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„Schwarzbuch Krankenhaus“: Pfleger:innen berichten von erschreckenden Zuständen in Kliniken

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Von: Pia Seitler

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Verdi Demo für bessere Arbeitsbedingungen an den Uni-Kliniken in NRW.
Verdi Demo für bessere Arbeitsbedingungen an den Uni-Kliniken in NRW. © Dominik Bund/Panthermedia/Imago/BuzzFeed/Collage

Mehr als elf Wochen dauerte der Streik an den Unikliniken in NRW. Erfahrungsberichte aus den Kliniken zeigen, warum die Streikenden kämpften.

„Ich habe dem Patienten also von draußen beim Sterben zugeguckt – weil einfach zu wenig Personal da war, um ihn in seinen letzten Lebensminuten zu begleiten“, schreibt eine Auszubildende im zweiten Lehrjahr an einer Uniklinik in Nordrhein-Westfalen (NRW). Mehr als elf Wochen streikten dort die Pflegefachkräfte, Physiotherapeut:innen und alle weiteren Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens außer Ärzt:innen für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen. Am 20. Juli werden die Streiks beendet. Die Verdi-Tarifkommission akzeptierte ein mit den Arbeitgebern ausgehandeltes Eckpunktepapier, wie Gewerkschaft und Arbeitgeber laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) mitteilten.

Die Arbeitenden des Gesundheitswesens hatten zuvor das „Schwarzbuch Krankenhaus“ veröffentlicht. Darin finden sich erschreckende Berichte aus ihrem Arbeitsalltag, die zeigen, dass Personalmangel an den Kliniken tödlich enden kann. Auch der Ausschnitt zu Beginn dieses Textes stammt aus dem Schwarzbuch Krankenhaus. Eine Auszubildende beschreibt, wie sie einem 92-jährigen Covid-19-Patienten durchs Fenster beim Sterben zusehen musste und ihm keine Gesellschaft in seinem Zimmer leisten konnte, weil die Station unterbesetzt war.

Zu den Streikenden gehörte auch die Auszubildende Rieke Wens. Hier erzählte sie BuzzFeed News Deutschland, wie sie sich als Auszubildende in der Pflege fühlt und wofür sie mit dem Streik in NRW kämpft.

Erfahrungsberichte im Schwarzbuch Krankenhaus zeigen Situation von Patient:innen in den Kliniken

Die Gewerkschaft Verdi wollte mit dem Streik spürbare Verbesserungen insbesondere in der chronisch unterbesetzten Pflege durchsetzen, aber auch in anderen Klinikbereichen. Der Tarifvertrag sei „ein wichtiger Etappensieg der Beschäftigten“ und „gegen die Profitlogik des Krankenhauswesens durchgesetzt“ worden, sagte Verdi-Landesfachbereichsleiterin Katharina Wesenick in Köln, wie die dpa berichtet. Für viele Beschäftigtengruppen außerhalb der Pflege seien bundesweit erstmals Mindestbesetzungen und Belastungsausgleiche vereinbart worden.

Auf der Webseite des Schwarzbuch Krankenhauses finden sich zahlreiche Berichte, die die Forderungen des Klinikpersonals unterstreichen. Neben Berichten, die zeigen, wie Patient:innen aufgrund des Personalmangels leiden mussten, wird auch deutlich, welchen schwierigen Situationen die Arbeitenden in den Kliniken ausgesetzt sind.

Eine Auszubildende berichtet von sexueller Belästigung bei ihrem ersten Praxiseinsatz:

Ein Zimmer mit zwei älteren Patienten betreue ich nun seit einigen Tagen. Mit einem unguten Gefühl betrete ich das Zimmer schon am Morgen, denn in den letzten Tagen wurde ich mehrfach Betroffene von sexualisierten Aussagen und ebenso häufig „zufällig“ angefasst.

Erfahrungsbericht aus dem Schwarzbuch Krankenhaus

Von ihrem Unwohlsein diese Patienten vor allem beim Duschgang zu unterstützten, erzählte die Auszubildende in der Klinik und fragte, ob jemand diese Patienten übernehmen oder sie begleiten könne. „Es gab leider ein klares Nein von den anderen Pflegekräften, auch sie können gerade so die Grundpflege durchführen, die Übernahmen von weiteren Tätigkeiten: Daran sei nicht zu denken“ heißt es in ihrem Erfahrungsbericht. Sie wurde trotz dieser Überfälle mit der Aufgabe allein gelassen.

Vedi nimmt Einigung im Streit an den Unikliniken in NRW an

Der Streik war der bisher längste im nordrhein-westfälischen Gesundheitswesen. Weit mehr als 10.000 Operationen mussten wegen knapper Besetzung an den sechs Kliniken seit Anfang Mai verschoben werden. Eine Vielzahl von Corona-Erkrankten verschärfte die Lage zusätzlich. Vom 1. Januar 2023 an soll nun das ausgehandelte Eckpunktepapier schrittweise umgesetzt werden. Zentrale Punkte der Einigung seien ein besserer Personalschlüssel insbesondere in patientennahen Berufsgruppen, eine schichtgenaue Belastungsmessung durch freie Tage oder finanziellen Ausgleich und Entlastungstage bei Unterschreiten der neuen Personalschlüssel, sagte der der Ärztliche Direktor der Uni Münster, Alex W. Friedrich, laut dpa.

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Arbeits- und Gesundheitsminister in NRW Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, die letzten Wochen hätten den Beteiligten viel abverlangt – den Beschäftigten, den Patient:innen und den Klinikleitungen. „Ich bin daher sehr froh, dass die Sozialpartner eine Lösung im Tarifkonflikt gefunden haben. Es liegt nun ein gutes Ergebnis auf dem Tisch, das zu besseren Arbeitsbedingungen führt und nachhaltig entlastet.“

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