Städte wollen Straßenlaternen früher ausschalten – zum Nachteil vieler Menschen

Um Strom zu sparen, wollen Städte an der Straßenbeleuchtung sparen. Das schränkt viele Menschen ein, findet Stadtforscherin Rosa Thoneick.
Wegen der hohen Strompreise planen erste Städte bei der Straßenbeleuchtung zu sparen. Sie wollen die Straßenbeleuchtung künftig später an- und früher ausgehen lassen oder dimmen die Leuchten herunter. Eine reduzierte Straßenbeleuchtung sei „eine Idee im Bündel der möglichen Maßnahmen“, die in Kommunen diskutiert werde, sagte Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
In der Stadt Weimar werden demnächst die Straßenlaternen ab 1. Juni in der Sommerzeit 30 Minuten später ein- und 30 Minuten früher ausgeschaltet. In den Wintermonaten wird die ursprüngliche Beleuchtungszeit um jeweils zehn Minuten reduziert, wie die Stadt mitteilte. Damit könnten pro Jahr zwischen 70 000 und 100 000 Kilowattstunden eingespart werden – eine Einsparung von etwa 30 000 bis 40 000 Euro bei dem derzeitigen Energiepreis.
In Halle in Sachsen-Anhalt sagte eine Sprecherin der Stadtwerke, derzeit sei aufgrund von technischen und organisatorischen Maßnahmen zwar noch keine kürzere Leucht-Dauer der Stadtbeleuchtung nötig – „allerdings bereiten auch wir uns darauf vor“. Und auch in Mainz wird angesichts drastisch steigender Energiekosten über weitere Reduzierungen bei der Beleuchtung von Fuß- und Radwegen diskutiert. Aktuell werde an weniger genutzten Fuß- und Radwegen die Straßenbeleuchtung zwischen 1 Uhr und 5 Uhr bereits um 50 Prozent reduziert, teilte die Stadt auf Anfrage der dpa mit.
Stadtforscherin: Schwächere Verkehrsteilnehmer:innen bei Dunkelheit besonders gefährdet
„Wenn man eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am öffentlichen Leben unterstützen möchte, spart man besser an einem anderen Ende“, sagt Stadtforscherin Rosa Thoneick. Sie arbeitete am CityScienceLab der Hamburger HafenCity-Universität und befasst sich unter anderem mit gleichberechtigter Mobilität. Bei Straßenbeleuchtung gebe es zwei Sicherheitsaspekte – Verkehrssicherheit und soziale Sicherheit, erklärt sie auf Anfrage von BuzzFeed News Deutschland.
Bei Dunkelheit seien vor allem die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen schlechter zu sehen und deshalb gefährdeter in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Dazu zählen zum Beispiel Rollstuhlfahrer:innen, Menschen mit Kinderwägen, Radfahrer:innen und Fußgänger:innen. „Will man ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme am Verkehr ermöglichen, sollte man ihre Sichtbarkeit eher erhöhen“, so Thoneick.
Frauen und PoC fürchten sich in der Dunkelheit – das schränkt ihre Teilhabe am öffentlichen Leben ein
Zur sozialen Sicherheit zähle die uneingeschränkte und angstfreie Teilnahme am Leben im öffentlichen Raum. Auch hier spielt die Straßenbeleuchtung eine Rolle. „Zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte auf Social Media belegen, dass sich Frauen, und verstärkt ältere Frauen, bei Dunkelheit im öffentlichen Raum unbehaglich oder unsicher fühlen und Angst vor Übergriffen, körperlicher und sexueller Gewalt haben“, sagt Thoneick.
Auch wenn Kriminalstatistiken nicht belegen, dass bei Dunkelheit mehr Gewalttaten geschehen, schränke bereits die Angst davor Frauen ein. „Sie ziehen sich entweder aus dem öffentlichen Raum zurück oder nutzen komplexe Bewältigungsstrategien. Das heißt, sie wählen längere Heimwege über belebtere Straßen, wechseln die Straßenseite, vermeiden Parks, schicken Nachrichten an Freund:innen oder halten ihre Schlüssel in der Hand“, erklärt die Stadtforscherin. Diese Angst könne sich bei PoC noch erhöhen, weil bei ihnen noch die Sorge vor rassistischer Gewalt hinzukomme.
Sorgearbeitende und Menschen in prekären Berufen haben andere Mobilitätsmuster
Die Einsparungen bei der Straßenbeleuchtung betreffen außerdem besonders Sorgearbeitende und Menschen in prekären Berufen. Bei beiden Gruppen sei die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie zu anderen Zeiten auf den Straßen unterwegs seien, als der:die durchschnittliche Angestellte. Sie haben andere Mobilitätsmuster, das heißt, sie sind früher unterwegs, um die Kinder zur Kita zu bringen, nutzen weniger häufig das Auto und haben generell weniger Geld für Mobilität, so Thoneick. „Sie sind also vermehrt dann unterwegs, wenn die Leuchten vielleicht noch oder wieder aus sind.“ Daher schränke die Einsparungen bei der Straßenbeleuchtung die Teilhabe am öffentlichen Leben für sie ein – „nicht nur die der Frauen, sondern auch von Menschen, die weniger mobil sind oder weniger Geld haben.“