In drei Verhandlungsrunden ab Januar war Gewerkschaften und Arbeitgebern keine ausreichende Annäherung gelungen, was in der Bevölkerung nicht nur auf Verständnis stoßen dürfte. Werneke sagte: „Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren.“
Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, spielte auf die großen Teuerungsraten und die hohen Energiepreise in Deutschland an. Auftrag der Beschäftigten an die Gewerkschaften sei es gewesen, „dass sie nicht nur einen Inflationsausgleich erhalten, sondern eine Reallohnerhöhung“. Die Gewerkschaftsgremien hätten einstimmig für das Scheitern votiert, erklärten Werneke und Silberbach.
Ministerin Faeser und die Verhandlungsführerin der Kommunen, Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (beide SPD), zeigten sich enttäuscht. „Ich bedauere sehr, dass die Gewerkschaften jetzt die Verhandlungen abgebrochen haben“, sagte Faeser. „Wir hätten uns anderes gewünscht, und ich glaube, dass gerade in diesen Krisenzeiten es gut gewesen wäre, am Verhandlungstisch noch zu bleiben.“ Die Arbeitgeber seien „bis an die Grenze des Verantwortbaren für die öffentlichen Haushalte“ auf die Gewerkschaften zugegangen.
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Welge sagte: „Die Brücke, die wir geschlagen haben, ist keine, die man nicht hätte begehen können. Insoweit steht uns die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.“ Die Arbeitgeber boten laut Faeser acht Prozent mehr Einkommen und einen Mindestbetrag von 300 Euro an – dazu eine steuerfreie Einmalzahlung von 3000 Euro mit einer Auszahlung von 1750 Euro bereits im Mai.
Verdi und dbb hatten 10,5 Prozent mehr Einkommen gefordert, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat. Der Mindestbetrag, der vor allem Bezieher:innen unterer Einkommen zugutekäme, war für sie zentral.
Noch im Februar hatten die Arbeitgeber erst fünf Prozent mehr Lohn und Einmalzahlungen von 1500 und dann noch einmal 1000 Euro angeboten – aber keinen Mindestbetrag. Die nun angebotenen mindestens 300 Euro mehr hätten in unteren Einkommensgruppen bis zu 15 Prozent mehr ausgemacht, hieß es aus Arbeitgeberkreisen.
Wie es nach der Schlichtung weitergeht, ist offen. Spätestens am 18. April müssen nach einer Aufstellung der Gewerkschaften, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Verhandlungen der Tarifparteien wieder aufgenommen werden. Der Tarifstreit kann dann endgültig gelöst werden – aber es können auch reguläre Streiks folgen. Streiks nach gescheiterter Schlichtung gab es bereits Anfang der 90er Jahre im öffentlichen Dienst.
Verdi hatte sich in den vergangenen Wochen als mobilisierungsfähig erwiesen – und den öffentlichen Verkehr, Kitas, Kliniken und viele andere Bereiche teils lahmgelegt. „Wir hatten bis zum Ende der vergangenen Woche eine halbe Million Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, sagte Werneke. Das zeige, mit welcher Unterstützung Verdi unterwegs gewesen sei. „Und diese Unterstützung ist ungebrochen“, sagte Werneke. In den vergangenen drei Monaten verzeichnete die Gewerkschaft über 70 000 Eintritte.
Betroffen von den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind Angehörige etlicher Berufe – unter anderem Erzieher:innen, Busfahrer:innen, Angestellte von Bädern, Feuerwehrleute, Pflegepersonal, Verwaltungsangestellte, Altenpfleger:innen, Klärwerksmitarbeiter:innen, Förster:innen und Ärzt:innen. Es geht um das Einkommen von über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes. Auf die Beamt:innen soll das Ergebnis nach dem Willen der Gewerkschaften übertragen werden.
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