Ein Kind ist für viele inzwischen Luxus, sagt eine Soziologin - bis zum Studium kostet es 230.000 Euro

Die Geburtenzahlen in westlichen Industrieländern gehen seit Jahren zurück. Der Grund: Kinder kann sich heute kaum jemand leisten, sagt eine Soziologin.
Schaut man sich die Daten des Statistischen Bundesamt (Destatis) an, so sind die Geburtenzahlen in Deutschland seit vier Jahren rückläufig. Im Durchschnitt bekam eine Frau im Jahr 2020 1,53 Kinder. Besonders die Zahl der Frauen, die im „fertilen Alter“, also zwischen 26 und 37 Jahren Kinder bekommen, nahm 2020 das erste Mal seit 2011 ab. Auch in anderen Industrieländern wie den USA sind die Geburtenzahlen rückläufig. Doch was sind die Gründe dafür? Eine US-amerikanische Soziologin vermutet, dass Kinder in der heutigen Zeit eine Art Luxus-Gut geworden sind.
Der Business-Insider nennt als Gründe für den Geburtenrückgang, dass Frauen heute einen besseren Zugang zu Verhütungsmitteln als früher haben. Sie hätten außerdem die Chance, ihre Ausbildung und Karriere zu voranzustellen und wollen teilweise keine Kinder in die Welt setzen, wie diese 28-Jährige, die in diesem Text Gründe nennt, warum sie keine Kinder bekommt. Auch die Klimakrise ist ein Grund, warum sich junge Menschen gegen Kinder entscheiden. Aber es gibt auch einen noch offensichtlicheren Grund: Kinder sind in einer Krisen-Zeit, in der alles immer teurer wird, so zum Beispiel auch warmes Wasser, weshalb der Chef der Bundesnetzagentur das tägliche Duschen infrage stellt, ein neuer Luxus.
Kinder sind Luxus? Sie kosten bis zum Studienabschluss stolze 230.000 Euro
Die Professorin für Soziologie und Familien-/Demografie-Forschung Karen Guzzo sieht in den wirtschaftlichen Aspekten, die Hauptursache für den Kinder-Rückgang in den westlichen Ländern. Gegenüber dem Insider sagt sie: „Es ist fast so, als gäbe es nur die Reichen und die Besitzlosen, wenn es darum geht, wer Kinder hat. Weil es eben so teuer ist.“ In den USA kostet allein die Kinderbetreuung pro Jahr durchschnittlich bei 9.000 US-Dollar. Das sei für 63 Prozent der arbeitenden Eltern dort unerschwinglich, so die Organisation Child Care Aware.
Auch in Deutschland sind Kinder Luxus: Pro Jahr kosten Kinder laut Destatis um die 6000 bis 7000 Euro. Das sind bis zum 18. Geburtstag rund 130.000 Euro je Kind. Laut Frankfurter Allgemeinen (FAZ) sei es bei Kindern, die studieren, fast doppelt so viel. Eine Summe von 230.000 Euro kosten diese bis zum Abschluss. Für dieses Geld bekamen ältere Generationen ein ganzes Haus. Bei den heutigen Preisen reicht das zwar nicht, trotzdem ist der Preis für ein Kind die stolze Hälfte oder zumindest ein Drittel eines durchschnittlichen Immobilienpreises.
Eltern werden immer älter, weil sie finanziell abgesichert sein wollen
Karen Guzzo, die an der Bowling Green State University forscht, erklärt, dass die Menschen das Kinderkriegen deswegen aufschieben würden. Zuerst würden sie finanzielle Stabilität erreichen wollen. Dies sei jedoch schwer, denn im Zuge der Inflation würden Wohnung, Gesundheitsfürsorge, Studienkredite und Lebensmittel immer teurer werden. „Und dann kommt noch ein Kind dazu“, sagte Guzzo gegenüber dem Insider.
Die Mütter und Väter werden also immer älter. In Deutschland nimmt der Anteil an Frauen, die zwischen 18 und 40 ein Kind bekommen, seit 2016 immer weiter ab, wie Zahlen von Destatis zeigen. Gleichzeitig verzeichnet das Amt in einer Studie von 2020 immer mehr Mütter über 40 – diese Zahl stieg in den vergangenen vier Jahren von 39.000 pro Jahr auf 45.000 an.
Kinderkriegen hat viel mit persönlichem Optimismus für die Zukunft zu tun
Menschen mit Hochschulbildung verschöben das Kinderkriegen also auf ihre 30er-Jahre, sagt Guzzo. Doch gerade diejenigen, die keinen Hochschulabschluss hätten und auf dem Arbeitsmarkt nicht so gute Chancen hätten, würden vielleicht nie Eltern oder könnten nicht so viele Kinder bekommen, wie sie wollten.
Kinderkriegen habe deswegen auch viel mit persönlichem Optimismus zu tun – sei ein wahres Luxus-Gut. Sich für mindestens 18 Jahre – „eigentlich eher 25“ – zu verpflichten, spreche für ein Sicherheitsgefühl in Bezug auf die Zukunft, das nicht alle Menschen haben. Man brauche heute das optimistische Gefühl, dass man es sich leisten könne, den eigenen Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen.
Diese Wirtin scheint Kinder nicht besonders zu mögen: Sie lässt Kinder unter 12 nicht mehr in ihr Restaurant.