr zum Thema Corona? Schau dir hier die lustigsten Tweets zum Papiermangel an, der angebliche Grund, warum eine Impfpflicht nicht durchsetzbar wäre.

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