„Stranger Things“ rettet Netflix davor, noch mehr Kund:innen zu verlieren

Netflix hadert mit sinkenden Abozahlen. „Stranger Things“ bewahrt den Konzern aber vorerst vor Schlimmerem.
Nachdem der weltweit größte Streamingdienst Netflix in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 zum ersten Mal seit langer Zeit Abo-Kund:innen verloren hat, setzt sich der Negativtrend fort, allerdings weniger drastisch als erwartet. Von April bis Ende Juni sanken die Abozahlen um insgesamt 970.000 Abos, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Das ist deutlich mehr als die 200.000 Abos, die im ersten Quartal verloren wurden, aber auch deutlich weniger als die rund zwei Millionen, die der Konzern an Abo-Verlusten für das zweite Quartal erwartet hatte. Damit liegt die weltweite Zahl der gebührenpflichtigen Nutzerkonten zur Jahreshälfte bei knapp 221 Millionen.
Dennoch zeigt die harte Konkurrenz in Netlix‘ Stammländern USA und Kanada durch Anbieter wie HBO oder Disney+ Wirkung: Dort verlor der Streamingdienst sogar 1,3 Millionen Abos, die allerdings durch gute Zuwächse in der Asien-Pazifik-Region zum Teil aufgefangen werden konnten. Für das aktuelle dritte Quartal rechnet Netflix wieder mit einem globalen Zuwachs von rund einer Million Neukund:innen, allerdings hatten sich Börsenanalysten hier mehr erhofft.
Netflix bleibt aber weiterhin der Platzhirsch auf dem Streamingmarkt und konnte seinen Umsatz im abgelaufenen Quartal um 8,6 Prozent auf 8,0 Milliarden Dollar erhöhen. Auch der Gewinn stieg auf 1,44 Milliarden Dollar. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 1,35 Milliarden Dollar. Allerdings sank das Betriebsergebnis um 15 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar, wie Netflix laut dpa am Dienstag nach US-Börsenschluss mitteilte. Bei den Anlegern kam der Quartalsbericht insgesamt gut an. Die Aktie legte am heutigen Mittwoch um gut sieben Prozent zu.
„Stranger Things“ rettet Netflix vor Schlimmerem
Ein Grund für die nicht ganz so negative Entwicklung der Abo-Zahlen ist die Veröffentlichung der vierten Staffel von „Stranger Things“, die einen größeren Verlust zahlender Kundschaft verhindert haben dürfte. Tatsächlich ist diese lang ersehnte Serienstaffel sogar die erfolgreichste in englischer Sprache, die jemals von Netflix ausgestrahlt wurde. Die Macher haben 17 Easter Eggs in der aktuellen Staffel von „Stranger Things“ versteckt.
Die Serie erfreut sich seit Jahren weltweit großer Beliebtheit. Eine deutsch-russische Künstlerin lässt sich für ihre Graffitis sogar von „Stranger Things“ inspirieren und sprayt die Charaktere der Serie auf Wände in Duisburg. Die letzten Staffeln haben viele Fans enttäuscht, mit der aktuellen habe „Stranger Things“ aber wieder seinen Groove gefunden, meinen Kenner:innen. Die fünfte und finale Staffel wurde bereits angekündigt, wird aber erst 2024 erscheinen.
Trotz Erfolg von „Stranger Things“: Netflix muss sich neu aufstellen
Trotz des Erfolgs von „Stranger Things“ muss sich Netflix wohl neu aufstellen, um dauerhaft als Marktführer bestehen zu können. Um dem Rückgang der Nutzerzahlen etwas entgegenzustellen, arbeitet der Streamingdienst an einer günstigeren Version mit eingebetteten Werbeclips, die während des Streams aufpoppen. Ein Tabubruch, den Co-Konzernchef Reed Hastings in der Vergangenheit stets vermeiden wollte. Die werbefinanzierte Version soll laut dpa Anfang 2023 anlaufen, zunächst beschränkt auf eine „Handvoll Märkte“. Noch ist unklar, wie umfassend das Angebot dieser günstigeren Version sein wird.
Außerdem will Netflix dagegen vorgehen, dass Passwörtern geteilt werden. Kundenaccounts, die von mehreren Haushalten verwendet werden, kosten dem Dienst nach eigenen Angaben über 100 Millionen Abos. Um diesen Verlusten entgegenzuwirken und die Trittbrettfahrenden Haushalte zur Kasse zu bitten, wird aktuell in einigen kleineren Ländern eine Option getestet, mit der man für einen reduzierten Preis weitere Haushalte zu einem Abo hinzufügen kann.
Darüber hinaus will Netflix auch sein Angebot ausbauen und kündigte laut dpa den Kauf des Animations- und Spezialeffekte-Studios Animal Logic an, das unter anderem am „Lego Movie“ mitarbeitete. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass der Streamingdienst auch darüber nachdenkt, ein eigenes Franchise aufzubauen, analog zur anstehenden Spin-off-Serie von „Der Herr der Ringe“ bei Prime Video. Auch von „Stranger Things“ sollen mehrere Spin-offs in Planung sein, die nach der finalen fünften Staffel erscheinen sollen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.